Vortrag von Pater Lothar Groppe SJ in Kevelaer bei der Osterakademie 2011 des Kardinal-von-Galen-Kreises:
Der Wertewandel, vor allem seit den 68er Jahren, wurde in einem Artikel der FAZ vom 16. März 2011 unter dem Titel „Die Bewältigung der Diktatur – in den Familien“ an einigen Beispielen verdeutlicht.
Der Verfasser Dr. Thomas Petersen hat dies an den „Erziehungszielen“ aufgezeigt: „Was sollen Kinder im Elternhaus lernen?“ – Er beginnt mit dem Jahr 1967 und endet mit 2011:
1967 erklärten 85% der befragten Eltern, die Kinder sollten lernen, „Arbeit ordentlich und gewissenhaft tun.“
1979 hielten 76 % dies für besonders wichtig, 1991 70 % und 2011 89%.
„Höflichkeit und gutes Benehmen“ wurde 1967 von 75% der Eltern für besonders wichtig erachtet, 1991 von 68% und 2011 von 77 %.
Sparsam mit Geld umgehen erschien 1967 75% der Eltern besonders dringlich, 1991 nur 58% und 2011 63%.
So wichtig die untersuchten Vorstellungen über die Erziehungsziele sind, so muß man doch beachten, daß es für christliche Eltern dringlichere Erziehungsziele gibt.
Vor etwa 10 Jahren machte eine Meinungsumfrage deutlich, daß der Wertewandel von aktueller Bedeutung ist. Demnach besteht oder bestand der Sinn des Lebens darin, möglichst viel Freude zu haben. Die junge Generation habe „ihr Pochen auf persönliches Glück und Lebensgenuß“ weiter intensiviert. Dies sei Ausdruck für den Wertewandel seit den 60er Jahren.
Etwa um 1975 hätten erst 26% der Westdeutschen geglaubt, Lebensgenuß ergebe Lebenssinn. Um das Jahr 2000 seien es über 52%.
Andere Aspekte wie Gewissen, Religion und gesellschaftliche Verantwortung seien früher von größerer Bedeutung gewesen. Die sozialen und christlichen Motive hätten seit den 70er Jahren deutlich an Attraktivität verloren. Explizit religiöse Orientierung wie „Verantwortung vor Gott“ bejahten noch 16% im Westen und nur 10% in Mitteldeutschland. (Oberbadisches Volksblatt, 3./4. März 2001).
Unser Thema gebraucht zwei Begriffe, die wir erst einmal genau anschauen müssen, damit wir nicht einfach ins Blaue schwadronieren. Da ist zunächst von Werten und ihrem Wandel die Rede, sodann von der Abkehr von den Tugenden und ihren Folgen.
Was verstehen wir unter Werten? – Werte, insbesondere „Grundwerte“, werden in den meisten Dokumenten weniger erklärt als vorausgesetzt. So erscheinen die Würde der menschlichen Person, das Recht auf Freiheit, aber vor allem Liebe, Wahrheit, Frieden und Gerechtigkeit als solche Grundwerte.
Elementare Prinzipien der Gestaltung der Gesellschaft treten hinzu: Gemeinwohl und Subsidiarität.
Neben grundlegenden Rechtsgütern und ethischen Überzeugungen werden auch elementare menschliche Institutionen wie Ehe, Familie, Rechtsordnung, der Staat und Demokratie dazugezählt.
Der Begriff der Grundwerte ist relativ neu. Bis vor wenigen Jahrzehnten kam er gelegentlich in einzelnen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vor, so bei A. Arndt, „Das nichterfüllte Grundgesetz“ (1960)
E. Forsthoff schreibt in „Der Staat der Industriegesellschaft“, 1971:
„Wohlmeinende, ethisch hochgreifende, aber juristisch wolkige Begriffe, an denen es im Grundrechtsurteil des Grundgesetzes nicht fehlt, erweisen den Grundrechtsschutz nicht nur nicht, sondern sind ihm abträglich, weil sie ihn verunsichern.“ – So kommt der Begriff auch nicht im Grundgesetz vor.
Eine gewisse terminologische und auch programmatische Prägung hat er besonders im Grundsatzprogramm der SPD, dem sog. Godesberger Programm, erhalten, wo unter der Überschrift: „Grundwerte des Sozialismus“ vor allem Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität genannt werden. Es ist dort einmal von „Grundwerten sozialistischen Wollens“ und ein wenig später von „gemeinsamen sittlichen Grundwerten und gleichen politischen Zielen“ die Rede.
Auf dem Mannheimer Parteitag der SPD 1975 wurde formuliert:
„Die Übereinstimmung demokratischer Sozialisten wurzelt nicht in einer einheitlichen religiösen, philosophischen oder wissenschaftlichen Anschauung, sondern in gleichen politischen Zielen, die auf gemeinsamen sittlichen Grundwerten beruhen. Diese Grundwerte sind: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Die politisch-gesellschaftlichen Grundforderungen des demokratischen Sozialismus ergeben sich aus der Entscheidung für diese Grundwerte.“
Wert und Werte bezeichnen nicht nur in der Umgangssprache, sondern auch im wissenschaftlichen Gebrauch sehr komplexe Inhalte. Deshalb ist Wert und sind Werte begrifflich nur sehr schwer zu präzisieren.
Es ist so ähnlich wie mit dem Begriff der „Zeit“. Augustinus schreibt hierüber in seinen „Confessiones“ (Bekenntnissen):
„Fragst du mich nicht, so weiß ich es. Fragst du mich aber und ich soll es dir erklären, so weiß ich es nicht.“
Bleiben wir also bei dem, was wir in der Umgangssprache unter Werten verstehen, so wie das Thema lautet: Wertewandel in unserer Gesellschaft.
Allgemein wird als Wert angesehen, was in individueller und sozialer Einschätzung als erstrebenswert, gut, bereichernd, liebenswert, beglückend, nützlich, fördernd gilt.
Dabei unterscheidet man verschiedene Wertegruppen, wie z.B. ästhetische, religiöse, sittliche, künstlerische und ökonomische.
Im Bezug auf sie verhält sich der Mensch bejahend, achtend, begehrend. Wir müßten aber wohl richtiger sagen: So war es einmal, jedenfalls bei der Mehrheit der Bevölkerung.
Als unwert gilt oder galt all das, was als abstoßend, bedrohlich, schädlich etc. erlebt wird. Die entsprechenden Reaktionen sind Ablehnung, Abwehr, Bekämpfung usw.
Hieraus ergibt sich, daß den Werten je nach ihrer Art wesentliche Bedeutung zukommt. Sie bestimmen die Grundlinien menschlichen Verhaltens. Dies gilt insbesondere für die sittlichen Werte, an welchen der Mensch seine Gesinnung, Überzeugung, Einstellung und sein Verhalten ausrichtet.
Ich möchte dies an einigen konkreten Einstellungen erläutern. Als Theologe darf ich auf ein wichtiges Dokument des II. Vatikanischen Konzils zu sprechen kommen, das in seiner Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ einige Tatsachen formuliert, die auch dem Nichtkatholiken, ja wohl auch dem Nichtchristen einleuchten (können). Es heißt dort in der Nr.7:
„Die Wandlungen von Denkweisen und Strukturen stellen häufig überkommene Werte in Frage, zumal bei der jüngeren Generation, die nicht selten ungeduldig, ja angsthaft rebellisch wird …. Die von früheren Generationen überkommenen Institutionen, Gesetze, Denk- und Auffassungsweisen scheinen den wirklichen Zuständen von heute nicht mehr in jedem Fall zu entsprechen. So kommt es zu schweren Störungen im Verhalten und sogar in den Verhaltensnormen.“
Soweit die Pastoralkonstitution. Es ist heutzutage ungleich schwerer als in früheren Zeiten, immer und überall das rechte Verhalten zu finden, da ehedem das äußere Leben durch Sitte und Brauchtum, gemeindliche und staatliche Verordnungen und Gesetze geregelt war und zwar nach christlichen Grundsätzen.
So läßt etwa das Grundgesetz der Bundesrepublik den christlichen Einfluß klar erkennen, wenngleich dies nicht bedeutet, es sei kirchlich gefärbt.
Wenngleich die christlichen Grundsätze keineswegs immer befolgt wurden, so waren sie doch allgemein anerkannt. Man nannte das Gute gut und das Böse schlecht, während heute der Begriffsinhalt vieler Werte umgebogen und umgelogen wird. Man denke etwa an den Slogan: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ (Zarah Leander), wobei man selbstverständlich mit dieser „Liebe“ nicht die selbstlose Hingabe an ein Du, sondern sexuelle Zügellosigkeit meint.
In der Generation unserer Eltern oder Großeltern wäre es völlig undenkbar gewesen, daß ein junger Mann mit einem jungen Mädchen allein auf Reisen ging. Gemeinsames Zelten hätte ihre Vorstellungskraft völlig gesprengt, während sich heute „auch unter katholischen Schriftstellern eine romantische Verideologisierung der Sexualität ausbreitet“, wie der frühere Erzbischof von Köln, Kardinal Höffner, in seinem „Hirtenbrief über Ehe und Familie im Licht des Glaubens“ vom Dezember 1969 feststellte.
Ich beziehe mich im wesentlichen auf Äußerungen katholischer Oberhirten. Aber diese Überzeugungen wurden und werden auch von christlich gebundenen evangelischen Christen weitgehend geteilt.
In den 70er Jahren schrieben mehrere Bischöfe, es widerspräche der christlichen Auffassung von menschlicher Geschlechtlichkeit und Ehe, vor der Ehe die sexuelle Hingabe „einzuüben“.
Dagegen meint ein Psychologe, der häufig in einem katholischen Publikationsorgan schrieb („neue gespräche“, September/Oktober 1973) keine Bedenken gegen „Zelten mit siebzehn zu zweit“ anmelden zu müssen. Wenn das Paar sich über seine Gefühle klar sei, füreinander Verantwortung trage und auch in der Em- pfängnisverhütung zu einer verantwortlichen Lösung gekommen sei, dann könnten „ihre Leiber kommunizieren“.
Es ist klar, daß solche Veröffentlichungen in einem katholischen Publikationsorgan leicht verhängnisvolle Folgen haben können, da sie religiös nicht gefestigte Persönlichkeiten zumindest als mögliche Verhaltensformen betrachten.
Die Berufung auf das eigene Gewissen vermag hier nicht weiterzuhelfen, denn was man wünscht, das glaubt man gern.
Wie die Bischöfe im März 1973 erklärten, „gehört zu einem guten Gewissen auch eine zuverlässige Information. Sie kann nicht darin bestehen, daß eine mehr oder minder große Zahl anderer in gleicher Lage dasselbe tut. Das wäre billiges Mitläufertum.“
Unabhängig davon, ob man der Meinung ist, das Verhältnis der Geschlechter zueinander sei heute natürlicher als früher, oder glaubt, den Sittenverfall beklagen zu müssen, Tatsache jedenfalls ist, daß es heute ungleich schwerer ist als früher, „ohne Erfahrung“ in die Ehe zu gehen.
So kann es natürlich nicht ausbleiben, daß die Eheschließungen unter dem Druck einer bestehenden Schwangerschaft vermehrt zunehmen, sofern man sich überhaupt zur Ehe entschließt.
Man muß leider feststellen, daß amtliche Stellen des Bundes und der Länder seit Jahrzehnten Jugendliche demoralisieren. Gerade von staatlichen Stellen, die sich um „Aufklärung“ bemühen, muß man Verantwortungsbewußtsein und Sinn für menschliche Würde erwarten können.
Jedoch ist hiervon schon seit Jahrzehnten keine Rede mehr: 1979 erschien eine Schrift des Bundesfamilienministeriums mit dem Titel „Mußehen muß es nicht geben.“ – Das Heft war für noch sehr junge Jugendliche gedacht, wie der Untertitel „Was Mädchen und Jungen wissen möchten, die sich zu jung für ein Baby fühlen“ andeutet. – Die Quintessenz dieser Broschüre lautet: Probiert ruhig alles aus, aber paßt auf!
1986 veröffentlichte die Ministerin für Jugend und Justiz die Schrift „Gemeinsam leben ohne Trauschein“. Offenbar um die damals auf etwa zwei Millionen geschätzten „Lebenspartner“ – heute sollen es weit über fünf Millionen sein – vor den schlimmsten Enttäuschungen zu bewahren, wenn der „Egoismus zu zweit“ ein jähes Ende findet, wurden sämtliche Risiken aufgelistet, mit denen beim Scheitern einer solchen Beziehung zu rechnen ist.
In den folgenden Jahren wurde die „Aufklärung“ immer unverschämter und skrupelloser. Die frühere CDU-Ministerin Süßmuth, die das Volk als „Rita Kondomi“ bezeichnet, bediente sich bei ihrer „Aufklärung“ über Aids staatlich subventionierter Erfüllungsgehilfen, deren Slogans ausgesprochen pervers sind: „Laß deiner Phantasie freien Lauf: Setze alles in die Tat um, worauf du scharf bist! Entdecke die Geilheit!“
1994 veröffentlichte die Landeszentrale für Gesundheitserziehung in Rheinland-Pfalz das Sexheft: „Let’s talk about Sex.“ In ihm geht es darum, Kinder und Jugendliche zum lustvollen Ausleben ihrer Sexualität zu ermuntern: „Macht das, was Euch Spaß macht, dann, wann ihr wollt, Euer Gefühl zählt.“
1995 gab die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit ihrer Broschüre „Starke Mädchen“ der Moral und Menschenwürde endgültig den Laufpaß. Mädchen – die Broschüre ist für 12 bis 14jährige Mädchen geschrieben – werden unverblümt aufgefordert, sich zügellosem Sex hinzugeben: „Sich selbst zu befriedigen (zu onanieren oder zu masturbieren, wie es auch heißt), ist auch für Mädchen schön. Wie und wie oft du Das machst, mußt Du selbst entscheiden, Regeln gibt es dafür nicht.“
Alles, was Spaß macht, ist für die Autoren „normal“: „Normal sind alle sexuellen Beziehungen zwischen Frau und Mann, Frau und Frau, Mann und Mann, in denen ….die PartnerInnen freiwillig und gleichberechtigt über Sex entscheiden. Die sexuellen Techniken sind dann unerheblich. Denn Sex ist Deine Privatsache.“
Natürlich kann dabei auch einmal etwas schief gehen. Dann wird ein Schwangerschaftstest empfohlen, denn „nur wenn Du Bescheid weißt, hast Du eine echte Wahl, ob Du das Baby bekommen oder die Schwangerschaft unterbrechen willst.“ – Hier wird die Verantwortungslosigkeit auf die Spitze getrieben: Eine Abtreibung so wie man überlegt, ob man in die Disco oder auf eine Party gehen soll? Die Entscheidung für das Kind ist mit zahlreichen Problemen behaftet, hingegen die Tötung des Kindes offenbar kein Grund für Bedenken oder Vorwürfe.
Selbst die Stiftung Warentest schrieb in „Sex ohne Angst – Sex macht Spaß“: „Wenn dir mit 14 danach zumute ist, mit einem Mädchen zu schlafen, dann probier es aus.“
Inzwischen dürfte den „C-Parteien“ klar geworden sein, dass sie nicht zuletzt durch opportunistische Anpassung an den vermuteten Wählergeschmack bei den christlichen Wählern erheblich an Vertrauen eingebüßt haben und allenfalls noch als „das geringere Übel“ betrachtet werden.
Noch vor wenigen Jahrzehnten gehörte es zumindest in katholischen Gegenden – wir hatten ja bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mehr oder minder konfessionell geschlossene Gebiete – zum guten Ton, sonntags zum Gottesdienst zu gehen. Zweifellos war es nicht immer pure Frömmigkeit, die zum Kirchgang ermunterte, sozialer Druck spielte eine erhebliche Rolle.
Immerhin war die Folge eines mehr oder minder regelmäßigen Gottesdienstbesuches, zumal schon damals viele Menschen so nervös waren, daß sie nicht einmal während der Predigt schlafen konnten, daß im allgemeinen erheblich mehr religiöses Wissen vorhanden war als heute.
Daher wußten die meisten, wie man als Christen leben müsse, auch wenn sie sich keineswegs immer danach richteten. Die christlichen Grundsätze wurden mehrheitlich akzeptiert, zumindest theoretisch, während heutzutage vieles „hinterfragt“ wird, wie es so schön heißt.
Ein bezeichnendes Beispiel war der Papstbesuch in Wien 1983. Wie Sie sicher wissen, hielt Johannes Paul II. bei etwas längerem Aufenthalt in einem Land jedes Mal auch einen Gottesdienst speziell für die Jugend. Der Papst konnte kaum drei Sätze sagen, als die Jugend begeistert klatschte.
Redakteure vom ORF fragten einige Jugendliche, ob sie bereit seien, ihre Eindrücke vom Papstbesuch im Fernsehen wiederzugeben. Sie stimmten begeistert zu. Auf die Frage, was sie vom Papst hielten, erklärten sie einmütig: “Der Papst ist klass!“ – „Ja“, sagte der Moderator, „der Papst hat aber doch einiges gesagt, was euch nicht gefällt“. – Großes Erstaunen. „Na das mit dem vorehelichen Sex.“ – Die Jugendlichen waren noch verblüffter: „Das hat doch mit dem Papst nichts zu tun. Das ist doch unsere Sache.“ – So kann man das natürlich auch machen…
1993 veröffentliche der „Bund Deutscher Katholischer Jugend“ (BDKJ) ein kirchen-politisches Positionspapier, das es in sich hat. In ihm heißt es u.a:
„Wir träumen von einer Kirche, in der die einzelne Person in ihrer Verantwortung für ihre Sexualität ernstgenommen wird … Wir fordern daher: 1. Keine Ge- und Verbote mehr bezüglich Verhütung, vorehelichem Geschlechtsverkehr, Selbstbefriedigung, Homosexualität …. 3. Homosexualität darf nicht als Perversion abgetan werden… gleichgeschlechtliche Beziehungen müssen als gleichberechtigt anerkannt werden …“
Mit diesen Forderungen hat sich der BDKJ einmal mehr nicht als Bund katholischer, sondern korrupter Jugend entlarvt. Wie aber reagierten unsere Bischöfe?
Der leider viel zu früh verstorbene Fuldaer Erzbischof Dyba hatte bereits vorher wegen der antikirchlichen Haltung der BDKJ-Funktionäre eine Fuldaer katholische Jugend ins Leben gerufen (KJF). Freilich existierte auch in seinem Bistum der BDKJ weiter und wird, wie der BDKJ allgemein, fleißig mit Kirchensteuermitteln subventioniert.
Wie sagt doch der Volksmund so treffend: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber. – Und der Vater des institutionellen Terrorismus, der kommunistische Revolutionär Lenin, meinte: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen.“
Nun das ist beim BDKJ gewiß nicht zu befürchten, denn wer wäre schon so töricht, die Gans zu schlachten, die goldene Eier legt.
Ich weiß nicht, ob die Bischöfe gegen das Positionspapier Einspruch erhoben haben. Die Vermutung spricht freilich nicht dafür, denn im Herbst 1993 veröffentlichte die Katholische Junge Gemeinde (KJG) Rottenburg das Sexspiel „Erocity“ und das Bischöfliche Jugendamt Mainz „Kein Tabu“.
Beide Sexspiele vermögen selbst abgebrühten Pädagogen die Schamröte ins Gesicht zu treiben. Es handelt sich um pornographischen Unrat, der geeignet ist – falls dies nicht von vornherein beabsichtigt war – Kinder und Jugendliche zu massiver Unzucht zu verführen.
So lautet z.B eine Frage in „Kein Tabu“, die in gemischten Gruppen beantwortet werden soll: „Kannst Du Dich an die Umstände Deiner ersten Menstruation erinnern? Erzähle davon.“ – Eine andere Frage lautet: „Das erste Mal miteinander schlafen – mit 13, 16, 18 oder 30? Wann ist der richtige Zeitpunkt?“ – „Kritisch“ wird die katholische Ethik „hinterfragt“: „Du darfst Dich nicht selbst befriedigen! Nimm Stellung zu dieser Aussage.“
Die Autoren dieses Spiels setzen der ausschweifenden Phantasie keine Grenzen: „Zufällig beobachtest Du Deine Eltern beim Sex. Du fragst Deine Mutter, was sie da gemacht haben… Spiele diese Szene.“ – Diesen Unflat hat natürlich der Kirchensteuerzahler berappen dürfen.
Die Ihnen natürlich bekannte Jugendpsychotherapeutin Christa Meves nahm im „Rheinischen Merkur“ gegen die Sexspiele in Sorge um die sexuelle Verwahrlosung unserer Jugend in ihrem Artikel „Attacke gegen die Scham“ dezidiert Stellung. Eine Flut von Leserbriefen ließ erkennen, daß den Lesern bewußt war, daß derartige Sexspiele geeignet sind, unsere Jugend vollends zu verderben.
Der lange Jahre von den Bischöfen kräftig subventionierte „Rheinische Merkur“ wußte, was er dem Zeitgeist schuldig war. So druckte er zwar alle Leserbriefe ab, die die Sexspiele verteidigten (das waren 10% der zu diesem Thema eingegangenen Leserbriefe), aber die Zuschriften der Gegner wurden nur zu 25% abgedruckt, zum Ausgleich dafür noch gekürzt. So schrieb eine Mutter von sieben Kindern in einem nicht veröffentlichten Leserbrief:
„Kein Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt und kein Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes besitzt in seiner Stadt bzw. in seinem Bundesland eine solche Machtfülle, wie sie einem katholischen Bischof in seiner Diözese zusteht. Um so verwunderlicher ist es, wenn trotz dieser Machtfülle Bischöfe deutscher Diözesen ohne nennenswertes Eingreifen zusehen und damit dulden konnten, daß seit dem Jahr des Unheils 1968 auch die katholische Jugend im BDKJ von Jahr zu Jahr zunehmend in den Sog fortschreitender Sexualisierung des menschlichen Lebens geriet. Denn an Hinweisen auf diesbezügliche Mißstände in den Gliederungen des BDKJ hat es wahrhaftig nicht gefehlt… Der BDKJ nennt sich zwar noch „katholisch“, ist es aber schon lange nicht mehr …“
Es sollte nicht bei den Sexspielen bleiben. Im Juli 1994 veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft Jugendpastoral der Orden (AGJPO) einen Offenen Brief an die „Lieben Brüder im Bischofsamt“ und die „Lieben Schwestern und Brüder in den Ordensleitungen.“
Ganz im Kielwasser des BDKJ und getreu dem hedonistischen Zeitgeist forderten sie die kirchliche Respektierung von Verhütungsmitteln und nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie eine Neubeurteilung der Homosexualität.
Zur Begründung ihres Briefes verweisen die Ordensleute auf ihr Engagement in der „ersten Reihe“ derer, die in der Kirche mit Jugendlichen zu tun haben. Die Kirche lasse die Ordensleute oft allein. Ihre Verlautbarungen stünden sowohl der Situation der Jugendlichen wie auch den Erfahrungen der Seelsorger entgegen. In dem Brief an die Bischöfe heißt es dann wörtlich: „Maßgeblich ist für uns die Orientierung am Evangelium, das uns auffordert, nicht auszugrenzen, sondern zu integrieren.“
Nun haben die Briefschreiber die Hl. Schrift offenbar nur selektiv gelesen. Gewiß verurteilt der HERR die Ehebrecherin nicht, fordert sie aber auch auf, nicht mehr zu sündigen. (Joh 8, 11)
Selbst wenn die Bischöfe „um der Schwachen willen“ bereit wären, den perversen Forderungen dieser Jugendseelsorger nachzugeben, ist ihnen dies durch die Hl. Schrift verwehrt.
Während die deutschen Bischöfe in den siebziger Jahren dem hedonistischen Zeitgeist noch energisch widerstanden, hat es den Anschein, als ob zumindest einige von ihnen heute kapitulierten.
Christa Meves wird nicht müde, aufgrund jahrzehntelanger Praxis in der Jugendpsychotherapie vor den verheerenden Folgen sexueller Verwahrlosung Jugendlicher zu warnen, die diese für ein selbstverantwortetes Leben weitgehend unfähig macht.
Es dürfte kaum bezweifelt werden, daß die Jugend unserer Tage einen schwereren Kampf um die Bewahrung der Reinheit zu führen hat als frühere Generationen. Freilich gilt dies nicht minder für die Erwachsenen. Aber wie Paulus schreibt, läßt Gott niemanden über seine Kräfte versucht werden.
Eine inzwischen auch bei uns beheimatete Kampagne aus den USA „True love waits“ (Wahre Liebe wartet) macht deutlich, daß sich selbst in unserer sexuell geschwängerten Atmosphäre noch zahlreiche Jugendlich ein Gespür für begründete sittliche Normen bewahrt haben.
Im März 1993 gründete der Prediger aus den Südstaaten, Richard Ross, mit 59 Jugendlichen eine Bewegung. Bereits Ende Juli 1994 wurden 211.163 Gelöbniskarten vor dem Weißen Haus in Washington niedergelegt, auf denen sich die Jugendlichen verpflichteten, bis zur Eingehung einer Ehe jungfräulich zu leben.
Ein Mädchen gab hierfür eine überzeugende Begründung: „Wie soll eine Ehe ein ganzes Leben halten, wenn man mit dem Sex nicht einmal drei Jahre warten kann?“
Vom Weltjugendtag in Rom berichtete „Die Welt“ am 21.8. 2000 unter der Überschrift: „Der Erfolg des Papstes“:
„2 Millionen Jugendliche aus 160 Ländern beteten und beichteten, jauchzten und jubelten dem Papst zu … Diese Jugendlichen waren nach Rom gekommen, um eine Botschaft zu erhalten. In der Heiligen Stadt konnte man es nochmals erfahren: Die Mehrzahl der Jugend weltweit sehnt sich nach Werten, Idealen und einem moralischen Halt, den sie von Politikern und Parteien, Eltern und Schulen offenbar nicht oder nur unzureichend bekommt. Der Papst vermochte es, den Jungen und Mädchen bei ihrer Suche nach dem Sinn zu helfen und einige Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens zu vermitteln, die im Christentum verankert sind. Damit straft er all diejenigen Lügen, die darauf verweisen, daß viele seiner Ansichten nicht mehr zeitgemäß seien.
Der Papst mag auf zahlreichen Feldern, wie der Abtreibungsfrage und der Verhütung, nicht mit dem Zeitgeist gehen, mag allgemein unbequem sein, sogar Anstoß und Kritik erregen. Die Jugend jedoch hält ihn für wahrhaftig und vertrauenswert. Für sie ist er eine moralische Instanz, deren Lehren Richtung weisen können. Auch deshalb war dieser Weltjugendtag ein überwältigender Erfolg, von dem Politiker und Pop-Künstler nur träumen können.“
Dieser Artikel von Rose-Marie Borngässer ist ohne Zweifel von wohlwollender Fairneß. Ist er aber vielleicht nicht doch zu optimistisch? – Im Westfalen-Blatt vom selben Tag gibt es einen ähnlich positiven Artikel.
Jedoch im dpa-Bericht heißt es u. a.:“Außenstehenden fiel es sichtlich schwer, das Fest der jungen Leute richtig einzuordnen. Da trafen sich gläubige junge Menschen täglich zu Gottesdienst und Gebet unter freiem Himmel (bei 35 Grad) – doch zugleich ließen schmusende junge Paare bereitwillig wissen, daß sie es mit dem Gebot der vorehelichen Enthaltsamkeit nicht gerade sehr genau nehmen.“
Es ist eine Binsenwahrheit, daß die Öffentlichkeit weitgehend entchristlicht ist: „Breite Volksmassen geben das religiöse Leben praktisch auf. Anders als in früheren Zeiten sind die Leugnung Gottes oder der Religion oder die völlige Gleichgültigkeit ihnen gegenüber keine Ausnahme und keine Sache nur von Einzelnen mehr. Heute wird eine solche Haltung gar nicht selten als Forderung des wissenschaftlichen Fortschritts und eines sogenannten neuen Humanismus ausgegeben.“ (2. Vaticanum, Gaudium et spes, Nr. 7)
Der einzelne wird nicht mehr von außen auf die rechte Fährte geführt, sondern vielfach davon abgezogen. Typisch ist hierfür u. a. die Scheidungswelle. Sie wird nicht nur plausibel gemacht, sondern als „vernünftig“ suggeriert. So in der Fernsehserie „Ich heirate eine Familie“. An sich sympathische Typen, aber sie ist seine dritte Frau und er ihr zweiter Mann. Unmerklich wird nahegelegt: Besser sie lassen sich scheiden und gehen eine neue Ehe ein, als daß sie sich die Köpfe einschlagen. Als ob dies die Alternative wäre!
In der Welt der Illustrierten, die zahllosen Millionen Lesern zugänglich ist, gilt Treue in der Ehe als etwas rückständig. In der 1972 zu Ende gegangenen Legislaturperiode wurde die Fristenregelung weitgehend abgelehnt, während sie heute vielfach als selbstverständliches Recht der freien Selbstbestimmung der Frau dargestellt wird. Die damalige Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin beklagte larmoyant, es gebe immer noch keine flächendeckenden Abtreibungskliniken.
Dagegen hebt sich erfreulich ab, was sich am 23. März 2011 bei der Generalaudienz des Papstes ereignete. Der Hl. Vater begrüßte die amerikanische Pilotin Jessica Cox, die ohne Arme geboren wurde und die einzige Pilotin der Welt ist, die das Flugzeug mit ihren Füßen steuert.
Sie hatte den Wunsch geäußert, den Papst zu sprechen und überreichte ihm zum Dank für seinen Einsatz für das Leben mit ihren Füßen eine Medaille. In den USA ist sie eine motivierte Vortragsrednerin, die versucht, andere durch ihren Lebensweg zu inspirieren.
Im Interview mit dem Osservatore Romano erklärte sie: „Es ist eine Lebenshaltung, die ich versuche, unter jungen Leuten zu verbreiten, die in Verzweiflung und ohne echte Werte leben.“
Wie es der „Zufall“ will – doch nach dem Alten Fritz ist der Zufall der Gott der Narren – hatten unsere Fernsehzuschauer kürzlich am 19.3. 2011 bei „Wetten, dass“ – ein völlig aus dem Rahmen fallendes Erlebnis, von dem sich unsere C-Politiker eine dicke Scheibe abschneiden können:
Der 17-jährige Superstar vieler Teenis in Amerika, Europa und Deutschland, Justin Bieber, dessen Musikfilm ein Kassenschlager wurde, äußerte sich in Interviews gegen Abtreibung, „freien Sex“ und Drogen.
Er bekannte sich freimütig zu Christus und biblischen Prinzipien. Seine Mutter, die den „Wunderknaben“ mit 16 Jahren geboren hatte – also keine Abtreibung vornahm – zog ihn alleine auf und machte ihn mit christlichem Gedankengut vertraut.
Es gibt doch noch Lichtblicke in unserer Zeit, die uns Mut machen können, nicht als christliche U-Boot-Fahrer durchs Leben zu gehen, sondern uns in aller Bescheidenheit, aber mit Freimut als Jünger Christi zu bekennen. (…)
Am 12. Mai 2004 sprach Kardinal Lehmann in Bielefeld vor dem Unternehmerbund über „Werte und Wertewandel“. In der anschließenden Aussprache wies ich darauf hin, daß bei uns jüdische und islamische Werte und religiöse Vorstellungen zu Recht geschützt würden. Aber seit vielen Jahren müsse man beobachten, daß christliche Werte in den Dreck gezogen werden. Als Beispiel wies ich darauf hin, daß sich die Bundesregierung in Teheran offiziell entschuldigte, als Rudi Carell in einer seiner Shows die Unterwäsche des Ayatollah Khomeini präsentierte. Aber als Christus auf einem T-Shirt als gekreuzigtes Schwein dargestellt wurde, sollte man dies als humoristischen Gag betrachten.
Der Kardinal wandte ein, auf dem Gebiet der Kunst sei es überaus schwierig, etwas gegen solche Entgleisungen zu unternehmen. Da erhebt sich freilich die Frage, warum sich die damalige Bundesregierung in Teheran wegen des „Gags“ von Rudi Carell entschuldigt hat. Ist „humoristische Kunst“ nur auf religiösem Gebiet zulässig, nicht aber auf dem der Politik?
Vor etlichen Jahren bat ich den inzwischen verstorbenen Paderborner Erzbischof Degenhardt, die Bischofskonferenz möge doch gemeinsam mit den evangelischen Landeskirchen mit Nachdruck darauf hinweisen, daß öffentliche Schmähungen des christlichen Glaubens den öffentlichen Frieden gefährden.
Der Erzbischof meinte jedoch, durch solche Proteste würden die „Satiriker“ nur aufgewertet. Allerdings sehen es die Gläubigen offensichtlich anders. Immer wieder kann man in Gesprächen hören: „Die Bischöfe lassen uns im Stich!“ – Und gläubige Moslems verachten uns, weil wir uns unser Heiligstes verhöhnen lassen.
Übrigens sah es auch Bischof Lehmann vor einigen Jahren noch ganz anders. Als 1987 in Mainz die Oper „Jesu Hochzeit – ein „Mysterienspiel“ von Gottfried von Einem aufgeführt wurde, eine Karikatur Christi und des christlichen Glaubens, protestierte er aufs schärfste gegen dieses Machwerk.
Es verletze besonders unsachlich und rücksichtslos christliche Glaubensüberzeugungen. Als diese sog. „Mysterienoper“ 1980 in Wien uraufgeführt wurde, löste sie einen Skandal aus. Danach wagte sich nur noch Hannover an dieses Stück.
Friedrich der Große, den die Südpreußen lieber Friedrich II. nennen, erklärte 1940 bei seinem Regierungsantritt: „Gazetten dürfen nicht genieret werden.“ – Aber am 13. August 1766 schrieb er an Voltaire: „Die Toleranz muß jedem Bürger die Freiheit lassen, zu glauben, was er will. Aber sie darf nicht so weit gehen, daß sie die Frechheit und Zügellosigkeit junger Hitzköpfe gutheißt, die etwas vom Volk Verehrtes dreist beschimpfen. Sie deckt sich mit dem, was zur Sicherung der Gedankenfreiheit und der öffentlichen Ruhe nötig ist – und das ist der erste Gesichtspunkt jeder Gesetzgebung.“
In Briefen an einige Bischöfe wies ich auf die Möglichkeit hin, eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzulegen. Da beide Großkirchen (…) immerhin noch viele Millionen Mitglieder vertreten, dürfte eine solche Beschwerde Erfolg versprechen.
Wir haben ein aufschlußreiches Urteil dieses Gerichts vom 24.8.1988, in dem es um die Beschlagnahme obszöner Gemälde aus der Schweiz ging. Es heißt im Urteil, weder die Beschlagnahme obszöner Gemälde noch die Verurteilung des Künstlers bzw. Ausstellers wegen unzüchtiger Veröffentlichungen verstoße gegen die Freiheit der künstlerischen Äußerung (Art. 10 der Menschenrechtskonvention).
Dieses Urteil sollte Mut machen, nicht jede Verunglimpfung des christlichen Glaubens oder der Kirchen widerspruchslos hinzunehmen, sondern sich gegen die geistige Umweltverschmutzung in Presse, Rundfunk, Fernsehen und auf der Bühne energisch zur Wehr zu setzen.
Sonst verkommt die Demokratie zum Nachtwächterstaat und wird zum Gespött von „Autonomen“ und Chaoten. Eine wehrhafte Demokratie darf nicht dulden, daß unter dem Deckmantel der Freiheit von Kunst und Presse Millionen Andersdenkender tyrannisiert werden. Schließlich würde andernfalls die Politikverdrossenheit gefördert, die bei uns schon erschreckende Ausmaß angenommen hat und den Boden für Rechts- und Linksradikale bereitet.
Der chinesische Philosoph Sun Tsu stellte um 500 v. Chr. folgende „Regeln für die politisch-psychologische Subversion“ auf, die nach dem Urteil von General Gehlen (BND) auch heute noch nahezu unverändert gelten, wenn man sie der Formulierungen entkleidet, die den Besonderheiten ihrer Zeit entsprechen:
„Die höchste Kunst besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne Kampf auf dem Schlachtfeld zu brechen. Nur auf dem Schlachtfeld ist die direkte Methode des Krieges notwendig; nur die indirekte kann aber einen wirklichen Sieg herbeiführen und festigen. Zersetzt alles, was im Lande des Gegners gut ist! Verwickelt die Vertreter der herrschenden Schichten in verbrecherische Unternehmungen; unterhöhlt auch sonst ihre Stellung und ihr Ansehen; gebt sie der öffentlichen Schande vor ihren Mitbürgern preis ….. Verbreitet Uneinigkeit und Streit unter den Bürgern des feindlichen Landes. Fördert die Jungen gegen die Alten! … Entwertet alle Überlieferungen und Götter….“
Wenn es gegen Priester und Bischöfe geht – ich denke besonders an den ehemaligen Bischof von Fulda, Johannes Dyba, den „Panzerkardinal“ Joseph Ratzinger oder in abgeschwächter Form an Kardinal Meisner – muß man nüchtern sehen, daß der einzelne Priester oder Bischof den „Freunden“ der Kirche mehr oder minder gleichgültig ist. Man schlägt den Sack und meint den Esel, d.h. es geht letztlich gegen die Kirche, die man unglaubwürdig machen will.
Im demokratischen Rechtsstaat müsse der Einfluß der Kirchen so gering wie möglich bleiben. Daher wurde auch ein Gottesbezug in der europäischen Verfassung mehrheitlich abgelehnt.
Am 5. Dezember 1999 brachte die „Welt am Sonntag“ einen Artikel mit der Schlagzeile: „Rotgrün gegen Gott im Grundgesetz“. – Demnach sollten sich mehrere Abgeordnete der SPD und der Grünen dafür ausgesprochen haben, Gott aus der Präambel unseres Grundgesetzes zu streichen.
Monika Griefahn MdB, ehemalige niedersächsische Ministerin, die laut WamS erklärte, ein Rückgriff auf Gott sei „nicht angemessen und heuchlerisch“, korrigierte nachträglich die Meldung in einem Brief an mich wie folgt: „In der Diskussion mit dem Redakteur der „Welt am Sonntag“ habe ich festgestellt, daß der Gottesbezug in der Verfassung in vielen Fällen mißbraucht und instrumentalisiert wird und in diesen Fällen dann „nicht angemessen und heuchlerisch“ verwandt wird. Denn das Grundgesetz schreibt uns Handeln für das Gemeinwohl vor. Als Beispiel habe ich die Debatte um die Novellierung des § 218 genannt. Ich habe mich niemals für die Streichung des Gottesbezuges im Grundgesetz ausgesprochen, sondern nur die Nutzung in Frage gestellt.“
Gewiß haben in den letzten Jahrzehnten auch solche Politiker gegen Gesetz und Verfassung verstoßen, die bei ihrer Vereidigung die Formel „So wahr mir Gott helfe“ hinzugefügt haben. So bedauerlich solche Verstöße sind, die Anrufung Gottes soll die Politiker daran erinnern, daß sie nicht nur eine Verantwortung gegenüber ihrem Land haben, sondern über ihr Tun und Lassen auch einmal vor Gott Rechenschaft ablegen müssen. Wir haben für dieses Bewußtsein ein eindrucksvolles Beispiel aus unserer Geschichte. Der als „Soldatenkönig“ bekannte Friedrich Wilhelm I. schrieb an seinen Sohn, den späteren Friedrich den Großen:
„Ich bitte meinen lieben Nachfolger, keinen ungerechten Krieg anzufangen, denn Gott hat ungerechte Kriege verboten und ihr müßt für alles unschuldig vergossene Blut Rechenschaft ablegen vor Gott. Das ist eine ernste Sache. Also haltet Euer Gewissen rein, damit Euch Gott beständig segne und Eurer Armee Bravour gebe.“
Alljährlich verstoßen Millionen Autofahrer gegen die Straßenverkehrsordnung und sei es nur durch Überschreitung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit. Dennoch kommt niemand auf die Idee, deswegen die Straßenverkehrsordnung außer Kraft zu setzen.
In derselben Ausgabe der WamS vom 5.12.99 wurde der deutsch-türkische Abgeordnete Czem Özdemir mit der Aussage zitiert, ein Wertekonsens in Deutsch-land könne nur gemeinsam mit Nichtchristen geschaffen werden. Eine „Konstitutionalisierung des christlichen Gottes“ führe zu Intoleranz und Ausgrenzung.
An dieser Erklärung ist bemerkenswert, daß nach seiner Aussage der islamische Gottesbegriff vom christlichen ebenso fundamental verschieden ist wie zahlreiche islamische Wertvorstellungen.
Denken wir nur an die Menschenrechte! Diese Wesensunterschiede erschweren ganz entscheidend die Integration von Muslimen in die abendländische Gesellschaft, die trotz fortschreitender Säkularisierung immer noch vom Christentum geprägt ist.
Im Gegensatz zu Özdemir sprach sich das Zentralinstitut Islam-Archiv dafür aus, den Gottesbezug im Grundgesetz zu lassen. In seinem Appell an SPD und Grüne heißt es, der Gottesbezug im Grundgesetz sei „der eigentliche Schlüssel, der es gläubigen Moslems möglich macht, dem Staat gegenüber loyal zu sein, Pflichten gegenüber der Gemeinschaft zu übernehmen, den Staat notfalls mit dem Leben zu verteidigen und sich in ihm angenommen und heimisch zu fühlen.“ – Der Wegfall des Gottesbezuges ziehe den Befürwortern der Integration den Boden unter den Füßen weg und gefährde den gesellschaftlichen Dialog.
Falls diese Erklärung nicht lediglich eine Beruhigungspille für aufgeschreckte Bundesbürger ist, kann man ihr nur zustimmen.
Es war wohl die Erinnerung an die dunkelste Zeit unserer Geschichte, die fünf Bundesländer von Bayern bis Nordrhein-Westfalen veranlaßte, in ihre Verfassung die „Ehrfurcht vor Gott“ als Bildungsziel aufzunehmen.
Desgleichen haben die „neuen“ Bundesländer Thüringen und Sachsen-Anhalt den Gottesbezug in der Präambel ihrer Verfassung festgeschrieben.
1994 erzwang eine Volksinitiative in Niedersachsen mit den Stimmen von 120.000 Bürgern, die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gegen SPD und Grüne in die Präambel ihrer neugefaßten Verfassung aufzunehmen, denn wie Dostojewski schreibt: „Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt.“
Die Präambel, die auch von der FDP mitgetragen wurde, lautet:
„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das Volk von Niedersachsen durch seinen Landtag diese Verfassung gegeben:
Diese Präambel bringt zum Ausdruck, daß der Verfassungsgeber die grundlegenden Gerechtigkeitspostulate anerkennt, die zu den Grundentscheidungen jeder menschlichen Ordnung gehören und nicht zu seiner Disposition stehen. Der Gottesbezug in der Verfassung ist eine Selbsterinnerung an die Grenzen und die Fehlbarkeit menschlichen Tuns und steht dafür, dass der Mensch nicht allmächtig ist, sondern dass auch Staat und Politik nur relativen Wert besitzen und an Ziele und Werte gebunden sind, die Menschen nicht festlegen können. Die Verantwortung vor Gott und den Menschen soll daher auch in der Niedersächsischen Verfassung festgeschrieben werden.“
Das Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen vermag zumindest gewissenhafte Menschen davor bewahren, sich in der Politik lediglich von Nützlichkeitserwägungen leiten zu lassen. Vergessen wir nicht, dass ein Grundsatz der Nazis lautete: Recht ist, was dem deutschen Volke nützt.“
Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich ein Wort unseres früheren Bundespräsidenten Karl Carstens in Erinnerung rufen, der anläßlich seines 70. Geburtstags sagte:
„Die Wiedergewinnung der religiösen Dimension ist von entscheidender Bedeutung für unsere Zukunft, ja für die Zukunft und das Überleben der Menschheit. Ich habe nichts Wichtigeres zu sagen als dies.“
P. Lothar Groppe SJ
Eine Antwort
Leider habe ich den Arikel nur Überflogen. Ich denke dabei an ein Buch was mit idea-nachrichtenmagzin rausgekommen ist Es heißt: Ohne Werte sind wir Wertlos! Von H. Jäger kann es u.a. zu diesem Thema empfehlen! mfg Christian Horstmann