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Deutsche Lieder gibt es in der „alten Messe“ schon seit Jahrhunderten

Von Felizitas Küble

In der katholischen Zeitung „Tagespost“ läuft seit einigen Monaten eine Leserbrief-Debatte über die Frage, ob in der „klassischen Liturgie“  – also in der alten hl. Messe  – neben dem Gregorianischen Choral und sonstigen lateinischen Gesängen auch deutsche Kirchenlieder ihren Platz haben sollen.

Am Freitag, dem 2. November 2018, veröffentlichte die Tagespost unter dem Titel „Ergänzung, kein Ersatz“ meine folgende Leserzuschrift:  

Claus Winkler befaßt sich in seiner Leserzuschrift „Deutsche Lieder nicht als Regelfall“ (DT vom 4.10.2018) kritisch mit meinem Leserbrief „Laienherrschaft im alten Ritus“ (DT vom 2.8.), in dem ich mich zugunsten deutscher Kirchenlieder in der überlieferten Liturgie aussprach – und zwar nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu lateinischen Gesängen.

Der Autor will dies nur für den Fall zugestehen, daß eine Choralschola nicht verfügbar ist, doch ansonsten dürften deutsche Lieder „nicht der Regelfall sein“: „Im Hochamt ist der Choral oder der lateinische polyphone Gesang vorzuziehen.“

Der Verfasser übersieht, daß es bereits in vorkonziliarer Zeit hierzulande eine breite Palette verschiedener Formen der alten Messe gab. Am Sonntag wurden vor dem Hochamt meist mehrere stille Messen zelebriert, sodann am späten Vormittag Singmessen und Betsingmessen mit deutschen Kirchenliedern. Dabei handelte es sich nicht um Spätentwicklungen der 50er Jahre oder gar um „Ausuferungen“ der Liturgischen Bewegung, sondern um kirchenamtliche Meßformen bereits Anfang der 30er Jahre.

Als Beispiel sei auf die Gottesdienstordnung 1930 in der Pfarrgemeinde St. Lamberti in Münster hingewiesen – und zwar unter Pfarrer Clemens Graf von Galen, dem späteren Bischof: Es gab frühmorgens drei stille hl. Messen, es folgte ein Hochamt und danach um 9,30 und 11 Uhr „hl. Messen mit Predigt und Volksgesang“.

In der Münsterschen Diözesansynode 1936 unter dem Vorsitz Bischof von Galens wurde die Gemeinschaftsmesse, die deutsche Singmesse und die Betsingmesse positiv hervorgehoben. Aber schon die Synode von 1924 legte ausdrücklich Wert auf die „Pflege des deutschen Kirchenliedes“, dies wurde sogar „aufs neue eingeschärft“.

Dabei war diese Wertschätzung des deutschen Kirchengesangs im damals konservativ geprägten Bistum Münster keine kuriose „Neuerung“, sondern entsprach einer kontinuierlichen Entwicklung, schließlich existiert ein vielseitiges und reichhaltiges Liedgut seit vielen Jahrhunderten.

Der gewiß nicht als „modernistisch“ verdächtige Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen brachte 1677 das erste Diözesan-Gesangbuch in Münster heraus, das sowohl lateinische wie deutsche Gesänge enthielt. Es empfahl darin eine Singordnung für eine fast durchgängige deutsche Liedbegleitung der „missa cantata“ bei Sonn- und Feiertagen. Bereits zwei Jahre vorher legte der Oberhirte von Münster fest, daß deutsche Lieder gemäß dem Kirchenjahr nicht nur Ausnahme, sondern Regelfall sein sollten – wohlgemerkt: im 17. Jahrhundert!

Natürlich beschränken sich diese Beispiele nicht auf das Bistum Münster. In Köln brachte das bischöfliche Ordinariat im Jahre 1919 das Gebet- und Gesangbuch „Sallite Domino“ für höhere Lehranstalten heraus.  Über 90% der darin enthaltenen Lieder für die Meßliturgie sind deutschsprachig.

Im ebenfalls amtlichen „Oremus“-Gesangbuch für das Bistum Aachen aus dem Jahre 1949 finden wir hunderte von deutschen Kirchenliedern. Noch eindeutiger sieht es im Hildesheimer Gesangbuch „Cante Bona“ von 1948 aus, denn es enthält mit einer einzigen lateinischen Ausnahme ausschließlich deutsche Lieder.

Felizitas Küble, 48167 Münster

Kommentare

5 Antworten

  1. Sehr geehrte Frau Küble,

    ich empfehle Ihnen sehr die Lektüre der Schriften zur Kirchenmusik der Päpste Pius X-XII. Für die gesungenen Messen gilt ganz klar und unmissverständlich „
    14. a) Beim gesungenen Amt (Missa in cantu) ist nicht bloß vom zelebrierenden Priester und den Altardienern, sondern auch von der Schola oder den Gläubigen ausschließlich die lateinische Sprache zu verwenden. „Doch wo hundertjährige oder unvordenkliche Gewohnheit es mit sich bringt, dass beim feierlichen eucharistischen Opfer (d. h. beim gesungenen Amt) nach dem lateinischen Gesang der liturgischen Texte einige Volksgesänge in der Muttersprache eingefügt werden, können die Ortsordinarien dies zulassen, wenn sie nach den Umständen bezüglich des Ortes und der Personen glauben, dass diese Gewohnheit klugerweise nicht aufgehoben werden kann (can. 5). Dabei bleibt aber das Gesetz in Kraft, dass die liturgischen Texte selbst nicht in der Volkssprache gesungen werden dürfen“ (Musicae sacrae disciplina, AAS, 1956, 16-17).“ (De Musica Sacra, 1958).
    Gerade angesichts der Bemühungen der „Pius-Päpste“ FÜR den gregorianischen Choral kann die Betsingmesse nicht als Maßstab dienen. Natürlich ist diese nicht verboten, ist aber letztlich nur eine stille Messe mit Liedern.
    Ein wirkliches „Hochamt ohne Choral“ ist nicht statthaft. Der Gesang von gregorianischem Ordinarium und Proprium ist hier zwingend vorgeschrieben. Auch altrituelle Bruderschaften sind hier nicht maßgeblich und im Zweifel nicht immun gegen liturgische Missbräuche.

  2. Mir scheint, dass hier schlichtweg unkritisch „Restauration“ à la „Alles genau so wie früher, dann läuft das schon“ gefordert wird. Das greift zu kurz. Die Veröffentlichung von Summorum Pontificum sollte vor allem aufgefasst werden als Chance und Auftrag die Liturgie wieder zu dem zurückzuführen, was sie wirklich sein soll, und nicht einfach alles wiederherzustellen, was es vielleicht mal gab, schon gar nicht liturgische Partikularzustände wie den deutschen. Das heißt konkret, dass wieder der Choralgesang und die Polyphonie, d.h. die wirkliche Sakralmusik, für die Liturgie prägend und maßgeblich sein sollten.

    Dabei habe ich nichts gegen die volkssprachliche Tradition des Kirchenlieds. Zweifelsohne ist auch das zurecht lieb gewonnen worden. Doch hat alles seinen rechten Platz, und der liegt für das volkssprachliche Liedgut vor allem in anderen gottesdienstlichen Formen wie Andachten, nicht aber der Liturgie selbst, schon gar nicht der Hl. Messe.

    Als noch relativ junger Mensch möchte ich weiterhin sagen, dass ich in der alten Messe vor allem den Eindruck habe, dass diese Lieder Ausdruck von Nostalgie für die älteren Gottesdienstbesucher sind. Ich kenne keinen jungen Katholiken, der sich wirklich dafür begeistert. Begeistert vom Kirchenlied in der Messe sind auch unter den älteren kaum welche, die Haltung, die ich da erfahre, ist vor allem eine des „ist doch schön“. Da wählt man dann Sonntags aus einem musikalischen Kanon von ca. sechs Liedern immer mal wieder eines aus, am Ende noch eines von drei oder vier ausgelutschten Marienliedern (so fromm und liebgewonnen sie sein mögen!) und an Festen vielleicht noch ein besonderes. Alles in allem ist das aber immer das gleiche. Und das ist unglaublich öde, versteinert und nicht begeisterungsfähig.

    Diese kurzen Bemerkungen sollen reichen, wobei man noch viel mehr sagen könnte.

    1. Guten Tag,
      anscheinend ist Ihnen entgangen, daß es sich bei den deutschen Kirchenliedern, wie sie früher in den Gesangbüchern standen, größtenteils um Lieder für die heilige Messe handelte, keineswegs nur für Andachten.
      Die deutschen „liturgischen Partikularzustände“ waren ausdrücklich vom Papst genehmigt, sonst wären sie damals von den romtreuen Bischöfen gar nicht eingeführt worden.
      Die Betsingmesse mit deutschen Liedern war Sonntag für Sonntag der Normalfall schon in den 30er Jahren – und das auch unter dem Pfarrer und späteren Kardinal von Galen in dessen Lamberti-Pfarrei.
      Wenn Sie diese deutschen Kirchenlieder „unglaublich öde“ finden, dann mag das sein, bloß müssen Sie nicht meinen, allen würde es so ergehen wie Ihnen.
      Sogar die speziell alt-liturgische, traditionelle Petrusbruderschaft singt in ihren Messen regelmäßig deutsche Kirchenlieder – ebenso übrigens die Piusbruderschaft, wo es öfter keine Choralmesse gibt, sondern ein Hochamt mit drei bis vier deutschen Liedern.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

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