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Religionslehrerin Dr. Elisabeth Schmitz als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt: Feierliche Zeremonie in Hanau

„Von meiner Patentante habe ich gelernt, dass man seinen Worten auch Taten folgen lassen muss,“ sagte Peter Loewenberg.  Als die NS-Diktatur sie herausgefordert habe, sei sie ihren Überzeugungen treu geblieben und habe dementsprechend gehandelt: „Auf Jiddisch sagen wir: Sie war ein mentsch.“

Loewenberg war eigens aus den USA angereist, um bei einer feierlichen Zeremonie, die gestern in Schloss Philippsruhe in Hanau stattfand, an seine Patentante Dr. Elisabeth Schmitz zu erinnern, die von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem posthum (nach ihrem Tod) als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannt wurde. BRD + Israel

Yad Vashem erinnert mit der Vergabe dieses Ehrentitels im Namen des Staates Israel und des jüdischen Volkes an die Nicht-Juden, die ihr Leben riskierten, um während des Holocaust Juden zu retten, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten. Dies ist die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nicht-Juden vergibt.

Aus den Händen des Gesandten Emmanuel Nahshon nahm der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky die Yad Vashem-Medaille und die Urkunde stellvertretend entgegen. Eingerahmt wurden Nahshon und Kaminsky von Schülern der Hanauer Karl-Rehbein-Schule, in der Schmitz von 1946 bis 1958 unterrichtete. In deren „Elisabeth-Schmitz-Bibliothek“ werden die Medaille und Urkunde in Zukunft Teil der dortigen Dokumentation des Wirkens der Geehrten im Widerstand sein. 


Der Gesandte der Botschaft, Emmanuel Nahshon (rechts), überreicht die Medaille an OB Claus Kaminsky (Foto: Medienzentrum Hanau)  

An die Schülerinnen und Schüler gewandt sagte Nahshon: „Sie können stolz darauf sein, dass eine Frau mit einer solchen Vorbildfunktion Bürgerin Ihrer Stadt war. Es ist wichtig, dass Sie, die jungen Menschen, die Erinnerung an Elisabeth Schmitz weiter bewahren.“

Auch Oberbürgermeister Kaminsky betonte: „Für uns in Hanau ist Elisabeth Schmitz ein leuchtendes Beispiel für Zivilcourage.“


Yad Vashem-Urkunde von Elisabeth Schmitz(Foto: Medienzentrum Hanau)

In Yad Vashem sind einige Fälle dokumentiert, die zeigen, wie Elisabeth Schmitz während der NS-Zeit verfolgten Juden zu Hilfe kam. Der am ausführlichsten beschriebene Fall ist der von Liselotte Pereles.

Diese Rettungsgeschichte fand in Berlin statt. Hier unterrichtete Dr. Elisabeth Schmitz seit 1929 als Studienrätin für Deutsch, Geschichte und evangelische Religionslehre am Berliner Luisen-Oberlyzeum. Sie gehörte ab dem Frühjahr 1933 zu einer kleinen Gruppe von Lehrerinnen und Schülerinnen, die sich gegen die nationalsozialistischen Eingriffe in das Schulleben wehrten und sich schützend vor jüdische Schülerinnen stellten. Im Jahr 1935 wurde sie deshalb an eine andere Schule strafversetzt.

Nach der Pogromnacht im November 1938 traf sie die Entscheidung, ihre Tätigkeit als Lehrerin aufzugeben. In ihrem Entlassungsgesuch vom 31.12.1938 schrieb sie: „Es ist mir in steigendem Maße zweifelhaft geworden, ob ich den Unterricht bei meinen rein weltanschaulichen Fächern Religion, Geschichte und Deutsch so geben kann, wie ihn der nationalsozialistische Staat von mir erwartet und fordert. Nach immer wiederholter eingehender Prüfung bin ich schließlich zu der Überzeugung  gekommen, dass das nicht der Fall ist. Da dieser dauernde Gewissenskonflikt untragbar geworden ist, sehe ich mich genötigt, den obigen Antrag zu stellen.“

Am 1.4.1939 trat sie in den vorzeitigen Ruhestand. Seit 1934 war Elisabeth Schmitz aktives Mitglied der Bekennenden Kirche. In ihrer rund 20-seitigen Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ von 1935/36 forderte sie die Bekennende Kirche auf, öffentlich gegen die Verfolgungen der Menschen jüdischer Herkunft einzutreten.

In einem Nachtrag, den sie nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze 1935 verfasste, schrieb sie: „Es ist keine Übertreibung, wenn von dem Versuch der Ausrottung des Judentums in Deutschland gesprochen werden muss.“  – Ihre anonyme Schrift vervielfältigte sie und verteilte sie in 200 Kopien, doch sie blieb von den kirchlichen Leitungsgremien unbeachtet.

In Deutschland versuchten zwischen 10.000 bis 12.000 Juden, sich durch die Flucht in den Untergrund der Deportation zu entziehen, vermutlich mehr als die Hälfte davon in Berlin. Überlebt haben etwa 5000 Untergetauchte, davon rund 1700 in Berlin. Möglich war ein Leben in der Illegalität nur mit der Unterstützung vieler Helfer. Frau Dr. Elisabeth Schmitz agierte in einem Helfernetzwerk in Berlin, das für verfolgte Juden Verstecke in Berlin, Brandenburg, Ostpreußen und im Elsass organisierte.

Trotz der Gefahren, die ihr Handeln für sie selbst haben konnte, nahm  Elisabeth Schmitz die verfolgte Jüdin Liselotte Pereles im Jahr 1943 in ihrer Wohnung in Berlin auf. Über zwei Jahre lang  –  von Februar 1943 bis zur Befreiung im Mai 1945  –  musste Lieselotte Pereles im Untergrund leben und ihre illegalen Quartiere häufiger wechseln.

Nach dem Krieg gab Pereles folgende Erklärung ab:

„Fräulein Dr. Elisabeth Schmitz hatte mir während meiner Illegalität als jüdischer Flüchtling des öfteren Zuflucht in ihrer Wohnung in Berlin (…) gegeben. (…) Ich hatte im Mai/Juni und im Okt./Nov. 1943 bei ihr gewohnt. Auch zwischendurch an Wochenenden stand mir ihre Wohnung zur Verfügung. Als im Nov. 43 die Wohnung von Frl. Dr. Schmitz durch Bomben zerstört wurde, hatte sie mir weiter geholfen und zwar oft mit Geld und Lebensmittelmarken. Es ist mir bekannt, daß Frl. Dr. Schmitz noch anderen jüdischen Menschen in gleicher Weise wie mir geholfen hat.“


Ehrung für Elisabeth Schmitz (Foto: Medienzentrum Hanau)

Auch mit Hilfe von Elisabeth Schmitz gelang es Lieselotte Pereles zu überleben. Elisabeth Schmitz half auch anderen Verfolgten. So fand der Jugendliche Klaus Mühlfelder im Jahr 1943 für einige Zeit Unterschlupf bei ihr. Auch in ihrem Haus am Wandlitzsee, das sie einem befreundeten jüdischen Ehepaar vor dessen Auswanderung abgekauft hatte, brachte Schmitz während des Krieges verfolgte Juden unter, u.a.  im Jahr 1940 für einige Wochen Margarete Koch-Levy.

Im Frühjahr 1943 vermietete sie das Haus am See an das Ehepaar Dr. Peter und Irma Löwenberg, die als „Mischlinge ersten Grades“ Schwierigkeiten hatten, eine Wohnung zu finden. (Peter und Irma Löwenberg baten Elisabeth Schmitz nach dem Krieg, die Patentante ihres 1946 geborenen Sohnes Peter zu werden.) Im Jahr 1943 verbrachte das fünfjährige jüdische Mädchen Evelyn Goldstein einige Zeit im Haus am Wandlitzsee, bevor es  –  wohl auch mit der organisatorischen Hilfe von Elisabeth Schmitz  –  in ein Versteck in Ostpreußen gebracht werden konnte und dort überlebte.

Außer in Berlin und in Hanau wird an die „stille Heldin“ Elisabeth Schmitz auch in Jerusalem erinnert. Ihr Name wird auf der Erinnerungswand im „Garten der Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem in Jerusalem verewigt.

Quelle (Text/Fotos): Israelische Botschaft in Bonn

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