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Andreas Englisch über Papst Benedikt und seinen Vorgänger, den „Jahrtausendpapst“

Ist die Verständigung mit der Traditionsbewegung ein „klarer Schritt zurück“?

Der bekannte Buchautor und Journalist Andreas Englisch war bis 2010 als Vatikan-Korrespondent für die BILDzeitung tätig. Er begleitete Johannes Paul II. auf vielen Reisen und zeigte sich überaus begeistert von der Person des Vorgänger-Papstes. Davon berichtet er in zwei Papst-Biografien, zuletzt mit dem euphorischen Titel „Der Wunderpapst“.
Hingegen hatte sich der BILD-Reporter in seinem Buch „Johannes Paul II.“ über Kardinal Joseph Ratzinger kritisch bis abfällig geäußert. Er nahm dem damaligen Chef der Glaubenskongregation beispielsweise sehr übel, daß dieser beim Thema Abtreibung und „Beratungsschein“ auf klar konservativen Positionen beharrte.

Foto: Radio Vatikan
Foto: Radio Vatikan

Andreas Englisch kritisiert in dieser Biographie mehrfach moralische Standpunkte der katholischen Kirche, zumal in der Sexualethik. Seine Begeisterung galt also nicht der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche, sondern vielmehr eher emotional der Persönlichkeit  und dem „Charisma“ von Papst Johannes Paul II.
Außerdem faszinieren Englisch offenbar „wunderbare“ und „mystisch“ anmutende Ereignisse, weshalb er ein weiteres Buch verfaßte, nämlich über die „Wunder der katholischen Kirche“, das allerdings theologisch vielfach unausgegoren ist und von wenig Sachkenntnis zeugt.
So hat der BILD-Reporter dem damaligen Kardinal Ratzinger stark angekreidet, daß dieser bei der Veröffentlichung des sog. „Dritten Geheimnisses von Fatima“ im Jahr 2000 kritische Bemerkungen über „Privatoffenbarungen“ und ihre untergeordnete Stellung in der Kirche äußerte.
Aus Sicht von Englisch hätte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation weitaus positiver über Privatoffenbarungen, Marienerscheinungen und besonders über Fatima  Stellung nehmen sollen, weil das Thema Fatima für Johannes Paul II. so zentral gewesen sei.  Englisch mutmaßt in seiner Biographie („Johannes Paul II.“), daß diese Zurückhaltung Ratzingers den damaligen Papst sehr enttäuscht habe.
Dabei übersieht Englisch, der von Theologie und Dogmatik nicht sonderlich viel versteht, daß Kardinal Ratzinger sich lediglich an der bewährten Lehre der Kirche orientierte, wonach Privatoffenbarungen (das gilt auch für kirchlich anerkannte) die katholischen Christen keineswegs zum Glauben verpflichten. Warum sollte der Chef der Glaubenskongregation dies nicht klar zum Ausdruck bringen dürfen?
Nachdem der von ihm so stark gerügte Kardinal Ratzinger im Jahr 2005 zum Papst gewählt wurde, hat Englisch seine Vorwürfe allmählich etwas zurückgefahren, sei es aus Überzeugung oder aus eher taktischen Gründen, ganz verschwunden sind seine Vorbehalte freilich nicht:
Im gestrigen Interview mit dem Sender „n-tv“ (16.4.2012) erzählte er, daß Kardinal Ratzinger „unglaublich schüchtern“ gewesen sei: „Er stand nie gerne im Mittelpunkt – für einen Papst ist das natürlich denkbar schlecht…Und er musste lernen, auf Menschen zuzugehen; das war für ihn alles sehr schwierig.“  – Inzwischen sei Joseph Ratzinger  freilich ein „wirklich guter Hirte“ geworden.
Allerdings fügte Englisch hinzu: „Es war eigentlich unmöglich, neben dem Jahrtausendpapst eine halbwegs ordentliche Figur zu machen. Die katholische Kirche hatte in den letzten tausend Jahren kaum einen so großen Erfolg wie unter Karol Woityla: den Fall der Berliner Mauer.“
Für die Kirche waren etliche Ereignisse in den letzten tausend (!) Jahren wichtiger als der politische Vorgang des Mauerfalls. Denken wir beispielsweise an das so positiv und gründlich wirkende Reform-Konzil von Trient, an große neue Ordensgründungen wie die Franziskaner, Dominikaner, Jesuiten etc. oder an die erfolgreiche Überwindung des „Kulturkampfs“ im 19. Jahrhundert bzw. an den kirchlichen Widerstand in der NS-Diktatur und unter dem Kommunismus.
Was soll zudem die überschwängliche Bezeichnung „Jahrtausendpapst“ für Johannes Paul II.?  Was ist mit den zahlreichen heiliggesprochenen Päpsten dieses zweiten Jahrtausends?  – Denken wir etwa an den hl. Pius X., der Anfang des 20. Jahrhunderts segensreich wirkte und dem aufkommenden theologischen Modernismus klarsichtig entgegentrat   –  was Andreas Englisch wohl weniger anspricht
Zum Thema „Mißbrauchsskandal“ meint der BILD-Reporter gegenüber „n-tv“:  „Es hat ja ganz eklatante Fälle gegeben, wie zum Beispiel bei dem Wiener Kardinal Hans Hermann Groer – ihm wurde zweifellos Missbrauch nachgewiesen. Konsequenzen gab es damals keine.“
Kardinal Groer wurde keineswegs „Mißbrauch nachgewiesen“, sondern lediglich ohne Sach- und Zeugenbeweis vorgeworfen. Es gab weder ein weltliches noch ein kirchliches Gericht, das Mißbrauch nachweisen konnte  – und eben deshalb (!) gab es „keine Konsequenzen“.
Zum jetzigen Papst erklärt Andreas Englisch: „Es hat einen deutlichen Ruck ins Konservative gegeben. Er hat ganz klare Zeichen gegeben. Einige Beispiele wären die Mundkommunion, die unglückliche Rehabilitierung der Piusbruderschaft und die Erlaubnis der alten, lateinischen Messe. All das wäre unter Johannes Paul II. nicht möglich gewesen und ist ein klarer Schritt zurück.“
Das kann man auch genau anders sehen: als einen großen Schritt nach vorne.
Dies gilt erst recht dann, falls es zu einer Einigung zwischen Rom und der Piusbruderschaft kommt. Eine solche Verständigung wäre allerdings unter dem Vorgängerpapst  vermutlich„nicht möglich gewesen“, insofern hat Englisch recht.
Eine vorbereitende Entscheidung für die Integration der Traditionellen war sicherlich die verstärkte Zulassung der überlieferten Liturgie  –  und auch das war gut so, mag es dem fliegenden Reporter Englisch gefallen oder nicht.
Felizitas Küble, Leiterin des Christoferuswerks in Münster

Kommentare

2 Antworten

  1. Warum so kritisch gegenüber Andreas Englisch? Er ist auch nur ein Mensch mit Verstand und Gefühlen und er hat eine sehr gute Arbeit geleistet. Er war dafür bestimmt über den Papst Johannes den 2 zu schreiben und das hat er sehr gut rüber gebracht.

  2. Zitat
    Im gestrigen Interview mit dem Sender „n-tv“ (16.4.2012) erzählte er, daß Kardinal Ratzinger „unglaublich schüchtern“ gewesen sei: „Er stand nie gerne im Mittelpunkt.“
    Zitat-Ende
    …ich glaube es ist nicht unbedingt „Schüchternheit“, sondern Zurückhaltung und Bescheidenheit, was alles auch christliche Tugenden sind (Stichwort – Demut). Es ist auch interessant, wie jetzt, nur weil der Papst 85 wird, schon ein Resümee gezogen wird; ich möchte nur darauf hinweisen, daß das Pontifikat noch nicht zuende ist.

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