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Die Segensaktion auf der MEHR-Konferenz und das charismatische Umkehrungsprinzip

Von Felizitas Küble

Die katholische Wochenzeitung „Tagespost“ vom 11. Januar 2018 berichtet unter dem Titel „Missionarische Ökumene“ völlig unkritisch über die schwärmerische MEHR-Konferenz, die von dem katholischen Theologen Dr. Johannes Hartl geleitet und von seinem „Gebetshaus Augsburg“ organisiert wird.

Unter den 11.000 Besuchern befanden sich  – wie der Autor berichtet – auch tausende Protestanten. Hartls Aufruf „Betet für uns, damit der Aufbruch in dieser großen alten Kirche gelingt“ erscheint mir typisch für enthusiastische Bewegungen und zeugt zudem von einem ausgeprägten Sendungsbewußtsein, zumal er ausdrücklich eine „Erweckung“ des „Riesen katholische Kirche“ herbeiwünscht. Aber damit nicht genug, ruft eine protestantische Vertreterin auf der Bühne den Katholiken zu „Wir segnen euch“, wonach diese artig „in der Halle das Haupt neigen und sich segnen lassen“.

Nun setze ich mich seit Jahrzehnten für eine theologisch konservative Ökumene ein und bin mit vielen evangelischen Christen befreundet, wobei gegenseitige Segenswünsche selbstverständlich sind.

Was jedoch gezielt als tausendfache, quasi-rituelle Segenshandlung auf der MEHR-Konferenz stattfand, ist von anderem Kaliber. Hier wird nach meinem Eindruck das typisch charismatische Umkehrungsprinzip sichtbar, das die biblisch und kirchlich bewährte Ordnung auf den Kopf stellt.

Im Hebräerbrief wird der geheimnisvolle Priester-Königs Melchisedech erwähnt, der einst den Patriarchen Abraham segnete, wobei es dann heißt, daß der Höhergestellte den Segen erteilt (Hebr 7,7). Dieser Grundsatz ist auch (theo)logisch klar; er orientiert sich weniger an der persönlichen Frömmigkeit bzw. Heiligkeit der einzelnen Personen, sondern vor allem an der geistlich-amtlichen Stellung dessen, der segnet. Letztlich ist es immer Gott und damit der Höchste selbst, der den Segen spendet.

In der charismatischen Bewegung wird das biblische Prinzip, dass der Höhergestellte den Segen erteilt, fast unmerklich verdrängt und nicht selten geradezu umgedreht. Der Höhergestellte spendet dann nicht den Segen, sondern er empfängt ihn, beispielsweise Priester durch Laien bzw. Nicht-Kleriker.

Hierzu zwei Beispiele:

  1. Die irische Nonne Briege McKenna gibt seit langem ihre Exerzitien für „innere Heilung“ und dergleichen, an denen vor allem Priester teilnehmen. Auf Großveranstaltungen  – etwa bei den Priestertagen in Ars –  nahm sie über tausenden von Geistlichen eine Art „Geistausgießung“ vor.
  2. Die aus Indien stammende Ordensfrau Sr. Margaritha Valappila erteilt bei Gebetstagen in ihrem –  kirchlich nicht anerkannten  – „Haus Raphael“ auch dem jeweiligen Hausgeistlichen ihren speziellen Einzelsegen per Handauflegung. Daß diese Priester dabei bisweilen wie in Trance nach hinten umkippen, läßt den Vorgang aus meiner Sicht noch problematischer erscheinen.

Wenngleich bei der MEHR-Konferenz keine allgemeine „Geistausgießung“ über Priestern stattfand, wurde auch dort das charismatische Umkehrungsprinzip sichtbar: Protestanten segneten tausende Katholiken, die „ihr Haupt neigten“. Hier wurde zwischen den Konfessionen nicht einmal auf gleicher Augenhöhe gesegnet, es fand offenbar kein gegenseitiger Segen statt, sondern evangelische Christen spendeten katholischen Christen ihrerseits den Segen. 

Das erscheint mir objektiv sehr fragwürdig, wenngleich die wohlmeinenden Absichten der protestanischen Besucher unbestritten sind, zumal der katholische Leiter Dr. Hartl sie ausdrücklich um Gebetshilfe für einen „Aufbruch“ und eine „Erweckung“ der katholischen Kirche gebeten hatte.

„Aufbrüche“ sind natürlich immer wünschenswert, doch bei nüchterner Analyse bleibt festzuhalten, daß sich die geistliche und kirchliche Situation im evangelischen Bereich insgesamt noch unerfreulicher darstellt als katholischerseits, ob es um Austrittsdaten, Kirchgängerzahlen oder die öffentlichen Zeitgeist-Erklärungen ihrer amtlichen Vertreter und Gremien geht – siehe etwa die Zustimmung der EKD zugunsten einer „Ehe für alle“.

Diese Situation dürfte auch Dr. Hartl bekannt sein; ihm geht es aber offenbar um spezielle Erweckungs-Impulse aus dem pfingstlerisch-protestantischen Spektrum. Tatsächlich ist hier die Pfingstbewegung sozusagen die „Mutter“ (nämlich über sechzig Jahre älter), während die erst 1967 entstandene katholische „Charismatische Erneuerung“ quasi einen Ableger, eine „Tochter“ darstellt. So gesehen ergibt der Wunsch des Katholiken Hartl, von evangelischer Seite eine Gebets- und Segenshilfe für (s)einen „Aufbruch“ zu erhalten, wiederum doch einen Sinn – einen speziell charismatischen allerdings.

Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt.

Kommentare

2 Antworten

  1. „Letztlich ist es immer Gott und damit der Höchste selbst, der den Segen spendet.“

    und das nur im Zusammenhang mit der gültigen Weihe des Priesters, wie ihn die katholische Kirche versteht. Insofern ist der Segen, den ein Laie über die Anwesenden Bischöfe und Priester spricht, sicherlich gut gemeint, allerdings wirkungslos. Warum sollte man so etwas tun? Um die Gemüter zu beruhigen?

  2. Wenn ich jetzt noch einmal das Wort „Aufbruch“ höre…
    Seit Jahren brechen alle ständig nur auf – als Künstlerin singe ich ein Lied davon. Selbst das allerletzte spießige Kulturamt initiiert ständig neue Events, bei denen der „Aufbruch“ besungen werden soll.
    Es nervt einfach nur noch.

    Und ich habe große Lust, mich einfach mal nur hinzusetzen und einen Grashalm zwischen die Lippen zu stecken, mich auf den Rücken zu legen, in den Himmel zu schauen, die Arme hinterm Kopf verschränkt, und meine Gedanken fließen zu lassen, wohin sie wollen… Ich pfeife auf Aufbrüche aller Art, auf diesen Dekonstruktionsapppell aus Prinzip. Horkheimer, ab in die Flasche!

    Ich finde es übrigens nicht verwerflich, wenn die Pastorin die Katholiken segnet – es gibt verschiedene Arten von Segen, und es gibt auch den, den die „Niedrigeren“ den „Höheren“ spenden, wobei Melchisedek wohl Gottes ewiges Wort war oder demselben „ähnlich“ und als Gott oder Gottähnlicher natürlich einen Segen spendet, den ein Avraham nicht spenden konnte… Daraus kann man aber nicht folgern, dass nun in diesem Leben unter Gleichen (nämlich den Menschen), Bestimmte nur segnen dürften. Wer an das hierarchische Prinzip glaubt, das eine Menschenerfindung bzw eine vorläufige Setzung des schwachen Fleisches ist, glaubt, damit argumentieren zu können. Wer aber weiß, dass das nur eine Menschenerfindung oder ein schwaches Element der gefallenen Natur ist, wird davon Abstand nehmen. Wenn Paulus das nennt, sagt er ja nicht zwingend, dass er das damit dogmatisch festhalten will, sondern er sagt: nach den Spielregeln des AT gälte das, folglich dürfte M. Gott oder ein Gottähnlicher gewesen sein.

    In Hebr. 7 lesen wir folgendes:

    „1 Dieser Melchisedek aber war König von Salem, Priester des höchsten Gottes; er ging Abraham entgegen, als der vom Sieg über die Könige zurückkam, und segnete ihn;
    2 ihm gab Abraham auch den Zehnten von allem. Erstens heißt er übersetzt: König der Gerechtigkeit; dann aber auch: König von Salem, das ist: König des Friedens.
    3 Er ist ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens. So gleicht er dem Sohn Gottes und bleibt Priester in Ewigkeit.
    4 Seht aber, wie groß der ist, dem auch Abraham, der Erzvater, den Zehnten gab von der eroberten Beute.
    5 Zwar haben auch die von den Söhnen Levis, die das Priestertum empfangen, ein Gebot, den Zehnten zu nehmen vom Volk nach dem Gesetz, also von ihren Brüdern, obwohl auch diese aus den Lenden Abrahams hervorgegangen sind.
    6 Der aber, der nicht von ihrem Stamm war, nahm den Zehnten von Abraham und segnete den, der die Verheißungen hatte.
    7 Nun ist aber unstreitig, dass das Geringere vom Höheren gesegnet wird.
    8 Und hier nehmen den Zehnten sterbliche Menschen, dort aber einer, dem bezeugt wird, dass er lebt.
    9 Um es nun so zu sagen: Auch Levi, der selbst den Zehnten nimmt, ist durch Abraham mit dem Zehnten belegt worden.
    10 Denn er war noch in den Lenden des Vaters, als Melchisedek ihm entgegenging.
    11 Wäre nun die Vollendung durch das levitische Priestertum gekommen – denn unter diesem hat das Volk das Gesetz empfangen –, wozu war es dann noch nötig, einen andern als Priester nach der Ordnung Melchisedeks einzusetzen, anstatt einen nach der Ordnung Aarons zu benennen?
    12 Denn wo das Priestertum verändert wird, da muss auch das Gesetz verändert werden.
    13 Denn der, von dem das gesagt wird, der ist von einem andern Stamm, von dem nie einer am Altar gedient hat.
    14 Denn es ist ja offenbar, dass unser Herr aus Juda hervorgegangen ist, dem Stamm, zu welchem Mose nichts gesagt hat vom Priestertum.
    15 Und das ist noch viel klarer, wenn in gleicher Weise wie Melchisedek ein anderer Priester auftritt,
    16 der es nicht geworden ist nach dem Gesetz eines fleischlichen Gebots, sondern nach der Kraft unzerstörbaren Lebens.“

    Die „Segenslogik“ von „oben nach unten“ wird hier eindeutig in die Ordnungen des Fleisches gestellt. Man kann damit also nicht wirklich argumentieren, wenn es um das verhandelte Phänomen geht. Tatsächlich spricht Paulus davon, dass das „Gesetz“ verändert werden muss.

    Es ist vielmehr die Frage, was hier bei diesem inszenierten segen überhaupt Objekt des Segens ist. Wer segnet und vermittelt dabei wem was – das ist die Frage!

    Ich war nicht dabei und müsste das selbst genauer gesehen oder erlebt haben, um das zu beurteilen. ich weiß aber, dass Franziskus Ähnliches schon mehrfach selbst so gemacht hat. Man kann also als Katholik schwerlich dagegen irgendwie auftrumpfen, wenn man „papsttreu“ ist.

    Ob wir also mit dieser Art von „Gegenargumenten“ irgendetwas bewirken können?
    Ich glaube es eher nicht.

    Wie schon öfters denke ich, müsste auf eine solche Verwüstung des Glaubens, wie er vor unseren Augen steht, nicht irgendwelches Segensgedöhns oder gar ein Gefeilsche darum, wer höher steht und wem welchen Segen erteilen „darf“, sondern tiefe Bestürzung über den eigenen Zustand folgen und eine Bußhaltung, die allemal davon ausgeht, dass man selbst segensbedürftig ist, aber nicht, um gleich zu neuen Gigantenleistungen „aufzubrechen“, sondern um in sich zu gehen und einmal auf der Stelle zu treten, bis Gott sich den Raum gewinnen konnte, den Er bräuchte, um in unseren Grabenkriegen noch gehört zu werden.

    Und ich fürchte, das sind wir seinem Wirken allesamt mehr als ein Hindernis. So oder so.

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