Top-Beiträge

Links

Ausstellung in Stuttgart über das religiöse Leben der Russlanddeutschen

Von Stefan P. Teppert

Eine Ausstellung im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart will noch bis zum 12. März 2022 Einblicke in das religiöse Leben der Russlanddeutschen geben. Die Einführungsveranstaltung fand am 19. Februar statt.

Roland Weeger, Chef des Hauses und Leiter des katholischen Bildungswerks, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass in Deutschland etwa drei Millionen russlanddeutsche Spätaussiedler leben, aber wenig in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten.

Diese Ausstellung sei eine Chance, etwas mehr über sie zu erfahren. Weeger dankte Dr. Rainer Bendel von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Vertriebenenorganisationen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart für die Vermittlung der in Nürnberg im Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland konzipierten Wanderausstellung.

Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart Dr. Frank Nopper erinnerte als Schirmherr der Ausstellung daran, dass vor über 200 Jahren viele der Vorfahren der Russlanddeutschen aus Württemberg ausgewandert seien und viele in ihrer Herkunftsregion auch wieder eine neue Heimat gefunden haben.

Stuttgart und die Russlanddeutschen seien deshalb eng miteinander verbunden, nicht zuletzt deshalb, weil Bundes- wie Landesverband der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland ihren Sitz in der Schwabenmetropole haben.

Die spät in den 1980-er und 90-er Jahren in die Urheimat zurückgekehrten Auswanderer und die Schwaben seien nach seiner Beobachtung in vielerlei Hinsicht geistesverwandt, auch was ihren Fleiß und ihre Zielstrebigkeit betrifft. So hätten die Russlanddeutschen sich nicht nur erfolgreich integriert, sondern auch einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung in Deutschland erbracht.

Halt und Orientierung sowohl in ihrer Geschichte in Russland als auch bei ihrer Integrationsleistung hierzulande hätte ihnen stets ihre Religiosität verliehen, die Nopper als Muster verstand, um Zusammenhalt und Gemeinschaft in einer Großstadt wie Stuttgart zu stiften.

Ernst Strohmaier, der Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, machte die Besucher eingangs auf zwei Aspekte aufmerksam, die allen religiösen Gruppen der Russlanddeutschen – seien es Protestanten, Katholiken, Baptisten oder Freikirchler – zentral wichtig sind: Frieden und Freiheit.

Durch den christlichen Universalismus komme in der Gemeinsamkeit der Unterschiede die Hoffnung auf Frieden zum Tragen, während die Freiheit sich in der ungezwungenen Wahl des Wohnsitzes sowie der Meinungs- und Glaubensfreiheit konkretisiere.

Auf der Suche nach einem Leben mit freier Glaubensausübung waren schon die Vorfahren der Russlanddeutschen nach Osteuropa ausgezogen. In sieben Jahrzehnten der Unterdrückung durch die Sowjetmacht habe nur der Gottesglaube geholfen, weiterhin auf erneute Freiheit zu vertrauen. Zentrale Aufgabe der Ausstellung sei deshalb, die Besucher mit dem Gedanken aus der Geschichte der Russlanddeutschen vertraut zu machen, wie wichtig es ist, Frieden und Freiheit zu schätzen, zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Waldemar Eisenbraun, Geschäftsführer und Kulturreferent beim Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland in Nürnberg, dankte OB Nopper und Dr. Bendel als Initiator des Ausstellungsortes Stuttgart, einem Dreh- und Angelpunkt russlanddeutschen Wirkens.

Die durch das bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales geförderte Ausstellung wandere durch Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, stoße aber auch in den Herkunftsgebieten der Russlanddeutschen (Kasachstan, Ukraine und Russland) auf Interesse, wo die Texte der Rollups wie auch der Begleitbroschüre in russischer Sprache dargeboten werden, etwa in Moskau, Odessa oder Almati. Genau das sei die Absicht der Ausstellung:

In professioneller Aufbereitung solle die Geschichte der Russlanddeutschen in die Öffentlichkeit hineinwirken. Die jetzt aus zwei Teilen über Protestanten und Katholiken bestehende Ausstellung soll auf fünf Teile erweitert werden. Derzeit werde die Geschichte der Mennoniten in Russland als dritter Teil erarbeitet.

Den Vortrag zum Ausstellungsthema sollte Prof. Dr. Olga Litzenberger halten, die sich seit über 30 Jahren mit der Thematik befasst. Die aus einer deutschen Familie in Saratow stammende, erst seit 2017 in Deutschland lebende und im Nürnberger Kulturzentrum arbeitende Historikerin konnte jedoch krankheitshalber nicht persönlich erscheinen. Ersatzweise wurde deshalb ein Begleitvideo zur Wanderausstellung mit der Referentin vor den jeweiligen Schautafeln gezeigt.

In gestraffter Form stellt Litzenberger hier zunächst den „unschätzbaren“ Beitrag der deutschen Protestanten und Katholiken zur russischen Geschichte dar. Beispielsweise wurde das erste Theater Russlands 1602 in Moskau unter der Leitung von Pastor Johann Gregory eröffnet.

Der erste Übersetzer der Bibel in die russische Sprache war der deutsche Pastor Johann Glück. Als Vorreiter für das Zarenreich schlug Johann Christian Grot ein System zur sozialen Absicherung des Lebens vor.

Mehrere Jahrhunderte lang seien Katholizismus und Luthertum traditionelle Religionen im multinationalen russischen Staat gewesen, freilich nur geduldete neben der Staatsreligion des orthodoxen Christentums. Die ersten Katholiken kamen bereits im 12. Jahrhundert nach Russland, erste Lutheraner noch zu Lebzeiten Martin Luthers, gerufen als Fachleute in verschiedenen Berufen.

90 Prozent der nachmaligen Deutschen immigrierten jedoch als Kolonisten ins Land auf Einladung Katharinas der Großen (ursprünglich: Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst) bei Gewährung verschiedener Privilegien, darunter der Religionsfreiheit, die später eingeschränkt und in der kommunistischen Sowjetunion vollständig aberkannt werden sollte.

Laut Volkszählung von 1897 waren 80 Prozent der deutschen Kolonisten evangelisch, 14 Prozent katholisch und 4 Prozent Mennoniten. Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste die Diözese Tiraspol ca. 300.000 Menschen und 36.000 km2, der Fläche nach war sie damit die größte der Welt.

#Im russischen Reich sei zweifellos anerkannt und geschätzt worden, was Deutsche mit ihren 2,5 Millionen Menschen und über 3.000 Dörfern für Staat und Gesellschaft leisteten. Grundlegend änderte sich alles aber mit der antireligiösen Politik in der kommunistischen Sowjetzeit seit 1917. Innerhalb von nur 20 Jahren wurde das religiöse Leben der Russlanddeutschen fast völlig vernichtet.

Fortleben konnte es nur noch im Verborgenen als Katakomben-Kirche. Fromm geblieben, versammelten sie sich hinter verhängten, dicht geschlossenen Fenstern. Erst in den 1990-er Jahren wurden die meisten Kirchen an die Gläubigen zurückgegeben, so Olga Litzenberger abschließend.

 

Kommentare

2 Antworten

  1. Anomymous: Es gibt auch „westliche“ Freikirchen (Freie Gemeinden) in der BRD , etwa in der Evangelisch-Lutherische Freikirche,der Konferenz für Gemeindegründung, erheblichen Teilen der Bruederwegung.de, Reformierte oder Freie Baptisten, Gemeinden um das Institut für Reformatorische Theologie, und viele mehr, die bibelkonservativ sind, denen jede Annäherung etwa an Forderungen der Mehrheit des Synodalen Weges zur Sexualität und Geschlechterrollen völlig fremd sind.

  2. Viele russlandsdeutsche Gemeinden gibt es hier. Und sie leben nach der Bibel, mehr als es Katholiken und vor allem Evangelen tun, oder westliche Freikirchen. Allerdings werden auch sie von der „Szene“ der modernen westlichen Welt und ihrer Buntheit vergiftet, so dass auch dort ein synodaler Weg entsteht. EIn Austausch als Konservativer mit Synodalen ist nahezu unmöglich, denn es geht nur noch um menschliche Befindlichkeiten und da vor allem der Gleichgeschtlich Liebenden und dem kirchlichen Arbeitsrecht, das nun ja unbedingt angepasst werden muss.
    Auch die echte wahre KK wird hier in den Untergrund gehen müssen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Kategorien

Aktuelle Beiträge

Archiv

Archive

Artikel-Kalender

März 2024
M D M D F S S
 123
45678910
11121314151617
18192021222324
25262728293031

Blog Stats

661381
Total views : 8710549

Aktuelle Informationen und Beiträge abonnieren!

Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, wenn Sie kostenlos über neu erschienene Blog-Beiträge informiert werden möchten.