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Gerhard Hirschfelder: Vom iugendbewegten Kaplan zum Märtyrer in Dachau

Von Felizitas Küble

Am 19. September 2010 wurde der schlesische Jugendseelsorger Gerhard Hirschfelder im Paulusdom von Münster zur Ehre der Altäre erhoben. Es war die erste Seligsprechung in der westfälischen Bischofsstadt seit 2000 Jahren.

Der 1942 im KZ Dachau verstorbene Geistliche (siehe Foto) gilt als Vorbild christlicher Tapferkeit, als großer Bekenner und zugleich als Brückenbauer zwischen Deutschland, Polen und Tschechien.

Der neue Selige wirkte einst als Kaplan in der schlesischen Grafschaft Glatz, damals eine deutsche Grenzregion unweit Böhmens, die kirchenrechtlich zu Prag gehörte; infolge der Vertreibung der Deutschen ab 1945 kam das Gebiet unter polnische Verwaltung.

Heute soll der Priester Hirschfelder, der ein Vorbild im Leben und im Sterben war, vor allem Deutsche, Polen und Tschechen im Glauben verbinden und zur Verständigung unter diesen Nachbarvölkern beitragen.

Mit einer Seligsprechung wird durch ein Dekret des Papstes festgestellt, daß ein von vielen Katholiken geschätzter „Diener Gottes“ besonders vorbildlich aus dem Glauben lebte und daß er regional verehrt werden darf (meist bezogen auf sein Heimatbistum).

Der am 17. Februar 1907 in der schlesischen Grafschaft Glatz als uneheliches Kind geborene Gerhard Hirschfelder studierte an der Universität Breslau Philosophie und Theologie.  Am 31.1.1932 wurde er von Kardinal Bertram zum Priester geweiht. Nach seiner Kaplanszeit in Grenzeck  ernannte ihn sein Bischof zum verantwortlichen Jugendseelsorger für das ganze Bistum Glatz.

Diese Aufgabe paßte zu Kaplan Hirschfelder wie angegossen, war er doch bereits als Heranwachsender von der katholischen Jugendbewegung „Quickborn“ geprägt, die der bekannte Priester und Schriftsteller Romano Guardini leitete.

Kaplan Hirschfelders Wirken war stark vom „jugendbewegten“ Geist geprägt:   Er ging mit den jungen Leuten auf Fahrt und ins Zeltlager, spielte in froher Runde die Klampfe (Gitarre), sang Volks- und Fahrtenlieder mit ihnen und machte mit bei Spiel und Sport; er traf sich mit der Jugend zu Glaubensstunden, die er stets mit dem Volkslied „Kein schöner Land in dieser Zeit“ beendete.

Nach Hitlers Machtübernahme am 30.1.1933 geriet Kaplan Hirschfelder immer wieder in Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen Diktatur, vor allem wegen seiner erfolgreichen Jugendarbeit.

Schon bald erfuhr die regionale NS-Parteiführung von den unerschrockenen Predigten Kaplan Hirschfelders, in denen  er sich gegen den Ungeist des Nationalsozialismus wandte und vor allem die staatliche Hetze gegen die Kirche geißelte.

Daher verhaftete die Gestapo den Priester, den sie schon vorher bespitzelt und mehrfach verhört hatte, am 1. August 1951 während einer abendlichen Jugendstunde. Nach 4 Monaten Gefängnis in Glatz wurde Kaplan Hirschfelder ins KZ Dachau eingeliefert.

Die Aktivitäten des Geistlichen waren den braunen Schergen ein Dorn im Auge, zumal er Mädchen und Jungen zu tausenden von der staatlichen „Hitlerjugend“ fernhielt  –  zumindest innerlich. Durch Musik, Gesang, Theaterspiele, Fahrt und Lager vermittelte er jungen Christen eine „fromme Fröhlichkeit“ in schwerer Zeit.

Heinrich Himmler, Reichsführer-SS und Chef der NS-Polizei, versuchte mit allen Mitteln, die kirchliche Jugendarbeit, die durch das sog. „Staatskonkordat“ geregelt war, zu erschweren. So untersagte er katholischen Gruppen z.B. das Tragen von Fahnen, Wimpeln und Uniformen. 1936 wurde die HJ (Hitlerjugend) zur alleinigen Staatsjugend erklärt. Bereits 1937 wurde Kaplan Hirschfelder wegen seiner tapferen Predigten von Denunzianten angezeigt und mehrfach von der Gestapo verhört.

Durch seine mitreißende Verkündigung und durch eine von der kath. „Jugendbewegung“ geprägte Seelsorge konnte der Geistliche viele jungen Katholiken für die Ideale des Glaubens begeistern. Daher wurden seine Predigten bespitzelt, seine Gruppenstunden überwacht und seine Wohnung mehrfach durchsucht.

Doch der junge Geistliche ließ sich durch staatliche Schikanen nicht beirren; sein geistiges Auge richtete sich auf die Ewigkeit, auf Gottes große Zukunft und seine Verheißungen.

Damals lebte die von den Nationalsozialisten ebenfalls bedrängte katholische Dichterin Ruth Schaumann, deren Lyrik vielen Menschen neuen Mut schenkte. Eines ihrer Gedichte illustriert die damalige Situation von Kaplan Hirschfelder wohl sehr treffend:

„Eine Taube auf dem Dache                                                                                             
trinkt den Regen ohne Bangen;
stürzt das Dach, so wird sie fliegend
eine andere Rast erlangen.

Und ein Korn, vom Stein zerrieben,
wird zum Staube, wird zum Mehle,
wird zum Brot, der Ärmsten Speise,
wird Gebet. – Was zagst Du, Seele?“

Die Kirchenleitung schätzte den Seeleneifer des beliebten Kaplans und ernannte ihn daher zum Jugendseelsorger der gesamten Grafschaft Glatz. Das war sicher gut für die jungen Katholiken, aber gefährlich für den Priester selbst.

Als es ihm gelang, im Juni 1941 weit über 2000 Jugendliche in Albendorf zu einem großen „Bekenntnis-Sonntag“ zu versammeln, der von Nazis gestört wurde, nahmen die Spannungen mit der kirchenfeindlichen Staatsmacht weiter zu.

Am 1. August 1941 wurde der Geistliche wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ verhaftet und ins Gefängnis nach Glatz gebracht. Dort verfaßte der Kaplan einen nachdenklichen Kreuzweg, Gebete und Gedichte, darunter die denkwürdigen Worte:

Herr, wenn man mir auch meine äußere Ehre nimmt, so bleibe ich doch ein Kind Gottes, ein Kämpfer Gottes, ein Priester Gottes  –  das kann mir niemand nehmen.“

Der Geistliche wird schon damals mit der Möglichkeit seines Todes gerechnet haben. Vielleicht erinnerte er sich dabei an das bekannte Gedicht „Letzte Worte“ der münsterländischen Poetin Annette von Droste-Hülshoff, Deutschlands größter Dichterin:

„Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
dann weint mir keine Träne nach,
denn wo ich weile, dort ist Frieden,
dort leuchtet mir ein ewiger Tag.

Wo aller Erdengram verschwunden,
soll euer Bild mir nicht vergehn,
und Linderung für eure Wunden,
für euren Schmerz will ich erflehen.“

Von Glatz aus überführten ihn die NS-Machthaber am 15. Dezember 1941 ins KZ Dachau. Dort waren mehr als 2800 katholische Geistliche inhaftiert, zudem hunderte Ordensleute.

In Priesterlager Dachau verfaßte der Kaplan 1941 das folgende Gebet, das seine innere Haltung bezeugt:

„HERR, wenn man mir auch meine äußere Ehre nimmt, ich bleibe doch ein Kind Gottes, ein Kämpfer Gottes,  ein Priester Gottes  –   das kann mir niemand nehmen. Laß mich deshalb froh bleiben in allem Leiden.“

Auch hinter Stacheldraht blieb sein Gottvertrauen unerschütterlich. In seinem seiner Briefe aus dem KZ an seine Pfarrjugend heißt es:

„Unseren wirklichen seelischen Reichtum kann die Welt nicht erkennen…und so kann der Christ, besonders der Priester, immer der fröhlichste Mensch sein.“    

Wenige Tage vor seinem Tod schrieb er an seinen früheren Pfarrer in Habelschwerdt: „So wünsche ich Dir von ganzem Herzen die Kraft, die ich selbst schöpfe aus dem Vertrauen auf die Vorsehung Gottes. Damit wollen wir in die Zukunft schauen.“

Der Jugendseelsorger war zwar ein starker Charakter, jedoch nicht von kräftiger Statur. Das unmenschliche Lagerleben im KZ Dachau richtete seine Gesundheit zugrunde. Eines Tages brach er infolge des Hungers völlig entkräftet zusammen und starb am 1. August 1942 im Alter von 35 Jahren.  Sein Heimgang zum ewigen Vater erfolgte auf den Tag genau 1 Jahr nach seiner Gefangennahme. Sein Grab erhielt der Märtyrer auf dem Friedhof in Grenzeck in der Grafschaft Glatz.

Die katholische Kirche erinnerte nach dem Tod von Kaplan Hirschfelder mit einem Andachtsbildchen an den glaubensstarken Geistlichen. Darin findet sich das verheißungsvolle Gotteswort aus dem Alten Testament: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ (Psalm 126,5)

Unsere Autorin Felizitas Küble ist Leiterin des KOMM-MIT-Verlags und Christoferuswerks in Münster

Erstveröffentlichung des Beitrags in der Zeitschrift „Theologisches“ (Nr. 1/2011)

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