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Der religiöse Faktor als Schlüssel zur Deutung der Vorgänge in Afghanistan

Von Prof. Dr. Hubert Gindert

Was in Afghanistan geschieht, ist ein Desaster“ – so ist das Interview mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer überschrieben (Augsburger Allgemeine Zeitung, 16.8.2021, S. 4).

Seehofer erklärt weiter:

„Das große Ziel war es, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen. Heute muss man leider festhalten: Das ist gescheitert. …

Die Motivation für den Einsatz in Afghanistan war berechtigt… aber im Ergebnis ist der langfristige Einsatz nach 20 Jahren relativer Stabilität gescheitert. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass man sich damals anders hätte entscheiden müssen…

Ich war immer kritisch, was den Einsatz betrifft. Aber mir wurde gesagt, dass deutliche Verbesserungen für die Frauen, für die Bildung, für die Schule erreicht würden. Das habe ich akzeptiert.“

Auf die Frage, ob der Westen zu naiv sei, denn die afghanische Gesellschaft sei grundlegend anders, antwortet Seehofer:

„Es ist eine völlig andere Kultur. Trotzdem sollte man immer wieder versuchen, die Grundwerte, die uns prägen und die uns auch hier in Europa stabile Demokratien beschert haben, in anderen Ländern zu etablieren.“

Wie auch sonst im Leben wird die eigene Motivation, auch wenn sie noch so gut gemeint ist, von Anderen nicht akzeptiert. Die Verbesserungen für Frauen, Bildung und Schulen werden sicher von einem bestimmten Teil der afghanischen Bevölkerung befürwortet – von wie vielen wissen wir nicht.

Wenn Seehofer und viele Europäer und US-Amerikaner meinen, „man sollte versuchen, die Grundwerte, die uns prägen und die auch hier in Europa stabile Demokratien beschert haben, in anderen Ländern zu etablieren“, so ist fraglich, wenn das von außen geschieht und mit militärischem Einsatz erzwungen wird.

Seehofer hat mit der Feststellung recht: „Es ist eine völlig andere Kultur“.

Hier liegt der Schlüssel für das Verständnis. Jede Kultur gründet auf Religion. Auch unsere Grundwerte, z.B. das Prinzip von der Gleichwertigkeit aller Menschen hat eine christliche Basis – selbst wenn das viele Politiker nicht mehr wissen.

Vielleicht sollten die politisch Verantwortlichen die in Afghanistan geltende Kultur, die im Koran ihre Grundlage hat, studieren. Ein entscheidender Punkt, der das Unverständnis zu den Vorgängen in Afghanistan erklärt, ist die Tatsache, dass in diesen Ländern die Religion – im Gegensatz zu Westeuropa und den USA – nicht nur eine dekorative, sondern eine wirkliche Rolle für das alltägliche Leben und auch für die Politik spielt.

Peter Scholl Latour, ein Kenner der islamisch geprägten Welt, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Probleme in diesen Ländern nur im Inneren, d.h. unter Berücksichtigung der Kultur, gelöst werden können.

Die Tatsache, dass die Taliban sich durchaus auch auf Zustimmung in der Bevölkerung stützen können, erklärt den geringen Widerstand der Bevölkerung gegen die „Gotteskrieger“. Das neuheidnische Denken der Westeuropäer und US-Amerikaner kann das nicht verstehen.

Unser Autor Prof. Dr. Hubert Gindert leitet den Dachverband FORUM DEUTSCHER KATHOLIKEN und die Monatszeitschrift DER FELS

Kommentare

7 Antworten

  1. Du meine Güte, alle scheinen erstaunt zu sein, dabei ist es doch so einfach: In Afghanistan wird nach dem Koran gelebt! Punkt. Wer das weiß, wundert sich nicht. Hinzu kommt, dass Afghanistan im Prinzip keine einheitliche Nation ist, sondern in Stämme aufgeteilt ist, die den selben Glauben haben, ein Staatsterritorium haben und dennoch ihre eigenen Stammesmerkmale hegen und pflegen. Islam und echte Demokratie schließen einander aus, da der Koran (Scharia und Ahadith) das politische, gesellschaftliche und persönliche Leben bestimmen (mal mehr, mal weniger!). Eigentlich hätten das die Politiker wissen können, bevor sie sich auf das ,,Abenteuer“ Afghanistan einließen. Aber wer von diesen Leuten liest schon den Koran??

    Das Trauerspiel von Afghanistan
    Theodor Fontane

    Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
    ein Reiter vor Dschellalabad hält,
    ,,Wer da?“ – ,,Ein britischer Reitersmann,
    bring Botschaft aus Afghanistan.“

    Afghanistan! Er sprach es so matt;
    es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
    Sir Robert Sale, der Kommandant,
    hebt den Reiter vom Ross mit eigener Hand.

    Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn
    sie setzen ihn nieder an den Kamin.
    Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht
    er atmet hoch auf und dankt und spricht:

    ,,Wir waren dreizehntausend Mann
    Von Cabul unser Zug begann
    Soldaten, Führer, Weib und Kind
    erstarrt, erschlagen, verraten sind.

    Zersprengt ist unser ganzes Heer
    was lebt, irrt draußen in Nacht umher;
    mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
    seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“

    Sir Robert stieg auf den Festungswall,
    Offiziere, Soldaten folgten ihm all,
    Sir Robert sprach: Der Schnee fällt dicht,
    die uns suchen, können uns finden nicht.

    Sie irren wie Blinde, und sind uns so nah,
    so lasst sie´s hören, dass wir da,
    stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
    Trompeter blast in die Nacht hinaus!“

    Da huben sie an, und sie wurden´s nicht müd,
    durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
    erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
    dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

    Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
    laut, wie nur die Liebe rufen mag,
    sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
    umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

    Die hören sollen, die hören nicht mehr,
    vernichtet ist das ganze Heer,
    mit dreizehntausend der Zug begann
    Einer kam heim aus Afghanistan.

    Unsere Gefallenen und ihre Familien tun mir leid, weil hier sinnlos und hirnlos tapfere Menschen für eine Illusion sterben mussten.

    1. Guten Tag,
      danke für Ihre informativen Hinweise – auch für das Fontane-Gedicht, das sehr „aktuell“ wirkt – und das ich demnächst gerne noch als Beitrag bringe.
      Freundlichen Gruß
      Felizitas Küble

  2. Die Annahme der Universalität der eigenen Werte, wie sie vom „Westen“ oftmals mit unreflektiertem Eifer vorgetragen wird, führt zu gefährlichen Überlegenheitsansprüchen und wird in der Außenwahrnehmung anderer Kulturen als Intoleranz zurückgewiesen.
    Hier liegt sicher ein wesentlicher Grund für das Scheitern des amerikanisch-europäischen Afghanistan-Einsatzes nach 20 Jahren.
    Eine Agenda wie die der LSBTIQ-Community beispielsweise, die unserem „Wertekodex“ einverleibt wird, ruft im arabischen oder asiatischen Kulturkreis eher Ablehnung und Empörung hervor.
    Statt eines missionarischen Menschenrechtsimperialismus „bedarf das Ideal des Westens der Offenheit für die Vielfalt unterschiedlicher Ordnungsentwürfe und der Respekts für die ‚multiplen Modernen'“ (Andreas Rödder, 21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart, München 2017, S. 141).

  3. Ich hatte damals das Gefühl, der Afganistan-Einsatz dient zur Abschreckung des 11/9.
    Man hat sich ein Land ausgesucht und meinte, hier schaffen wir endlich Stabilität und Demokratie. Es hätte genauso ein anderes Land sein können. Die Terrororganisationen sind weit verbreitet.
    Und ich erinnere mich an den vorangegangenden , gescheiterten Russland-Afghanistan Krieg. Irgendwann haben die Sowjets es aufgegeben.

  4. Was den Islam interessant macht, sind die klaren Regeln in dieser Religion.
    In dieser zunehmend verwirrten chaotischen Welt brauchen Menschen Regeln, die sie befolgen wollen.
    Und der Islam verbindet klare Regeln mit Spiritualität.
    Muslim*e*innen wissen auch noch, dass der Mensch sündig ist.

    Der bigotte und verderbte Westen verdrängt das. Bzw versucht das über die Esoterik zu lösen. Und die Magie: Kartenlegen, Horoskope .. und dieses „Foreveryoung“ Programm, vor allem die Frauen.

    Nein, man muss ehrlich sein: wir bekommen, was wir verdienen.

    Wir dürfen Psalm 73 beten.
    Auf das Ende kommt es an!

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