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Ägyptischer Vatikanberater informiert über die Ursachen islamischer Radikalisierung

Prof. Khalil Samir über die islamische (Denk-)Welt

Der ägyptische Jesuitenpater und Professor Samir Khalil Samir (siehe Foto), einer der führenden Islamberater des Vatikan, sieht die islamische Welt derzeit in der schlimmsten Phase ihrer Geschichte. Es gebe in der gesamten islamischen Welt eine Atmosphäre, die sich zunehmend radikalisiere. IMG_0413-150x150
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Die Vatikankorrespondentin und IGFM-Mitarbeiterin Michaela Koller (siehe 2. Foto) befragte ihn anlässlich der jüngsten Terrorakte nach den Hintergründen. Wir veröffentlichen hier mit ihrer freundlichen Erlaubnis die wesentlichen Passagen:

Michaela Koller: Was begünstigt denn die derzeitige Häufung von Selbstradikalisierung?
Pater Samir: Ja, tatsächlich sind es immer mehr, die sich selbst durch das Internet radikalisieren. Dort agieren entsprechende Netzwerke, darauf spezialisiert die Jugend zu radikalisieren.
Zudem sind es auch Staaten wie Saudi-Arabien, die radikalen Islam verbreiten, nämlich den wahhabitischen Islam. Wir stellen das sogar in einem Land wie Ägypten fest. Immer mehr Leute sind davon überzeugt, dass der wahre Islam durch Leute wie die Salafisten, Muslimbrüder oder die Wahhabiten vertreten wird.

Die Wahhabiten haben einen großen Einfluss auf die Muslime im allgemeinen, durch ihr Geld, auch auf die Muslimebruderschaft, die inzwischen einige ihrer Ideen integriert hat. Es gibt in der gesamten islamischen Welt eine Atmosphäre, die sich zunehmend radikalisiert.
M. KollerDer Islam geht durch seine schlimmste Phase. Intellektuell, ökonomisch ist die islamische Welt derzeit Schlusslicht. Anstatt den Grund dafür bei sich zu suchen, in der falschen Theologie oder Auslegung des Koran, sagen sie, dies liege am Westen, an seiner Kolonialgeschichte und an seiner Einmischung, besonders Amerika, in unserer Politik. Dabei haben andere Länder diese Zeit binnen zehn Jahren überwunden.
Erklärt das vielleicht auch zum Teil, warum es keine breit aufgestellte und geschlossene Verurteilung dieser Gewalt gibt?
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Ja, das ist ein Problem der Muslime. Sie sagen zuallererst immer, dass die Tat nichts mit dem Islam zu tun habe, dass die Täter Fanatiker seien, dass Islam Friede (Salām) bedeutet, was absolut falsch ist. Sogar der Rektor der Universität Al-Azhar in Kairo, Ahmed Al-Tayyib, sagte das auf seiner Tournee vor einigen Wochen durch Europa, in Deutschland, wie auch beim Papst und mit Präsident Francois Hollande in Paris.  

Ich antworte dann immer, sie sollten sich die Fahne des IS anschauen; sie ist schwarz wie die von Mohammed –  und darauf steht: ‚Es gibt keine Gottheit außer Allah und Mohammed ist sein Prophet‘, das ist das Credo aller Muslime. Dazu kommt das Schwert. Auch Mohammed hatte das Schwert als Symbol, ebenso die Fahne Saudi-Arabiens. Sie wollen nicht der Realität ins Auge sehen.

Übt die Gewalt vielleicht sogar im Gegenteil auch eine Faszination aus?foto-dcubillas-www_freimages_com_

Es ist klar: Seit der IS das grundlose Blutvergießen begonnen hat, ist es jederzeit und an jedem Ort möglich, dass ein Muslim, der eine Gehirnwäsche durchgemacht hat, Leute niederschießt. Darauf ist die Welt, sind die Armeen, nicht vorbereitet. Es ist schwierig, gegen Terroristen einen organisierten Krieg zu führen.
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Die Radikalisierung des Islam rührt auch von der wahhabitischen Vision aus Saudi-Arabien her. Sie sagen, dass das aus dem Koran und der Sunna kommt, und das stimmt. Sie denken, wenn sie alles so tun, wie Mohammed es getan hat, werden sie wieder die Besten sein und dann werden sie die Welt gewinnen.
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Die liberalen Muslimen aber sagen, dass der Koran für Beduinen, Leute der Wüste, Anfang des siebten Jahrhunderts geschrieben wurde; und dass wir heute in einer total anderen Zivilisation und Kultur leben, vierzehn Jahrhunderte später, mit eine anderen Mentalität. Deshalb müssen wir den Islam neu interpretieren, den Geist des Islams erfassen, nicht wörtlich auffassen.
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Das ist das, was der Präsident Abd el-Fattah al-Sisi von Ägypten Ende Dezember 2014 in seine Rede in der Al-Azhar Universität sagte, in Anwesenheit hunderter Imame: ‚Wir brauchen ein Revolution im Islam, eine neue Interpretation unserer Texte‘.  –  Damals applaudierten alle lang, aber bis jetzt hat sich an der Lehre und in den Büchern nichts geändert.
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Vollständiges Interview mit Prof. Samir SJ hier: http://www.vaticanista.info/2016/07/23/sie-wollen-nicht-der-realitaet-ins-auge-sehen/
Fotos (Nr. 1 und 2): F. Seizmair / M. Koller

 

Kommentare

7 Antworten

  1. Das Hauptproblem liegt meiner Meinung nach darin dass die muslimische Gesellschaft den Fehler oder die Schuld an etwas ausschließlich bei den Anderen sucht, aber niemals bei sich selbst und dass es eine sehr heuchlerische Gesellschaft ist, der der äußere Schein am wichtigsten ist. Sie sind keineswegs die alleinigen Vertreter von Sitte und Moral, wie sie uns gerne glauben machen möchten, sondern auch da läuft alles. Der Unterschied zu uns ist nur der, dass wir ganz offen so leben und handeln können wie wir es für richtig halten, dass sie aber stets das Mäntelchen des Vergessens über die kleineren und größeren schmutzigenn Geheimnisse breiten. Alle wissen davon, tun aber so als wüßten sie es nicht und solange der äußere Schein gewahrt ist sonnen sich alle im Hochgefühl ihrer moralischen Überlegenheit.
    Doch wehe dem, der es wagt offen darüber zu sprechen.

  2. Hat dies auf philosophia perennis rebloggt und kommentierte:
    Zitat des Tages: „Der Islam geht durch seine schlimmste Phase. Intellektuell, ökonomisch ist die islamische Welt derzeit Schlusslicht. Anstatt den Grund dafür bei sich zu suchen, in der falschen Theologie oder Auslegung des Koran, sagen sie, dies liege am Westen, an seiner Kolonialgeschichte und an seiner Einmischung, besonders Amerika, in unserer Politik. Dabei haben andere Länder diese Zeit binnen zehn Jahren überwunden.“

    1. Dem kann ich nicht unbedingt zustimmen. Deutschland brauchte trotz intensiver Westintegration und Marshallhilfe ca. 20 Jahre, um sich von dem Krieg zu erholen. Japan und Südkorea noch länger. Die meisten Länder Afrikas, Südamerikas und Südasiens haben sich noch nicht von der Kolonialzeit erholt, und viele werden sie ein einhundert Jahren noch nicht überwunden haben. Mich würde mal interessieren, wen Prof. Samir mit dieser Aussage meinte.
      Richtig ist, dass der Nahe Osten schon immer ein „heißes Pflaster“ mit viel Krieg und Gewalt war, schon zu biblischen Zeiten. Ob der Islam dies noch verstärkt hat, vermag ich nicht zu beurteilen.

  3. Und dennoch hat der Westen eine große Mitschuld an der jetzigen Situation. Ja, er hat sie z.T. selbst geschaffen. Nicht ideologisch, wohl aber politisch.
    Als die Sowjets in Afghanistan einmarschierten, unterstützten die Amerikaner die Mudschaheddin, die nichts anderes waren als Islamisten. Als Hussein ihnen zu mächtig wurde, überzogen sie den Irak mit Krieg, töteten hunderttausende Menschen stürzten das Land ins Chaos. Das führte zu einem Erstarken der Islamisten (die die irakischen Christen oftmals als Agenten des Westen sahen und entsprechend verfolgten). Als in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach, unterstützte der Westen massiv die „gemäßigten“ Rebellen, die wohl nur aus der Perspektive von Al Kaida und dem IS als „gemäßigt“ gelten können, nach westlichen Maßstäben aber immer noch islamistische Ideologen sind.
    Diese Politik führte zur der Situation, die wir jetzt haben.

    1. Bernhard, forgive my response to your post in English, but leider sind meine Deutschkenntnisse etwas mangelhaft.
      I think we owe it to the people of the Middle East and Muslims to acknowledge their equal capacity for agency in the affairs of that region. It will no longer do to argue from the assumption that somehow Western powers are so amazingly superior to anything in the Middle East, that our peoples so much more advanced and evolved that we must also accept the corresponding higher moral culpability for everything that happens there, including the creation and propogation of violent, supremacist religious ideology native to that region. Like a parent would do for a child.

      1. Zur Hilfe hier auf die Schnelle eine (mangelhafte) Übersetzung von Google-Translate:
        Ich denke, dass wir es den Menschen im Nahen Osten zu verdanken und Muslimen ihre gleiche Kapazität für die Agentur in die Angelegenheiten dieser Region anzuerkennen. Es wird nicht mehr tun von der Annahme, zu argumentieren, dass irgendwie Westmächte alles so unglaublich überlegen sind im Nahen Osten, dass unsere Völker so viel weiter fortgeschritten und entwickelt, dass wir müssen auch die entsprechenden höheren moralischen Schuld für alles akzeptieren, was dort passiert, einschließlich der Schaffung und propogation gewaltsamer, supremacist religiöse Ideologie stammt aus dieser Region. Wie ein Elternteil es für ein Kind tun würde.

    2. @ Bernhard
      Ich würde hier unterscheiden zwischen einzelnen ehemals „Kolonisierten“. Auf manche trifft es zu, dass die Kolonisierung sie im Prinzip überfordert oder domestiziert hat wie Kinder durch Überväter und sie heute große Mühe haben, an ihrer indigenen Kultur so anzuknüpfen, dass es einen Weg im Hier und Jetzt und auch nach kolonialer Vergangenheit für sie gibt.
      Genau das trifft aber auf den Mittleren und Fernen Osten nicht zu. Zumal der Mittlere Osten auch nicht im selben Sinne kolonisiert war wie Afrika – meist waren dort die Franzosen als Schutzmächte oder auch die Briten, etwa für die einheimischen orientlaischen Christen.
      Das ist dennoch nur die eine Seite der Medaille.
      Islamische Länder sind weltweit das absolute Schlusslicht bei allem. In Saudi-Arabien liegt lediglich ein irrer Reichtum durch das Öl vor, aber kulturell ist da nicht so viel los. Heerscharen von westlichen und fernöstlichen Ingenieuren haben denen dort ihre Ölwelten aufgebaut… Studieren tun die Söhne reicher Emire und Magnaten meist bei uns, wenn sie selber soweit kommen, und ihre Stärke ist auch im Westen vor allem ihr Geld undw eniger irgendeine besonders sichtbare geistige Größe.
      Es liegt schon am Islam, der wie eine Fessel nicht nur den Intellekt, sondern auch andere Seelnkräfte lähmt und unterdrückt, vor allem bei den Frauen und damit rückwirkend der gesamten Völker.
      Nein – wir sind nicht an allem schuld! So allmächtig sind wir denn doch nicht!

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