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Die tiefe Sehnsucht des Menschen und seine Erfüllung in Jesus Christus

Von Pater Dr. Martin Linner SJM

Wir Menschen wollen glücklich sein. Wir wollen ein erfülltes Leben. Eine regelrechte Wellness- und Entertainmentindustrie hat sich zur Aufgabe gemacht, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.

Der Wunsch nach Glück ist dabei nicht neu. Er ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon der Patriarch Jakob wünscht seinem Sohn Josef geheimnisvoll den „Segen der uralten Berge, den man von den ewigen Hügeln ersehnt“ (Gen 49,26).

Aber es geht nicht nur um die Sehnsucht Israels, es geht um die Sehnsucht der Völker.

So schildert der Philosoph Platon in seinem Werk „Symposion“ (416 v. Chr.) die Rede des Aristophanes. Der junge Dichter erzählt eine Sage. Früher seien die Menschen „rund“ gewesen, sogenannte „Kugelmenschen“. Sie hätten die Form der vollkommensten geometrischen Figur gehabt – ein Bild für ihr inneres Glück.

Trotzdem scheint ihnen etwas gefehlt zu haben, denn sie fassten den Plan, sich zum Götterberg Olymp zu erheben. Der Göttervater Zeus reagierte unwillig über diese Anmaßung und zerteilte in göttlichem Zorn alle Menschen. Denn als Halbkugeln hatten sie nicht mehr die Kraft, sich zum Himmel emporzuschwingen. Sie waren aber auch nicht mehr vollkommen. Sie waren vielmehr Getriebene, unablässig auf der Suche nach ihrer zweiten, ihrer „besseren“ Hälfte.

Dann beginnt Aristophanes die mythologische Erzählung zu deuten und erklärt, dass sich die Sehnsucht des Menschen vor allem nach sexueller Vereinigung richte. Sobald diese Erfüllung da sei, so huldigt der Dichter schließlich dem griechischen Gott Eros, sei alles Übrige in Ordnung.

Für Sokrates († 399 v. Chr.), den eigentlichen Helden in Platons Schriften, ist diese Annahme nicht ganz falsch, aber doch eine sehr oberflächliche Deutung. Er ist der Überzeugung, dass es bei der innersten Sehnsucht des Menschen weniger um die Befriedigung sexueller Lust, sondern um das Schöne und Gute an sich geht.

Eine Fixierung auf den Eros und körperliche Schönheit mag nach Sokrates für den Menschen in der Pubertät gelten.

In einem geistig reiferem Alter – obgleich manche Menschen nach Sokrates immer in dieser Form von Pubertät bleiben – gewinnt die charakterliche Schönheit maßgebliche Bedeutung. Nach der Formung des Charakters kann der Mensch eine weitere Stufe erklimmen und sich nach der Theorie des Schönen ausstrecken. Natur Mensch Umwelt

Das griechische Wort „Theoria“ kann mit „Schau“ übersetzt werden, d. h. jetzt geht es um die „Schau der Schönheit“. Für den Mathematiker ist das die Schönheit der mathematischen Formeln und geometrischen Figuren, für den Musiker die Schönheit der Harmonien, für den Philosophen die Schönheit des Seins oder des Kosmos.

Damit ist für Sokrates die Sehnsucht des Menschen aber noch nicht gestillt, denn er wird am Ende dieses Weges fragen: Was ist die Schönheit an sich?

Nach Platon und Sokrates existieren die konkreten Dinge nur, weil es eine ewige Idee davon gibt. Es gibt Bäume, Berge, aber auch Gerechtigkeit oder Frieden nur, weil es eine ewige Idee von ihnen gibt.

Über all diesen Ideen steht die höchste, absolute Idee – die Idee des Schönen und des Guten

Im Zuge der platonischen Ideenlehre machen Philosophen bis in unsere Tage hinein eine Identität zwischen der „absoluten Idee“ und Gott aus. Wenn Gott absolut ist und es absolute, d.h. nicht bloß relative Ideen gibt, ist Gott selbst der Inbegriff des Guten und Schönen.

Diese Deutung ist nicht neu. Bereits der von Platon geprägte jüdische Denker Philon von Alexandrien († nach 40 n. Chr.) erkennt im „Ideenkosmos“ das erste Abbild Gottes, ja Gottes Vernunft (griechisch „Logos“).

Der heilige Kirchenvater Augustinus geht noch weiter. Er identifiziert die göttliche Vernunft, in der alle Ideen enthalten sind, mit Gottes fleischgewordenem Wort (griechisch wieder „Logos“), mit Jesus Christus selbst.

Was heißt das für den Menschen?

Für Platon bedeutet Erfüllung der Sehnsucht eine Angleichung oder Anähnlichung an die Gottheit. Möglich macht das die bestehende Verwandtschaft der unsterblichen Seele des Menschen mit dem Göttlichen.

Im Christentum geht es um eine Verähnlichung mit Gott bzw. mit Christus. Aber auch um wirkliche Verbindung und Ergänzung.

Mit dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes glauben wir, dass Gott selbst gleichsam „Halb-Kugel“ wird, unsere „bessere Hälfte“, um sich mit uns zu verbinden. Der Christ richtet seine Sehnsucht nicht nur nach einer geistigen Idee. Als Leib-Seele-Wesen braucht er die gott-menschliche Nähe, die gott-menschliche Verbindung, um sein innerstes Sehnen zu stillen.

Während sich die Kugelmenschen des Aristophanes nicht zum Götterberg emporbegeben durften, erhebt uns Gott zur himmlischen Gemeinschaft. Er schenkt uns bereits auf Erden durch seine Menschwerdung und die Sakramente eine wirkliche Verbundenheit mit seinem göttlichen Leben, das seine Vollendung einmal in der himmlischen Glückseligkeit finden wird – und zwar nicht nur geistig-seelisch, sondern auch mit dem zur Auferstehung geführten Leib. Wir dürfen den Absoluten „schauen“.

Dionysius der Karthäuser († 1471) lässt Christus die Verbindung des Menschen mit dem fleischgewordenen Gott so beschreiben:

Adam sagte: „Dies endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Dies ist die Kirche. Sie ist durch das Blut meines Leibes gebildet und ist mir teuer wie mein eigenes Fleisch und Blut.“

Und Dionysius erklärt weiter:

Darum verlässt der Mann Vater und Mutter“ (Gen 2,24). D. h. Christus verlässt durch sein Kommen in die Welt gleichsam den Vater und die Mutter, das bedeutet die Synagoge, und bindet sich an seine Frau (ebd.), die die Kirche ist. Und sie, Christus und die Kirche, werden ein Fleisch (ebd.), d. h. er errichtet den einen mystischen Leib, dessen erstes Haupt er, Christus ist“ (Kol 1,18).

Christus verbindet sich mit jedem einzelnen Menschen, ganz eindrucksvoll im Sakrament der heiligen Eucharistie.

Diese Verbindung ist möglich durch das Weihnachtsgeheimnis: „Der Logos – das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). In der Menschwerdung Jesu Christi verwirklicht sich der Segen Jakobs. Nicht von ungefähr bildet er auch eine Anrufung der Herz-Jesu-Litanei: „Herz Jesu – Sehnsucht der ewigen Hügel!“

Dabei erfüllt Jesus nicht nur diese Sehnsucht, sondern er ist die „Sehnsucht der ewigen Hügel“ selbst, er in Person.

Wir danken dem Autor für seine freundliche Abdruckserlaubnis.  – Erstveröffentlichung des Beitrags in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Pfadfinder Mariens“, die von der KPE (Kath. Pfadfinderschaft Europas) herausgebracht wird.

Kommentare

3 Antworten

  1. ……..
    „Mit dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes glauben wir, dass Gott selbst gleichsam „Halb-Kugel“ wird, unsere „bessere Hälfte“, um sich mit uns zu verbinden. Der Christ richtet seine Sehnsucht nicht nur nach einer geistigen Idee. Als Leib-Seele-Wesen braucht er die gott-menschliche Nähe, die gott-menschliche Verbindung, um sein innerstes Sehnen zu stillen.

    Während sich die Kugelmenschen des Aristophanes nicht zum Götterberg emporbegeben durften, erhebt uns Gott zur himmlischen Gemeinschaft. Er schenkt uns bereits auf Erden durch seine Menschwerdung und die Sakramente eine wirkliche Verbundenheit mit seinem göttlichen Leben, das seine Vollendung einmal in der himmlischen Glückseligkeit finden wird – und zwar nicht nur geistig-seelisch, sondern auch mit dem zur Auferstehung geführten Leib. Wir dürfen den Absoluten „schauen“.

    Dionysius der Karthäuser († 1471) lässt Christus die Verbindung des Menschen mit dem fleischgewordenen Gott so beschreiben:

    Adam sagte: „Dies endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Dies ist die Kirche. Sie ist durch das Blut meines Leibes gebildet und ist mir teuer wie mein eigenes Fleisch und Blut.“

    Und Dionysius erklärt weiter:

    „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter“ (Gen 2,24). D. h. Christus verlässt durch sein Kommen in die Welt gleichsam den Vater und die Mutter, das bedeutet die Synagoge, und bindet sich an seine Frau (ebd.), die die Kirche ist. Und sie, Christus und die Kirche, werden ein Fleisch (ebd.), d. h. er errichtet den einen mystischen Leib, dessen erstes Haupt er, Christus ist“ (Kol 1,18).

    Christus verbindet sich mit jedem einzelnen Menschen, ganz eindrucksvoll im Sakrament der heiligen Eucharistie.

    Diese Verbindung ist möglich durch das Weihnachtsgeheimnis: „Der Logos – das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). In der Menschwerdung Jesu Christi verwirklicht sich der Segen Jakobs. Nicht von ungefähr bildet er auch eine Anrufung der Herz-Jesu-Litanei: „Herz Jesu – Sehnsucht der ewigen Hügel!“

    Dabei erfüllt Jesus nicht nur diese Sehnsucht, sondern er ist die „Sehnsucht der ewigen Hügel“ selbst, er in Person.“

    Dazu sei angemerkt:
    Gut 50 Jahre nach der gegen enorme Widerstände innerhalb und gegen gewisse Kreise außerhalb der Kirche immerhin zustandegekommenen Erklärung des 2. Vatikan. Konzils „Nostra aetate, 4. Kapitel über das Verhältnis der Kirche zum Judentum muss man es – milde ausgedrückt – schon sehr verwunderlich nennen, was Pater Dr. Martin Linner SJM hier geblümt mit ein wenig Gelehrsamkeit auftischt.

    Ich muss nur einen Passus aus dem angewelkten Geblüm herausgreifen, um darzulegen, dass es sich dabei eindeutig um die antijüdische sog. „Substitutionstheorie“ handelt und die von „Nostra aetate“, gestützt vor allem auf Paulus in Röm 9-11, in einer erstaunlichen Kehrtwende zurückgewiesen wurde:

    „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter“ (Gen 2,24). D. h. Christus v e r l ä s s t durch sein Kommen in die Welt gleichsam den Vater und die Mutter, d a s
    b e d e u t e t die S y n a g o g e, und bindet sich an seine Frau (ebd.), die die Kirche ist. Und sie, Christus und die Kirche, werden ein Fleisch (ebd.), d. h. er errichtet den einen mystischen Leib, dessen erstes Haupt er, Christus ist“ (Kol 1,18).

    Das „Israel Gottes“ ist und bleibt auch nach dem Auftreten des Christus Jesus aus Nazareth und seiner nach Jesu Tod und Auferstehung sich formierenden „Versammlung“ (= ekklesia, Kirche) aus Juden und Nichtjuden das von Gott ungekündigte Bundesvolk Gottes. Ihr verdankt das „Christentum“ alles Wesentliche am Offenbarungsglauben, was in der Einheit des AT uns NT in Form des Katholischen Kanons schriftlich ausgesagt ist und im Apostolischen Glaubensbekenntnis in der Wir-Form und in der Ich-Fom bezeugt wird. D.h. dem Volk Israel verdankt es nicht nur den Glauben an den einen Gott des „Abraham, Isaak und Jakob“ und an den präexistenten und universalen „Schöpfer des Himmels und der Erde“, sondern eben auch den aus ihm hervorgesprossten jüdischen Messias.

    Die zwei Naturen in Christus und der von ihr geleiteten Kirche als jeweilige Halb-Kugeln aufzufassen und als Glaubenssalat aufzutischen ist irre.
    Die Klärung dieser Frage geschah in einer langen Auseinandersetzung bis ins 5./6. Jh. n.Chr., bis Christus Jesus als wahrer Gott („Sohn“ als zweite Person der Dreifaltigkeit) und wahrer Mensch zugleich, und zwar „unvermischt und ungetrennt“ definiert werden konnte.

    Noch irrer (schlampiger) ist die Lesart des Paters von Gen 49,26:
    Schon der Patriarch Jakob wünsche seinem Sohn Josef geheimnisvoll den „Segen der uralten Berge, den man von den ewigen Hügeln ersehnt“ (Gen 49,26).
    Richtig heißt es dort: „Deines Vaters Segen ü b e r t r i f f t den Segen der uralten Berge, das Verlangen der ewigen Hügel. / E r komme auf Josefs Haupt, / auf das Haupt des Geweihten der Brüder.“

    Dringend zu klären wäre außerdem, was wirklich in Gen 2,24 gemeint ist und was im Urtext des Christushymnus in Kol 1,18 steht!

  2. Die Orthodoxen bezeichnen als Ziel des Menschen die Theosis. Jesus Christus „gleichgestaltet“ werden nennt das der Apostel Paulus. Gott hat durch die Inkarnation das Menschsein in sich aufgenommen, damit wir Anteil an seinem Wesen haben können. Das ist unser wahres Glück.

  3. Siehe auch Elias Erdmann und den jüdischen Religionswissenschaftler Gershom Scholem und den Benediktiner Odo Casel zur jüdisch-christlichen Theologie und Logos-Theologie und Philo(n) von Alexandrien und der mystischen biblischen und hermetischen Symbolik und den Internetauftritt des Rüggeberg-Verlages.

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