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Esoterik für Kinder: „Stuttgarter Zeitung“ wirbt für magisches Kartenlesen

Unter dem Titel „Karin Kristan spickt in die Zukunft“ veröffentlichte die  –  ansonsten wohl als seriös gelten wollende  –  „Stuttgarter Zeitung“ am 6. Juli auf ihrem Online-Portal einen positiven, völlig unkritischen Beitrag über Hellseherei und Magie mittels einer Reportage über eine hübsche Kartenlegerin, die großformatig abgebildet ist.

Der  äußerst wohlwollende Artikel über Karin Kristans Karten-„Kunst“ findet sich ausgerechnet unter der Sparte „Kinder-Uni“ und im Ressort „Wissen und Computer“:  L1022966

„Nichts ist so spannend, wie in die Zukunft zu blicken“, so beginnt der Reklame-Artikel der SZ, der die jungen Leser dann darüber informiert, worauf sich die als Strahlefrau präsentierte Wahrsagerin verläßt: 

„Sie glaubt an das Wissen der Geister und an die Wahrheit ihrer Tarotkarten. Viel mehr noch: je weniger sie über die Person, deren Zukunft sie voraussagen soll, wisse, desto besser.“

Danach wird erzählt, daß es in ihrer Wohnung nach Räucherstäbchen riecht und daß sie Federn, Trommeln, Rasseln und Flügel als „Kraftquellen“ in ihrem – so wörtlich – „außergewöhnlichen Beruf“ betrachtet: „Die Kartenlegerin sagt Menschen seit mehr als 20 Jahren die Zukunft voraus.“  –  Auch in ihrer eigenen Lebensentwicklung hätten ihre „Kartenblätter“ immer recht behalten, betont die 42-Jährige.  Vogel-Katze

Jene Menschen, die magische „Hilfe“ bei ihr in Anspruch nehmen, stecken oft in einer Krise, meist in „Liebesangelegenheiten“, berichtet Frau Kristan, wobei sie keineswegs auf eigene Erlebnisse und Einsichten zurückgreife, sondern vielmehr auf Kräfte aus der „Anderswelt“, genauer: „auf die Erfahrungen der Geister“, wie sie wörtlich erklärt.

Die Hellseherin fügt ohne Wenn und Aber hinzu: „Die Karten irren nicht. Die Karten sind die Wahrheit.“  – Wenn etwas Anderes als das eintreffe, was sie voraussage, dann habe sie die Karten „falsch interpretiert“.

Mit dieser speziellen „Logik“ ist die magische Dame natürlich immer fein aus dem Schneider, wenn Prognosen nicht zutreffen.

Doch das eigentliche Problem ist  –  insgesamt gesehen  –  weniger die Esoterik einer Frau Kristan, sondern die unverhohlene Werbung einer vermeintlich soliden Tageszeitung für heidnische Magie, Aberglauben und Geister-Spiritismus, noch dazu im Kinder-Teil des Blattes, der überdies mit dem anspruchsvollen Titel „Kinder-Uni“ auftritt.

Esoterik und Spiritismus feiern heute als Ersatzreligion in einer Zeit des Glaubensverlustes fröhliche Urständ. Das läßt uns an den alten Spruch denken: „Wo der Glaube zur Tür hinausgeht, kommt der Aberglaube zum Fenster herein.“  – Ähnlich drückt es der bekannter Vierzeiler aus:

Glaube, dem die Tür versagt,
kommt als Aberglaub durchs Fenster,
wenn die Gottheit ihr verjagt,
kommen die Gespenster.

Felizitas Küble, Leiterin des Christoferuswerks in Münster

Kommentare

Eine Antwort

  1. Ja, das ist unglaublich, man könnte hier fast an einer „Verschwörung“ denken; man hat das Gefühl hier sollen schon Kinder an diesen Unfug „gewöhnt“ werden.
    Man kann es ja beobachten, wie Tarot-Karten schon zu einem Gesellschaftsspiel geworden sind, das zwar meist als ein Spiel gesehen wird, aber doch mit dem Etikett – „Da könnte doch was dran sein“ versehen wird; für manche kann dieses „Spiel“ dann zu einer Sucht und der damit verbundenen Abhängigkeit führen. Es gibt Fälle, in denen Menschen mehrere tausende Euros an solche „Lebensberater“ verlieren oder diese teuren Hotlines wählen.

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