Von Felizitas Küble
Allenthalben wird auf katholischen Webseiten – von der konservativen bis hin zur traditionellen Richtung – positiv bis begeistert über die charismatisch-ökumenische MEHR-Konferenz berichtet.
Personen und Gruppen, die sonst mit einem überschäumenden Ökumenismus eher wenig am Hut haben und überdies Wert auf eine gediegende liturgische „Form“ legen oder direkt der alten Messe anhängen, lassen sich seit einiger Zeit in zunehmendem Maße von schwarmgeistigen Tendenzen beeindrucken.
Ich frage mich, ob nicht einmal die Tatsache, daß im Gebetshaus Augsburg – dem Träger der MEHR-Konferenz – fleißig der Hammersegen propagiert und praktiziert wird, zum kritischen Nachdenken anregt.
Oder hält man etwa das sogenannte „Ruhen im Geist“ ernsthaft für eine Manifestation des Heiligen Geistes?
Handelt es sich bei diesem plötzlichen und tranceartigen Umkippen, wie MEHR-Leiter Dr. Johannes Hartl behauptet, um eine „Kraftbezeugung Gottes“? Vermittelt dieser „Toronto-Segen“ (wie er in protestantischen Kreisen genannt wird) neuerdings eine besondere Gotteserfahrung?
Wirkt unser HERR in solchen enthusiastischen Stimmungsmomenten auf ganz ungewöhnliche Weise? Zeigt er in der „Ohnmacht“ der Rückwärtskippenden seine außerordentliche „Macht“?
Mehr-Konferenz mit „Fallen im Geist“ inklusive
Daß auch in diesem Jahr auf der MEHR-Konferenz wieder – wie dort üblich – munter der „Hammersegen“ erteilt wurde, wird von Fan-Seite selber geschildert, zB. hier unter dem bezeichnenden Motto „Viel Spass und viel Segen„: http://mightymightykingbear.blogspot.de/2017/01/viel-spa-und-viel-segen-teil-1.html
Daß es sich hierbei aber nicht um Ausrutscher oder Auswüchse am Rande dieser Mega-Veranstaltung handelt, ist für jeden klar, sich der sich der charismatischen Szenerie auskennt – einmal abgesehen davon, daß der katholische Theologe Dr. Johannes Hartl selber kein Geheimnis daraus macht, wie großartig er dieses Phänomen findet, das man aus der pfingstlerisch-protestantischen Bewegung seit über 100 Jahren kennt, seit einigen Jahrzehnten aber auch in katholisch-charismatischen Kreisen.
Dr. Hartl: „Meine aufregende Reise ins Gebet“
Dr. Hartl schreibt in seinem Buch „In meinem Herzen Feuer – Meine aufregende Reise ins Gebet“ im Kapitel „Heiliges Chaos“ (!), bei dem Fallen „im Geist“ handle es sich um eine „Kraftbezeugung Gottes“, die er bereits 1999 bei einem von ihm geleiteten Jugendwochenende beobachtet habe.
Während der üblichen Lobpreismusik ging es dort richtig rund – und dann kam ER (gemeint ist Gott):
„Doch während des 2. Liedes kommt er. Und übernimmt die Kontrolle…Ohne dass jemand sie berührt, beginnen Einzelne, umzufallen. Bum!…Die Betroffenen berichten, sie seien von der Kraft Gottes überwältigt worden….Im ganzen Raum fallen Jugendliche um und bleiben liegen….Einige liegen ganz ruhig am Boden und berichten hinterher, den Frieden und die Liebe Gottes auf tiefe Weise erfahren zu haben.
Andere beginnen laut zu weinen, weil Gott Bereiche intensiven Schmerzes in ihnen berührt. Andere lachen, weil sie Gottes Freude in sich spüren, andere haben Visionen der geistlichen Realität, einige sogar über lange Zeit hinweg.“
Dr. Hartl wird nun klar: „Jemand hat mir die Leitung aus der Hand genommen. In alledem jedoch die überwältigende Präsenz von etwas Heiligem. Von jemand Heiligem.“
Wirkt der Heilige Geist gegen Verstand und Bewußtsein?
Hierzu stellen wir fest:
- Der Heilige Geist wirkt grundsätzlich nicht gegen oder völlig ohne Verstand und Bewußtsein, sondern erleuchtet unsere Erkenntnis und unsere Vernunft mit dem Licht des Glaubens. Die Gnade baut auf der Natur auf – aber er überwältigt sie nicht, er „wirft sie nicht um“, denn Gott ist ein Freund der menschlichen Freiheit, die ER selber uns verliehen hat.
- Als Katholiken sind wir überzeugt, daß uns durch das Sakrament der Firmung die Sieben Gaben des Heiligen Geistes (die zudem auch ausdrücklich biblisch bezeugt sind) schenkt, wobei wir diese Gnadengabe Gottes in unserem Leben fruchtbar machen sollen. Zu den „7 Gaben“ gehören interessanterweise auch die Gabe des VERSTANDES und der WISSENSCHAFT (Erkenntnis) sowie der WEISHEIT. Will jemand ernsthaft behaupten, beim quasi-ohnmächtigem Umkippen seien Verstand, Weisheit und Wissenschaft wirksam?
- Es ist in zweitausend Jahren nicht in einem einzigen Fall bezeugt worden, daß bei einem Sakrament, welches besonders den Heiligen Geist und seine Gaben vermittelt (Taufe, Firmung, Priesterweihe) jemals jemand „im Geiste geruht“ hat. Nun wissen wir aber im Glauben, daß bei der sakramentalen Begegnung mit Gott tatsächlich auch seine Gaben und wirksame Gnaden verliehen werden. Freilich kommt es hierbei aber keineswegs zu charismatischen Manifestationen wie dem Hammersegen, „Heiliges Lachen“, „Heiliges Weinen“, Zungenreden usw.
- Unser Glaube beruht nicht in erster Linie auf dem Gefühl, schon gar nicht auf ekstatischen, außer Kontrolle geratenen Emotionen oder Trance-Erfahrungen ähnlich wie bei Zen oder Yoga. Auch und gerade der Heilige Geist ist ein Gott der Ordnung, Besonnenheit und Nüchternheit, wozu beispielsweise der Apostel Paulus die damaligen Gemeinden in seinen Briefen häufig ermahnt.
Weitere Artikel von uns zur „Hammersegen“-Problematik:
https://charismatismus.wordpress.com/2012/08/22/charismatik-pur-pater-ivo-pavic-und-der-hammersegen/
https://charismatismus.wordpress.com/2013/02/18/warnung-vor-dem-philippinischen-heiler-und-charismatiker-corsie-legaspi/
https://charismatismus.wordpress.com/2016/10/04/warnung-vor-dem-ruhen-im-geist-warum-der-hammersegen-nicht-von-oben-kommt/
https://charismatismus.wordpress.com/2014/10/05/der-hammersegen-ist-keine-taufe-im-geist/
https://charismatismus.wordpress.com/2011/06/03/warnung-vor-medjugorje-2/
Kritische evangelische Information über diesen Toronto-Segen: http://www.relinfo.ch/toronto/kurz.html
HIER sechs weitere Artikel über die MEHR-Konferenz und das Gebetshaus Augsburg: https://charismatismus.wordpress.com/category/visionen-und-charismatik-kritik/gebetshaus-augsburg-j-hartl/
9 Antworten
…und wie war das bei Saulus? Er fiel vom Pferd, war dann blind und schließlich bekehrt. Ob er seitlich vom Pferd fiel oder rückwärts oder vorwärts ist wahrscheinlich nicht überliefert.
Übrigens: “An ihren Früchten sollte ihr sie erkennen.“ Und “Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten.“ Römer 14, Vers 1
Mal ganz abgesehen davon, dass auf der MEHR 2017 niemand über den sog. „Hammersegen“ gesprochen, geschweige denn ihn eingefordert hat und der zitierte Blog dazu auch recht wenig hergibt, scheint mir hier der paulinische Grundsatz: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ wieder mal unberücksichtigt geblieben zu sein. Auch zur Frage dessen, inwieweit Kritik sinnvoll ist, hat ja der von Frau Küble zitierte Blogger ein paar ganz gute Gedanken entwickelt:
http://mightymightykingbear.blogspot.de/2016/11/zu-meckern-gibt-es-immer-was.html
Ich habe diese oder ähnliche Veranstaltungen nicht erlebt, aber schon der neudeutsche Titel „MEHR“ sowie diverse Erlebnisberichte reichen mir.
Schade, dass auch eine Gabriele Kuby in dieser Szenerie zu finden ist, ich hätte ihr mehr Nüchternheit und Realitätssinn zugetraut.
Aus eigener Erfahrung mit Esoterik kann ich nur vor derartigen Trancen warnen !
Ich verwette meinen Kopf, dass es NICHT der Heilige Geist ist, der da „weht“ und das Licht, das manche sehen, kommt NICHTvon Gott !!
Ich halte es für sehr, sehr verantwortungslos, solche Experimente gerade mit jungen Menschen durchzuführen !
Ich zitiere mal einen Kommentar auf kath.net zu dem Artikel von Frau Kuby:
„lustige (!) Seitenhiebe gegen die jeweils andere Konfession gibts natürlich auch.
Ich sage nur „Buch der Weisheit“ und „Christen und Katholiken“.“ Zitatende.
Das Buch der Weisheit findet man also „lustig“ !?
Noch Fragen !?
Ja, die Menschen können nicht mehr unterscheiden, ich bin ganz Ihrer Meinung, Frau Küble, betreffend Herr Hartl Augsburg. Habe heute zufällig von XX gehört in Radio Maria
Deutschschweiz, und er ist nicht der einzige, wie super Augsburg sei, und die Kritiker seien nur neidisch. Ständig geht es in Radio Maria Deutschschweiz um Medjugorie, Schio, um die Bücher Valtortas „Der Gottmensch“, es sind jedoch kirchlich abgelehnte Bücher (Benedikt XIV.)…. etc – und wenn man etwas sagt, ist die Reaktion ziemlich hart abweisend, habe mich von Radio Maria getrennt……
Wenn selbst Teile des Klerus und Papst Franziskus nicht mehr zwischen politischer Ideologie und Glauben unterscheiden können – oder im Machtrausch und Eitelkeit mit suspekten Veranstaltungen Christen auf die schiefe Bahn verleiten, dann ist das Christentum arg bedroht.
Man gedenkt es auch zu opfern, um durch diese Zeitgenossen eine von Menschen gestrickte Einheitsreligion zu formen. Man denke an die Anbiederung an den Islam (den Versuch der Grünen und Co., durch sexuelle Kontrolle über die Hintertür die Würde des Menschen auszuhebeln), die selbstherrlich von der UNO erlassenen 50 Gebote für die ganze Welt, die absolutistischen Charakter tragen, und das Spiel mit den arglosen Christen, die meinen, Menschen wie Götter verehren zu können, und nicht merken, wie sie im Sinne der Mächtigen manipuliert werden. Das Christentum steht durch jene Pharisäer und Schriftgelehrten, nicht umsonst sprach Jesus auch von reißenden Wölfen, auf Messers Schneide.
Das Gesangbuch meiner Oma half mir in bitteren Zeiten über die Trauer, weil die Texte noch sehr viel Nähe zu Gott hatten und sich in Leid und Pein ihres Lebens als Schöpfungskinder ihm anvertraut hatten, der Trost in den Sinn des Lebens.
Das ist die Kraftquelle des Christentums und die versucht man, mit allen Mitteln für einen Herrschaftsanspruch des Menschen über den Menschen auszuhebeln.
Wir müssen dafür kämpfen, dass das nicht passiert, dass ein freier humanistischer Glaube mit seinen 10 Geboten, die den Menschen helfen sollen, nicht für den Zeitgeist ausradiert werden.
Was mich an diesen Publikationen traurig macht, ist dass Christen Christen verurteilen und die Welt um uns herum stirbt unerlöst, weil sich Christen miteinander beschäftigen und eben gerade dem Heiligen Geist im Weg stehen. Wir sollten alle eins sein, dann stünde es nicht so schlimm mit dem christlichen Fundament des Abendlandes, denn der Heilige Geist macht eins. Vielleicht schwingt ja Neid auf über 8.000 Leute in Einheit auf der MEHR Konferenz da mit…
Gute Tag,
der Neid bei uns wegen der Teilnehmerzahl muß riesig sein, denn ich las wohl verschiedene Meldungen von 8000 bis 10.000 Teilnehmern, schrieb aber in meinen MEHR-Artikeln stets von 10.000 Leuten, also der größtmöglichen Zahl, um bloß nicht etwa zu untertreiben.
Mit Ihrer Logik der Einheit um jeden Preis dürfte man überhaupt keine theologischen Fehlentwicklungen mehr beklagen. Übrigens haben wir nicht Personen „verurteilt“, sondern bestimmte außergewöhnliche Manifestationen – ja? Verstehen Sie den Unterschied zwischen Person und Sache nicht?
Falls Sie evangelisch sind: Hat Luther einst „Christen verurteilt“, als er zB. den Papst für den Antichristen hielt? Das ging dann wohl doch über eine bloße Sachkritik hinaus, zudem war die Folge seiner Kontrastellung eine verhängnisvolle Kirchenspaltung, ohne die es z.B. den Dreißigjährigen Krieg nicht gegeben hätte. (Übrigens hat auch Luther schwarmgeistige Tendenzen von T. Müntzer bis zu den Wiedertäufern in Münster scharf bekämpft.)
Freundlichen Gruß!
Felizitas Küble
Es geht nicht darum, „dass Christen Christen verurteilen“.
Es geht um kritisches Hinterfragen bestimmter Entwicklungen.
Auch ich habe ein Problem mit solch überdimensionalen „Veranstaltungen“ und glauben Sie mir, mich treibt nicht der Neid um.
Dass Suchende bei MEHR evtl. finden, was ihnen bislang gefehlt hat, räume ich gerne ein.
Aber Sie können mir vielleicht auch zustimmen, dass, wenn man Gott wirklich gefunden hat, dass damit das große Bedürfnis entsteht, in eine persönliche Beziehung mit IHM einzutreten. Und dafür braucht es dann keine „Events“ mehr und keine Massenveranstaltung religiöser Art.
Dann ist es die STILLE und die Gewissheit seiner Gegenwart, die uns erfüllt, und jeglicher Lärm könnte da nur als störend empfunden werden.
MEHR als „Türöffner“ für hoffentlich Besseres kann ich also einigermaßen tolerieren, aber eben nur in dieser Hinsicht.
„Gott ist ein Gott der Ordnung und nicht der Unordnung Gott“ schrieb mein Vater schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.