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Dr. Michael Kiworr: „Der §218 – ein juristischer Salto mortale“

Interview mit einem Gynäkologen über sein neues Buch „Abtreibung in Deutschland“

Soeben erschien „Abtreibung in Deutschland“. Autor ist der Oberarzt für Gynäkologie, Dr. Michael Kiworr. Die online-Publikation „Bonner Querschnitte“ befragte den Mediziner im folgenden Interview zu seinem Buch und zu aktuellen Lebensrechts-Themen:

Ist das Thema „Abtreibung“ nicht gesellschaftlich längst abgehakt? Warum dann ein neues Buch?

Dr. Kiworr: Vielfach erscheint das Thema tatsächlich „abgehakt“ und es ist erstaunlich „ruhig“ geworden diesbezüglich. Dabei sollte einen diese Thematik bei näherer Betrachtung vielmehr unruhig werden lassen! Abtreibungen wurden in die Hände von „Spezialisten“ wie Ärzten, Juristen und Beratungsgestellen gelegt  –  was somit bezüglich Abtreibungen tatsächlich geschieht, bekommt die Gesellschaft kaum noch mit oder will es nicht mitbekommen.

Daher dieses Buch  –  um die massive Abtreibung von Kindern öffentlich zu machen, die Folgen von Abtreibungen für die Betroffenen aufzuzeigen und Wege aus dieser Missachtung des Lebensrechtes ungeborener Kinder aufzuzeigen.

Auch unter Christen besteht viel Unwissenheit, was bezüglich Abtreibungen in ihrem nächstem Umkreis geschieht und welche klaren Aussagen sich in der Bibel hierzu finden. Zudem wird es Zeit für ein aktuelles Buch zu diesem Thema, denn die derzeitige Abtreibungsregelung mit Beratungsfrist sollte nur dann Bestand haben, wenn sie nachweislich zu einem Rückgang der Abtreibungszahlen führt – und dies ist nicht der Fall: Zwar sind die absoluten Abtreibungszahlen zeitweise leicht zurückgegangen, die Geburtenzahlen insgesamt aber auch. Die RATE an Abtreibungen ist somit unverändert hoch Die bisherige gesetzliche Regelung hat ihr Ziel klar verfehlt, das Lebensrecht ungeborener Kinder besser zu schützen.

Ist der Mutterleib in Deutschland ein rechtsfreier Raum? Immerhin gilt ja das Ungeborene dennoch als Mensch!?

Die diesbezügliche juristische Regelung ist ein Thema für sich. Zweifelsohne existieren klare Gesetze (wie der bekannte §218), die das Leben eines auch noch nicht geborenen Kindes im Mutterleib schützen sollen.

Es gibt auch Urteile selbst des Bundesverfassungsgerichtes, die das Lebensrecht und die Würde des Menschen, die im Grundgesetz verankert sind, eindeutig auch auf ungeborene Kinder beziehen.

Gleichzeitig gibt es aber zahlreiche Ausnahmeregelungen: Nach bestimmten Fristen (die sich weder medizinisch noch theologisch begründen lassen, sondern allenfalls willkürlich-historisch), nach Beratungen (deren Qualität jedoch nicht überprüft wird) oder bei bestimmten Indikationen (die nahezu beliebig ausdehnbar sind)  ist ein Schutz des Kindes praktisch nicht mehr gegeben und der Schwächere (das Kind) den Interessen des Stärkeren nahezu schutzlos ausgeliefert.

Namhafte Juristen bezeichnen diese widersprüchliche Gesetzgebung, die einerseits Abtreibung als Unrecht benennt und unter „Straftaten gegen das Leben“ auflistet, andererseits aber mit den zahlreichen Ausnahmeregelungen jeden Schutz praktisch verwehrt und eine Abtreibungen ohne Verfolgung der Straftat geschehen lässt, als einen juristischen Salto mortale, der nicht mehr vermittelbar ist.

Nun kann ja der Einzelne nicht einfach das Gesetz ändern? Was kann der Einzelne konkret tun? 

Eine ganze Menge! Jeder steht in der eigenen persönlichen Verantwortung!

Als erste konkrete Anregung sehe ich das Gebet – ist die Abtreibungsproblematik um uns herum ein Herzensanliegen, beten wir für das Leben von ungeborenen Kindern, aber auch für die Situation der Schwangeren, für die Verantwortlichen in Beratungsorganisationen und das medizinische Personal sowie die politischen Entscheidungsträger?

Es gibt noch weitere konkrete Möglichkeiten:

Machen wir in unserem jeweiligen Umfeld deutlich, das eine Abtreibung eine unwiderrufliche Tötung des ungeborenen Kindes bedeutet und stehen wir für den Schutz des Lebens ein?

Stehen wir einer Schwangeren in ihren Sorgen und Nöten konkret zur Seite? Erkennen wir, in welcher Verzweiflung und (auch zeitlichen) Bedrängnis sich die Schwangere oder das Paar womöglich befinden und wie sehr sie Unterstützung nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten benötigen? Sind wir bereit, ihnen persönlich zu helfen und machen wir ihnen Mut? Wissen Betroffene um uns herum, dass sie mit solchen Sorgen und Nöten zu uns kommen können, ohne verurteilt zu werden?

Zeigen wir den Betroffenen verbunden mit echter Unterstützung wirkliche Alternativen zur Abtreibung auf?

Brechen wir das Schweigen bezüglich Abtreibungen angesichts der Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit ungeborener Kinder?

Klären wir Heranwachsende entsprechend auf, damit eine Schwangerschaft erst gar nicht zu einem Konflikt wird?

Falls eine Abtreibung geschehen ist – zeigen wir der betroffenen Frau gegenüber Hilfe und die Möglichkeit der Vergebung durch Jesus Christus auf?

Dies sind nur ein paar Anregungen – mehr dazu findet sich in dem Buch. Aber nur wenn Christen hier aktiv werden, werden Abtreibungen verhindert

Dann sprechen Sie die psychischen Folgen für Betroffene an.  Kann man das wirklich nachweisen? Oder werden hier Einzelfälle aufgebauscht?

Wenn man den meisten Abtreibungsbefürwortern, „pro“-familia oder auch Wikipedia Glauben schenken würde, so wären psychischen Folgen entweder kaum erwähnenswert oder nicht nachgewiesen bzw. umstritten. Solche Behauptungen widersprechen jedoch neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Dass Abtreibungen psychische Folgeschäden bei den Schwangeren hinterlassen, kann nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand nicht mehr in Frage gestellt werden (auch wenn es immer wieder fragwürdige Studien gibt, die versuchen, das Gegenteil zu beweisen).

Eine Studie des  –  in Fachkreisen hoch angesehen  –  „British Medical Journal“ wies eine um das 6-fache erhöhte Selbstmordquote nach Abtreibungen gegenüber ausgetragenen Schwangerschaften nach.

Selbst Krankenkassen berichten von behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen nach Abtreibungen in Höhe von 34%.  Insgesamt dürfte die tatsächliche Rate an psychischen Folgeerkrankungen bei bis zu 80% liegen.

Dennoch leugnen viele Abtreibungsbefürworter weiterhin das hohe Risiko für psychische Spätfolgen – und führen so Betroffene fahrlässig in die Irre.

Angesichts der so oft verschwiegenen psychischen Not, die durch Abtreibungen verursacht wird, muss klar gesagt werden: Wer die Gesundheit und das Wohl von Frauen tatsächlich und auch langfristig im Blick hat, der schützt Frauen vor Abtreibungen und deren Folgen …

Der Bundestag hat kürzlich – wenn auch eng begrenzt – die PID zugelassen. Ihr Kommentar?

Zunächst ist es erfreulich, dass hierzu eine öffentliche Diskussion stattfand und herkömmliche Parteigrenzen aufgebrochen wurden. Bedauerlicherweise wurde dem massiven Druck von Lobbyisten und einigen Reproduktionsmedizinern nachgegeben, die PID in gewissen Grenzen zuzulassen   – und damit den bisherigen Schutz von Embryonen aufzugeben.

Dies ist auch deshalb bedauerlich, da bei einer klaren Ablehnung der PID mit echter Berücksichtigung des Schutzes von Embryonen auch die derzeitige Abtreibungsregelung auf den Prüfstand gemusst hätte.

Letztendlich wirft die derzeitige Regelung zur PID viele Fragen auf: Wer soll den Ethikkommissionen angehören, die nun zu entscheiden haben, ob ein Kind mit einer bestimmten Erkrankung als lebensunwert angesehen wird?

Wer soll entscheiden, welche Erkrankungen „schwer“ sein sollen und welche nicht? Was ist mit der Fehlerquote der PID?

Und was ist mit den Risiken für den zu untersuchenden Embryo? (Eine niederländische Studie, die neurologische Spätschäden bei Kindern nach PID feststellte, wurde erst wenige Tage nach Entscheidung des Bundestages zur PID veröffentlicht …)

Ein leitender Gynäkologe hat es treffend formuliert: „Vorgeburtliche Diagnostik ist ein hochtrabender Begriff für eine Medizin, die eigentlich in vielen Fällen reine Selektion bedeutet.“

Und der ehemalige Chefredakteur des deutschen Ärzteblattes nahm zur PID folgendermaßen Stellung: „Wenn mit der PID die Grenze zur Selektion ungeborenen Lebens überschritten wird  –  und das wird sie, man mag noch so verhüllende Bezeichnungen wählen  – , dann wird diese Entwicklung von den wohlwollenden, wohlmeinenden Wissenschaftlern und Ärzten nicht mehr zu steuern sein.“

Buch-Daten:
Michael Kiworr. Abtreibung in Deutschland.
Schriftenreihe des Instituts für Lebens- und Familienwissenschaften. Band 7.  –  Verlag für Theologie und Religionswissenschaft: Nürnberg, 2011.  –  164 S., Pb., 14.80 €. –   ISBN 978-3-941750-31-9 (VTR)
 
Zur Person:
Dr. Michael Kiworr, geb. 1967, legte das Staatsexamen nach seinem Medizinstudium an der Universität Mainz ab und arbeitete als Student und Arzt zeitweise in England, Indien, Kenia und Sri Lanka. Nach seiner Dissertation in der Inneren Medizin und Ausbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Frankfurt schloss sich die Fachweiterbildung in spezieller Geburtshilfe und Gynäkologie sowie der operativen Gynäkologie und gynäkologischen Onkologie an. Als überzeugter Christ schloss er zudem eine mehrjährige berufsbegleitende theologische Ausbildung am Bibelseminar Königsfeld im Jahre 2009 ab. Er ist seit 2002 verheiratet und lebt zur Zeit in Baden-Württemberg, wo er Vortragstätigkeiten und verschiedenen Aufgaben in seiner dortigen Gemeinde und als Oberarzt in einer Klinik nachgeht.
 
Bestellung:
Das Buch kann über den Buchhandel oder online bezogen werden unter:http://www.vkwonline.de/Verlag-fuer-Kultur-und-Wissenschaft/Sozialethik/Schriftenreihe-des-Instituts-fuer-Lebens-und-Familienwissenschaften/Abtreibung-in-Deutschland.html?listtype=search&searchparam=kiworr 

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