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Chiara Lubich und der „verlassene Jesus“

Von Felizitas Küble

Vom Theologen Detlev Fleischhhammel aus Berlin stammt die „steile“ Aussage: Der einzige Mensch, der je wirklich von Gott verlassen gewesen ist, war Jesus Christus am Kreuz.

Bei Chiara Lubich, der Gründerin der katholisch-ökumenischen Fokolar-Bewegung, war die Verehrung des „verlassenen Jesus“ sogar eine der beiden „Säulen“ ihrer besonderen Spiritualität  – die zweite Säule war der Einheitsgedanke, wobei sie nicht nur an eine geeinte Christenheit dachte, sondern ihr Anliegen auf alle Religonen ausdehnte und letztlich den Eine-Welt-Gedanken propagierte.

Lubich  – deren mögliche Seligsprechung bereits kirchlich diskutiert wird –  bezeichnete Christus oft als den „verlassenen Jesus“ oder „verlassenen Gekreuzigten“. Über diese spezielle Frömmigkeitsform gibt es ausführliche Literatur, zB. das Buch „Jesu Gottverlassenheit als Heilsereignis in der Spiritualität Chiara Lubichs.“

Frau Lubich starb am 14. März mit 87 Jahren in Rocca di Papa bei Rom; im selben Jahr feierte ihre geistliche Gemeinschaft das 50-jährige Bestehen.

Wie steht es nun mit der „Verlassenheit“ Christi am Kreuz? War unser HERR und Erlöser wirklich von seinem himmlischen Vater gleichsam im Stich gelassen, von IHM getrennt?

Es wäre ein Kurzschluß, dies zu schlußfolgern, zumal unser Heiland GOTT und MENSCH in einer Person ist – und seine göttliche Natur kann ohnehin nicht „gottverlassen“ sein.

Jesu Ausruf am Kreuz stammt aus Psalm 22

Das Rätsel dieses Rufes Jesu löst sich, wenn wir bedenken, daß Christus hier den 22. Psalm betete, einen sog. „Klagepsalm“ aus dem AT, der mit den Worten beginnt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ 

Doch die niedergedrückte Stimmung weicht dann zunehmend einem großen Gottvertrauen, ja tiefer Dankbarkeit gegenüber dem himmlischen Vater. 

Im ersten Teil von Psalm 22 werden Nöte, Bedrängnisse und bittere Verfolgung erwähnt. Doch bald dringt schon der Lobpreis Gottes durch, begleitet von vertrauensvollen Bitten.

Im zweiten Teil steht der Dank im Mittelpunkt; gerühmt werden Gottes große Heilstaten, die er an Israel und den Völkern gewirkt hat bzw. noch vollbringen wird, wie es der Psalmist  im letzten Vers freudig ausruft; das erinnert uns an Christi weiteres Wort am Kreuz: „Es ist vollbracht.“  –  Dies entspricht inhaltlich dem Schlußsatz von Psalm 22. (In der Septuaginta  –  der griechischen Übersetzung des AT –  ist es übrigens der Psalm 21, weil dort eine andere Zählung gilt, nachdem der erste und zweite Psalm zusammengezählt werden.)

Die beklagte „Gottverlassenheit“ ist also gleichsam der Einstieg, der dann in Lob und Dank, in Vertrauen und Zuversicht einmündet.

Dieses Gebet ist ein „messianischer Psalm“

Es handelt sich bei diesem Gebet zudem um einen „messianischen Psalm“, der im Hinblick auf das Heilswirken Christi zu verstehen ist. Somit hat der Gekreuzigte durch seine Anrufung die messianische, auf IHN bezogene Bedeutung dieses Psalms bestätigt.

So heißt es in Vers 8 und 9: „Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: Er klage es dem HERRN, der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.“ 

In Vers 17 ist davon die Rede, daß „die Rotte der Bösen mich umringt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben“.

Die Vers 18 und 19 lauten: „Ich kann alle meine Knochen zählen; sie aber schauen zu und sehen auf mich herab. Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand“.

Es ist daher theologisch mißverständlich, vom „verlassenen Jesus“ zu sprechen  – und geradezu irreführend, daraus auch noch eine spezielle Spiritualität zu entwickeln und in den Mittelpunkt zu rücken, wie dies durch die Gründerin der Fokolar-Bewegung geschah.

Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt.

Kommentare

7 Antworten

  1. „Es wäre ein Kurzschluß, dies zu schlußfolgern, zumal unser Heiland GOTT und MENSCH in einer Person ist – und seine göttliche Natur kann ohnehin nicht „gottverlassen“ sein.“ – Dieser Ihr Satz, liebe Frau Küble; erscheint mir als Begründung völlig unzureichend – „Die Inkarnation (Menschwerdung) ist (…) das Mysterium der wunderbaren Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur in der einen Person des Wortes“ (KKK, 483). Wenn schon von einem „Kurzschluss“ zu sprechen ist, so scheint gerade eben Ihre Begründung an der Doppelnatur unseres Heilandes vorbeizugehen. Wenn unser Heiland nicht aufgrund seiner menschlichen Natur eine Gottverlassenheit hätte erfahren können, wie sie sich im Psalm ausdrückt – auch die anderen Psalmworte sind ja voll auf seine Situation anwendbar – hätte er überhaupt keine menschlichen Gefühle haben können, sein Sterben wäre aufgrund seiner göttlichen Natur nur ein Scheintod, und eine Auferstehung würde sich dann erübrigen. Vermutlich haben Sie die Bücher von Chiara Lubich, deren Spiritualität ständig, sogar schon noch zu Zeiten des Hl. Offiziums, von der RK überprüft wurde, nicht sorgfältig genug gelesen und daher die Spiritualität der Fokolarbewegung nach Ihrem eigenen Verständnis gedeutet. Neben den Büchern von Chiara Lubich selbst (Verlag Neue Stadt) empfehle ich als weiterführende Literatur die Dissertation von Stefan Tobler „Jesu Gottverlassenheit als Heilsereignis in der Spiritualität Chiara Lubichs: ein Beitrag zur Überwindung der Sprachnot in der Soteriologie“, Walter de Gruyter Berlin New York 2002, 396 S. ISBN 3-11-017255-0;

    ONLINE: https://books.google.de/books?id=-feRmAtlGzcC&pg=PA291&lpg=PA291&dq=doktorarbeit+schrei+der+verlassenheit+lubich&source=bl&ots=47k9Mm_fKm&sig=ACfU3U1GBf55wPXDNqjXtjfGKq8aDRVzWw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjT-qrY_fzfAhXEI1AKHbtlBbkQ6AEwB3oECAMQAQ#v=onepage&q=doktorarbeit%20schrei%20der%20verlassenheit%20lubich&f=false

    Lubich geht von dem Wort „Eli, Eli, lama sabachtani“ (Matthäus 27,46; Markus 15,34) – wie Jesus, der die vom Psalmsten vollzogene Wende am Kreuz tatsächlich durchleidet und durchlebt – zu dem Wort „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46) über und sieht dies als das Mittel par excellence an, um aus jedem „Hindernis ein Sprungbrett zu machen“ und den eigenen „Schmerz in Liebe zu verwandeln“. Dies ist für sie der „Schlüssel zur Einheit“, wobei das Wort „Ut omnes unum sint“ (Joh 17,21) keinesfalls nur als „ökumenisch“ verstanden wird. Ökumenische Kontakte (und später Kontakte zu nichtchristlichen Religionen und Nichtglaubenden) kamen in der Fokolarbewwegung viel später. Auch die Motivation der italienischen Fokolare, die jahrzehntelang hinter dem „Eisernen Vorhang“ für die „Kirche des Schweigens“ lebten, entsprang der Liebe zu „Jesus dem Gekreuzigten und Verlassenen“.

    1. „Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen UNVERMISCHT, unveränderlich, UNGETRENNT und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer Hypostase vereinigt.“ – Konzil von Chalzedon, AD 451, zur hypostatischen Union Christi

  2. Ich war viele Jahre auf Treffen der Bewegung. Schließlich mußte ich jedoch feststellen, daß in Bezug auf den Lebensschutz und die menschliche Sexualität eine genuin katholische Einstellung nicht praktiziert wird. Da trotz meines ausdrücklichen Hinweises auf dieses Verhalten eine Distanzierung seitens der Verantwortlichen nicht gewollt war, habe ich die
    Verbindung zu dieser Organisation beendet.

  3. Von der Wiege bis zur Bahre, Fokulare, Fokulare…
    Der Artikel hat mich erstaunt, zu wenig wusste ich im Detail über die Gründerin der Fokular Bewegung. Es gab einiges was mich etwas verwunderte. Einmal habe ich einen Abend in einer kirchlichen Einrichtung mit Frauen aus der Fokularbewegung zusammengesessen und sie haben von ihrer Lebensweise erzählt. Sie erzählten dass regelmässig an bestimmten Tagen , zu einer bestimmten Uhrzeit, die Gründerin am Telefon spricht. War es nicht einmal in der Woche? Dies würde in der ganzen Welt geschaltet, so dass überall jede Fokulargemeinschaft zur gleichen Zeit die Gründerin sprechen hört- übers Telefon.
    Hier wurde es mir ein bisschen unheimlich. Das war mir zuviel Kult um die Gründerin, die überall zugleich sein will. So eine Allgegenwart. Mich erinnerte das ganz enfernt an den Bruno Gröning Freundeskreis, welcher sich jeden Abend um 21.00 Uhr versammelt um irgendwelche Strömungen zu empfangen.
    Ich weiss immer noch nicht wie ich die Fokluarbewegung einschätzen soll.

  4. Jesaja 53, 4
    „Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt.“
    „Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, …“ lässt darauf schließen, dass Er nicht wirklich verlassen war. Ebenso wie die folgende Prophetie:

    Psalm 31, 23
    „Ich aber dachte in meiner Angst: Ich bin aus deiner Nähe verstoßen. Doch du hast mein lautes Flehen gehört, als ich zu dir um Hilfe rief.“

    Jesus war niemals herrlicher für den Vater als in dem Moment, als unser Erlöser am Kreuz hing.

    Johannes 12, 23
    „Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird.“

    Johannes 16, 32 – 33
    „Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der ihr versprengt werdet, jeder in sein Haus, und mich werdet ihr allein lassen. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt.“
    Jesus sagt an dieser Stelle, dass der Vater zu dieser Zeit mit ihm ist und bleibt.

    1. Zu Joh. 16,32-33:

      Diese Stelle kann nicht gegen die Stelle Ps. 22,2 verwendet werden. Beide Stellen stehen ausgewogen miteinander in Einklang.

      Natürlich wusste Christus beim letzten Abendmahl im Voraus ganz >objektiv<, dass der Vater ihn nie verlassen wird. Doch später empfand er in seinem zutiefst schmerzlichen Leiden, das auch seine menschliche Seele erfasste, subjektiv und gefühlsmäßig eine Verlassenheit, die er mit dem auf ihn prophetisch bezogenen Vers Ps. 22,2 betend ausdrücken wollte.

      So würde ich das sehen!

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