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Erzbischof Müller: Priester, Bischöfe und Papst sind kraft ihrer Weihe "Stellvertreter Christi"

Vollständiger Wortlaut der Predigt von Bischof Gerhard L. Müller am 29.4.2012 im Hohen Dom zu Regensburg

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Meine lieben Schwestern und Brüdern in unserem gemeinsamen christlichen und katholischen Glauben!
Ich danke Ihnen allen von Herzen, dass Sie sich in so großer Zahl in unserer Kathedrale eingefunden haben.
Gemeinsam repräsentieren wir das Volk Gottes der Kirche von Regensburg und sagen IHM Dank für unseren Heiligen Vater Papst Benedikt XVI., der am 16. April seinen 85. Geburtstag feiern durfte und in diesen Tagen auf sieben Jahre seines Dienstes als Pontifex, als universaler Hirte der ganzen Kirche zurückblicken kann.
Vor einigen Tagen hat der Heilige Vater erklärt, wie die Wandlungsworte, die Jesus im Abendmahlssaal
gesprochen hat, in rechter Weise in die deutsche Sprache übersetzt werden sollen: „Pro multis“ – „für viele“, weil der eine Mittler stellvertretend für das ganze Volk eintritt.
Wir wissen, dass sich der Heilswille Gottes auf alle Menschen erstreckt. Wenn wir die Worte Jesu wörtlich wiedergeben, gilt es zu bedenken, wie groß der Radius des Heilswillens Gottes ist: Er „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,1).
Die Heiligkeit und Gerechtigkeit wird uns zuteil durch den Glauben, die Mitfeier der heiligen Mysterien und ein christliches Leben. Kürzlich war im Kommentar einer großen deutschen Zeitung zu lesen, dass es den Menschen von heute gleichgültig sei, ob Christus nun für viele oder für alle Menschen sein Blut vergossen habe. Unsere Welt sei so sehr säkularisiert, dass das Jenseits  –  das, was nach dem Tod kommt  – nicht mehr von Interesse sei.
Nach dieser Sicht der Dinge kann die Kirche allenfalls noch als eine Sozialanstalt akzeptiert werden, als eine Form von wohliger Wellness-Pflege auf dem Gebiet der Spiritualität. Als Sakrament des Heils in Jesus Christus aber habe sie ausgedient.
Wozu aucheine Kirche als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium 1), wenn doch die Notwendigkeit der Erlösung des Menschen durch Gott von vornherein ausgeschlossen wird? Dann ist auch eine Kirche, die uns dies verkündet, überflüssig geworden.
Die gegenwärtige Situation ist paradox: Wenn es um das Überleben irgendwelcher seltener Käfer geht, dann sind viele Menschen aufgebracht und engagieren sich. Wenn es aber um das eigene endgültige Schicksal und das Seelenheil der nächsten Angehörigen und Lieben geht, dann winken viele dankend und gelangweilt ab.
Ist es aber nicht wert, das endgültige Schicksal des Menschen zu bedenken, das eine Ewigkeit währen wird? Sollen wir tatsächlich alles auf die kleine kurze Zeitspanne unserer irdischen Pilgerschaft setzen?
Manche behaupten, für Christen hätte das irdische Leben keinen Wert, weil sie ganz auf die Ewigkeit ausgerichtet seien. Genau das Gegenteil ist wahr! Gerade weil es auf das Endgültige und Ewige ankommt, bekommt auch unser irdischer Lebensweg und seine Gestaltung Sinn und Bedeutung.
Es kommt darauf an in Zeit und Ewigkeit, im Gegenüber zu Gott und seinem Heilswillen die eigene Identität und die Kraft zu finden, mit den verschiedenen Situationen des Lebens in rechter Weise umzugehen: in hohen Zeiten nicht „abzuheben“ und auf „Wolken zu schweben“, die uns nicht tragen können; aber auch in schweren Zeiten, die keinem Menschen erspart bleiben, nicht in der Bodenlosigkeit zu versinken oder sich selbst aufzugeben.
Unser Glaube zeigt uns die Wahrheit Gottes, die er selbst geoffenbart hat in Jesus Christus. Dieser Glaube ist schön! Die unverlierbare Würde des Menschen besteht darin, dass Gott uns nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat.
Darum will er, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,1), der Wahrheit über die Welt und der Wahrheit über jeden einzelnen Menschen, für den Christus am Kreuz sein Blut vergossen hat.
Darum gilt, was wir in der Kurzlesung aus dem 1. Timotheusbrief gehört haben: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,5f.).
Christus ist also nicht irgendein Verkünder von menschlichen Weisheiten, kein hausgemachter Reformer oder Prophet! Seine Liebe hat er bis
zum Äußersten, bis zur Hingabe seines Lebens als Lösegeld für die Freiheit und das Heil aller Menschen bewiesen.
Der Apostel Paulus fügt aber noch ein weiteres bedeutsames Wort hinzu, das wir nicht übersehen dürfen: „Ich sage die Wahrheit und lüge nicht -, als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit“ (1 Tim 2,7). 

Paulus ist also als Lehrer, Verkünder und Gesandter Christi eingesetzt, damit niemandem die Frohe Botschaft vorenthalten wird und jeder die Chance erhält, durch die kirchliche Verkündigung und ein christliches Leben in den Kreis des Heilsgeheimnisses einzutreten und so durch Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes in ein lebendiges Verhältnis zu Gott zu gelangen.
Erst von hierher geht uns der wahre Sinn unserer Existenz, unsere eigentliche Identität auf: Wir sind kein unbedeutendes Staubkörnchen in der Wüste, kein Wassertropfen im Ozean und nicht irgendein Käfer auf dem Baum!
Wir sind „durch den Glauben Söhne [und Töchter]Gottes in Christus Jesus“ (Gal 3,26), berufen zum ewigen Leben in der Erkenntnis der Wahrheit, die Gott selber ist, in der Liebe, die Gott selber ist und die von ihm ausgeht, unser ganzes Dasein durchdringt und durch die wir in Gott vollendet werden.
Diese Wahrheit zu verkünden und zu bezeugen, ist in besonderer Weise die Aufgabe aller Apostel und ihrer Nachfolger, der Bischöfe.
In besonderer Weise aber kommt sie dem heiligen Petrus zu als Haupt des Apostelkollegiums und in seiner Nachfolge dem Papst als Haupt des Bischofskollegiums und „immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (Lumen gentium 18).
Diesen Auftrag hat Jesus einem Menschen übertragen, der  –  so wie wir alle  –  Fähigkeiten, aber auch Schwächen hatte. Jesus hat sich nicht den Allerbesten und Stärksten ausgesucht, sondern einen einfachen Fischer vom See Genezareth: Simon Barjona. Er hat ihm den Namen Petrus  – „der Fels“ gegeben, obwohl er um seine Wankelmütigkeit wusste.
So berichten es uns die biblischen Erzählungen etwa vom Irrtum des Simon, der meinte, er könne die Sendung Jesu besser interpretieren und ihn vom Leiden für das Heil der Welt abhalten (vgl. Mt 16,22), oder vom tiefen Fall des dreimaligen Verleugnens Jesu in der Nacht zum Karfreitag (vgl. Mt 26,74).
Trotzdem sagt Jesus zu ihm: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18ff.).
Nach seiner Auferstehung wird er ihn dreimal fragen „Simon, Sohn des Johannes liebst du mich?(Joh 21,15ff.) und ihm – und mit ihm seinen Nachfolgern, den Päpsten  –  den universalen Hirtendienst für die ganze Kirche mit den Worten „Weide meine Lämmer!“ „Weide meine Schafe“  übertragen.
Daher ist der Papst, der Bischof von Rom, nicht irgendeine prominente Gestalt, welche lediglich für die Sensationslust der Massen gut ist. Der Primat des Petrus und mit ihm der Primat des Papstes ist eine klare, fundamentale, das Wesen der Kirche betreffende Wirklichkeit.
Gott ist Mensch geworden. Dieses Faktum der Inkarnation ist der Grund, weswegen die Kirche auch eine menschliche Wirklichkeit ist und daher auch Menschen von Christus selber berufen werden, um als Lehrer, Hirten und Apostel nicht im eigenen Namen, sondern im Namen Jesus Christi, des Hirten und Lehrers aufzutreten und ihn zu vergegenwärtigen. Der Apostel Paulus sagt es so:
 
„Darum danken wir Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern – was es in Wahrheit ist – als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam“ (1 Thess 2,13).
„Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt“ (2 Kor 5,20). Jesus selbst sagt: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10,16).
Deshalb ist jeder Bischof und jeder Priester kraft der Weihe und Sendung durch Jesus Christus Stellvertreter Jesu Christi. Der Papst aber ist Stellvertreter Christi für die universale Kirche.
Das ist keine Anmaßung, sondern ein Auftrag: der Auftrag, das Wort Gottes auf menschliche Weise hörbar zu machen und die Gnade sichtbar in den Sakramenten zu vermitteln! So sind diese nicht nur schöne Zeichenhandlungen, die uns ästhetisch ansprechen.
Die Sakramente sind von Christus eingesetzt. Sie werden von Menschen gespendet und gefeiert und vermitteln als wirksame Zeichen das Heil, das Gott ein für allemal gewirkt hat und das in unser persönliches und in unser gemeinschaftliches Leben eindringt.
Wir Menschen sind sichtbare, lebendige und sinnenfällige Wesen; deshalb ist das Heil keine schöne platonische Idee und kein Wolkenspiel, sondern geerdet: Wir werden getauft im Wasserbad des Wortes auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
In der Firmung stärkt uns die Kraft des Heiligen Geistes. Wir werden im Sakrament genährt mit dem Fleisch und Blut Jesu Christi, weil in der Feier der Eucharistie das Opfer Christi am Kreuz für uns alle gegenwärtig wird.
Als schwache, sündige, sterbliche Menschen werden wir von Christus auch in unserer Schuld nicht allein gelassen. Durch das Wort des Priesters werden uns unsere Sünden wirklich vergeben.
Christus steht auch am Kranken- und Sterbebett an unserer Seite. Er stärkt uns durch die heilige Salbung, die der Priester vornimmt, so dass wir innere Heilung finden und vorbereitet werden für den Eintritt in das ewige Leben.
Nicht diejenigen, die am lautersten schreien, die sich für besser halten als die anderen und die jetzt das Ruder ergreifen wollen, leiten die Gemeinschaft der Kirche; vielmehr beruft Christus selbst diejenigen aus der Mitte der Kirche, denen er das Hirtenamt übertragen will.
Und schließlich die Ehe, aus der die Familie erwächst. Sie ist umfasst von der Gnade Gottes und daher im katholischen Glauben ein Sakrament.
Wenn wir all das bedenken, erschließt sich uns, weswegen wir den Papst, unseren Heiligen Vater als den universalen Stellvertreter Jesu Christi verehren. Das ist nicht  –  wie manche behaupten  –  ein menschlicher Eingriff in die Rechte Gottes. Nein, als der von Christus gestiftete Fels dient
der Papst der Einheit der Kirche in Christus.
Er bewahrt an oberster Stelle die Lehre der Kirche, die Wahrheit, die uns geoffenbart worden ist, und trägt Sorge dafür, dass alle Menschen auf die gute Weide des Wortes Gottes geführt werden, hinein in das Reich Gottes.
 
An dieser Stelle ist es notwendig, etwas ganz offen und kritisch anzusprechen: Auch in unserem deutschen Katholizismus gibt es Kräfte bis hinein in manche Gremien  –  Gott sei Dank ist das in unserem Bistum nicht der Fall –,  wo man meint, einen antirömischen Affekt pflegen zu können.
Man hält sich für kritisch und reformerisch. In Wirklichkeit aber ist man nur oberflächlich und will sich dem Zeitgeist anpassen.
Es wäre doch so schön  –  so meinen manche  –  katholisch zu sein und gleichzeitig vollkommen eins mit dem Zeitgeist. Dabei wird aber übersehen, wie zerstörerisch die Selbsterlösungslehren des Zeitgeistes sind: die Politideologien und die aus ihnen kommende Reduktion des Menschen auf seinen materiellen oder ökonomischen Nutzen.
Als ob das Wesen des Menschen in seinem wirtschaftlichen Nutzen liegen könnte oder im Selbstgenuss. Nein, dem widersprechen wir deutlich!
In Zukunft darf es in unseren Reihen keinen Platz mehr geben für dieses antirömische Geschwätz und für diese Dummheiten, die bisweilen vertreten werden.
Der Katholikentag, der 2014 in Regensburg stattfindet, wird niemandem ein öffentliches Forum zur Verbreitung von antirömischen und antikatholischen Forderungen bieten.
Katholisch-Sein bedeutet Geeint-Sein mit dem Bischof und den Priestern. Es bedeutet, die Worte Jesu Christi wahr und ernst zu nehmen, dass Christus selber Petrus und seine Nachfolger zum universalen Hirten und Lehrer der Kirche gemacht hat.
Umtriebe gegen die Wahrheit des Glaubens und die Einheit der Kirche werden bei uns nicht geduldet.
Darum haben wir eine effektive  –  eine wirksame  –  und eine affektive Beziehung zu unserem Heiligen Vater, die nicht nur sein Amt, sondern auch seine Person umfasst. Unserem Mitchristen Joseph Ratzinger, der aus unserer Mitte stammt, fühlen wir uns freundschaftlich verbunden.
Wir beten für ihn und sagen Gott Dank für seinen wunderbaren Dienst, den er in der Vollmacht Christi an uns tut. Man denke nur an seine erste Enzyklika „Deus caritas est“, in der Papst Benedikt XVI. uns auf eindrückliche Weise das Zentrum unseres Glaubens erschlossen hat: „Gott ist
die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,16).
Das Papsttum mit dem Primat ist konstitutiv für die Kirche, nicht weil Menschen sich das ausgedacht hätten, sondern weil Christus es so gewollt und eingesetzt hat. Durch die wechselnden Träger dieses Amtes erdet er die Kirche und macht sie gegenwärtig im Leben der Menschen.
Im Hinblick auf vor uns liegende Jubiläen und Gedenktage wäre die Anklage gegen den Papst als „Antichrist“ nicht nur als historischer sondern auch als Irrtum in dem von Gott geoffenbarten Glauben zu bekennen.
Denn nicht wie Menschen über den Primat des Papstes denken und urteilen, ist entscheidend, sondern dass Christus, unser Herr Petrus zum universalen Hirten der Kirche eingesetzt hat, dessen Nachfolger im Namen Christi der ganzen Kirche vorstehen und daher zu Recht Stellvertreter Christi heißen und es in Wahrheit auch sind.
 
So wollen wir aus Anlass dieses 85. Geburtstages und des siebten Jahrestages der Übernahme des Pontifikates uns dieser Glaubenswahrheit neu bewusst werden. Wir danken Gott, dass er dieses Amt der Einheit inmitten seiner Kirche gestiftet hat.
Im geistigen Ringen der Moderne werden wir uns dann nicht vom Säkularismus mit seiner innerweltlichen Reduktion des Menschen mitreißen lassen, wenn wir wie Petrus unseren Blick fest auf Christus richten.
Was sagen denn die Leute von Jesus? Die einen dies, die anderen das. Wir aber stimmen ein in das Bekenntnis des Petrus, das auch das Bekenntnis seines Nachfolgers Papst Benedikt XVI. ist: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16).
Die Antwort Jesu auf das Bekenntnis des Petrus war die Gründung der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die sichtbar geeint ist in der Person des Nachfolgers Petri und Stellvertreters Christi für die universale Kirche:
„Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam; et portae inferi non praevalebunt adversum eam

Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen(Mt 16,18). Amen.
Foto: Presseamt des Bistums Regensburg

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