Die Kritik an der „Orientierungshilfe“ des Rates der EKD (Evangelischen Kirche in Deutschland) zu Ehe und Familie reißt nicht ab. Sie kommt vermehrt aus den Reihen der eigenen Kirche.
Gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur IDEA äußerten das frühere EKD-Ratsmitglied und langjährige Präsidentin der sächsischen Landessynode, Gudrun Lindner, sowie der ehemalige Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, Prof. Axel von Campenhausen, schwere Bedenken.
In Baden haben zudem vier Pfarrer eine von 50 Geistlichen und 150 Gemeindemitgliedern unterschriebene Erklärung an Landesbischof Ulrich Fischer (Karlsruhe) überreicht, der dem Rat der EKD angehört. Darin fordern sie eine „Suspendierung“ der Orientierungshilfe.
Die Orientierungshilfe ist besonders in der katholischen Kirche und der weltlichen Presse auf meist heftige Kritik gestoßen, während es von der Mehrheit der evangelischen Kirchenleiter verteidigt wird.
Lindner ist nach dem Fernsehmoderator und Buchautor Peter Hahne das zweite ehem. Ratsmitglied, das schwerwiegende Einwände vorbringt.
Wie die Ehe- und Familienbetreuerin in einem Leserbrief an das Nachrichtenmagazin ideaSpektrum schreibt, halte sie es angesichts der sich ausweitenden allgemeinen Orientierungslosigkeit für „fahrlässig“, „das Wort Ehe in der Überschrift überhaupt nicht mehr vorkommen zu lassen und im Text eigentlich nur entschuldigend als etwas noch Vorhandenes zu thematisieren“.
Es sei auch „nicht nachvollziehbar“, wie im theologischen Teil des EKD-Papiers die Ehe als Schöpfungsordnung gänzlich hinterfragt werde. Lindner: „Ehe als Schutz der sich bildenden Familie und Familie als Teilhabe an der Schöpfungsordnung durch Zeugung, Geburt und Sorge für Kinder wird Grundlage und Voraussetzung jedes Gemeinwesens bleiben und den Lebensfluss durch die Generationen sichern einschließlich der Kranken- und Altenvorsorge.“
EKD ermutigt nicht zu Ehe und Familie
Aus ihrer 16-jährigen Erfahrung als gerichtlich bestellte Betreuerin hinterfrage sie zudem die im EKD-Papier enthaltene Feststellung, wonach Trennung und Scheidung wohl eine starke Belastung, aber keine langzeitlich nachweisbare Folgen für Kinder hätten. Ferner könne sie „handfest nachweisen“, dass von den etwa 750 Menschen, die etwa aufgrund ihrer Sucht, psychischen Erkrankung oder seelischen Behinderung durch den Betreuungsverein der Region Zwickau begleitet wurden, fast alle Trennungs- oder Scheidungsgeschichten haben.
Lindner: „Es schmerzt mich, dass die Evangelische Kirche in Deutschland wohl in der Lage ist, sozial-ethische Befunde zu kommunizieren, aber ihrer Aufgabe als richtungweisende Institution nicht nachkommt, die ermahnt und Mut macht zu dem Einzelnen und dem Gemeinwesen dienenden Gestalten von Ehe und Familie.“
„Unglaublicher“ Umgang mit der Bibel
Axel von Campenhausen würdigt, dass die über 160 Seiten zählende Orientierungshilfe den sozialen Wandel in Familie und Gesellschaft sowie den rechtlichen Rahmen darstelle, doch mangele es an theologischem Tiefgang: „Geradezu unglaublich ist der Umgang mit biblischen Befunden.“
Es werde zudem „kein Unterschied gemacht zwischen Erscheinungen, die im Zusammenleben der Menschen vorkommen, und solchen, die Billigung und Nachahmung verdienen.“ – Allgegenwärtig sei die Herausstellung homosexueller Orientierung als gleichberechtigte Lebensweise. Dementsprechend würden Aussagen der Bibel zur Ehe eines Mannes mit einer Frau und die Missbilligung der Homosexualität nicht berücksichtigt.
Die Orientierungshilfe erwecke den Eindruck, als müsse die Kirche mit ihrer Ordnung von Ehe und Familie der Veränderung des Sozialverhaltens und der staatlichen Gesetzgebung angepasst werden. Doch das treffe nicht zu.
Quelle: www.idea.de