Unter der Rubrik „Meine liebste Bibelstelle“ erschien dieser Artikel von Felizitas Küble in der Oktober-Ausgabe des VATICAN-Magazins:
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, hingegeben für das Leben der Welt. (Joh 6,51 f.)
Drei Heilsereignisse unseres Glaubens ergreifen mich immer wieder neu: Die Menschwerdung Gottes in Christus, sein Opfer am Kreuz und Jesu bleibende Gegenwart im Sakrament des Altares.
Von der Krippe führt der Weg zum Kreuz; dieser Höhepunkt unserer Erlösung findet seinen Triumph in Jesu Auferstehung und Himmelfahrt. Doch dies ist kein Endpunkt, denn in der Gestalt von Brot und Wein bleibt der Gottessohn uns nahe bis zum Ende der Welt.
Dieses dreifache Heilswirken ist in dieser Aussage unseres HERRN zusammengefasst: Die Inkarnationstheologie („vom Himmel herabgekommen“), die Kreuzestheologie („mein Fleisch, hingegeben…“) und die Realpräsenz in der Eucharistie („Ich bin das lebendige Brot…es ist mein Fleisch“).
Zudem enthält diese Bibelstelle eine tröstliche Verheißung: „Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit“. Die heilige Kommunion als Unterpfand ewiger Freude – schon die Urkirche sprach deshalb vom „Brot der Unsterblichkeit“.
Dieses „Ich-bin“-Wort Christi fasziniert mich seit jeher auch wegen seiner Beantwortung der alten Grundsatzfrage: Warum ist Gott Mensch geworden?
Warum ist GOTT Mensch geworden?
Im Hochmittelalter (1094 n. Chr.) schrieb der große Philosoph und Kirchenlehrer Anselm von Canterbury sein Werk „Cur deus homo“ und erklärt darin, Jesu Inkarnation und vor allem sein Kreuzesopfer seien nach dem Sündenfall notwendig geworden zur Sühne für die Erlösung des Menschen. Dies sagt uns Christus selbst, der vom „Himmel herabgekommen“ ist, um sein „Fleisch“ hinzugeben für das „Leben der Welt“.
Dazu höre ich oft den Einwand, warum sich Gottes Erbarmen denn ausgerechnet auf diese blutige Weise vollzog? Hat ein liebender Gott das etwa „nötig“? – Es geht darum, dass der Opfertod des HERRN für den Menschen nötig, ja not-wendig ist. Das heutige Empfinden verdrängt Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit, drückt sich gerne am Kreuz vorbei und ist von einem flachen „Humanismus“ geprägt. Dieser oberflächliche Glaube hält den Ernstfällen des Lebens nicht stand, geschweige ist er „ewigkeitstauglich“.
Manche modernen Theologen wollen das „Ärgernis“ des Kreuzes umschiffen, indem sie erklären, Christus sei aus „Solidarität“ mit uns gestorben, also um uns auch im Leiden nahe zu sein. Das ist durchaus richtig, aber unvollständig und will von dem „harten“ Zentralgeheimnis ablenken, dass unser HERR sein „Fleisch hingab für das Leben der Welt“.
Natürlich hat Christus am Kreuz nicht seine Gottheit „geopfert“, nicht auf sein göttliches Wesen „verzichtet“, sondern auf sein irdisches Leben. Um sein Fleisch und Blut hingeben zu können, musste der Gottessohn die menschliche Natur annehmen. Damit schließt sich der Kreis von der Krippe zum Kreuz.
Doch gerade der letzte Satz dieser Bibelstelle enthält eine weitere, dogmatisch entscheidende Dimension: „…hingegeben für das Leben der Welt“.
Der allgemeine Heilswille Gottes
Es geht um den „allgemeinen Heilswillen Gottes“. Wer meint, das sei eine selbstverständliche Einsicht, der irrt sich. Die Theologiegeschichte lehrt uns etwas anderes, denn immer wieder ging es um die Streitfrage, ob Christus grundsätzlich für alle gestorben ist oder nur für die „Auserwählten“.
Der Calvinismus hat das Thema mit seiner Lehre von der Vorherbestimmung und dem „doppelten Ausgang“ (Himmel oder Hölle) weiter zugespitzt. Er vertritt damit das andere Extrem zum Humanismus und Pelagianismus:
In dem Bemühen, Gottes alleiniges, vom Menschen unabhängiges Gnadenwirken und seine Erhabenheit zu betonen, wird die Souveränität Gottes derart verabsolutiert, dass jedwede Mitwirkung des Geschöpfes an seinem Heil und damit die menschliche Willensfreiheit aus dem Blick gerät. Daraus folgt letztlich ein Willkür-Gott, ja „Götze“, denn es handelt sich um ein Zerrbild des biblisch geoffenbarten Gottes.
Nun könnten Katholiken einwenden: Was interessiert mich diese reformiert-calvinistische Version des Protestantismus? – Dabei wird übersehen, dass es diese Irrlehre sehr wohl auch in unserer Kirche gab: Der vor allem in Frankreich verbreitete Jansenismus war in seiner Gnadenlehre eine Art Calvinismus auf „katholisch“, leugnete ebenfalls den allgemeinen Heilswillen Gottes und proklamierte eine Erlösung nur für vorherbestimmte „Auserwählte“.
Es hat mich sehr getröstet und in meinem kirchlichen Bewusstsein gestärkt, dass mehrere Päpste diese jansenistischen Thesen entschieden verurteilt und dabei das Dogma vom „allgemeinen Heilswillen Gottes“ erneut bekräftigt haben.
Der Mensch soll ANTWORT geben auf das WORT
Ja, unser HERR opferte sein Fleisch und sein Blut „für das Leben der Welt“, nicht nur für eine determinierte Schar von Auserwählten, denn „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,3).
Zugleich gilt: Der Allmächtige missbraucht seine Allmacht nicht, ER zwingt sein Heil nicht auf, ER respektiert die von ihm selbst geschaffene Freiheit des Menschen, die zugleich zu seiner Ver-ant-wort-ung führt. Das Geschöpf muss Antwort geben auf das Wort, das Heilsopfer Christi freiwillig annehmen. Deshalb ist die Hölle gleichsam „von innen verschlossen“, denn Gott ist ein Freund der Freiheit.
Die eindeutige Ablehnung des Jansenismus durch das katholische Lehramt ist für mich nicht nur theologisch wichtig, sondern auch für meine persönliche Frömmigkeit prägend und ermutigend. Ja, unser GOTT will allen Menschen das Tor zum Leben öffnen, aber hindurchgehen müssen wir selber, nicht durch fromme Worte allein, sondern durch ein glaub-würdiges Leben in der Nachfolge Christi.
Aber auch in dieser Herausforderung lässt Jesus uns nicht im Stich. Dies zeigt sein Wort: „Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit“. Unser HERR ist im Altarsakrament wahrhaft zugegen, so wie ER im Himmel lebt und wirkt. Hier erfahren wir in besonders ergreifender Weise den „nahen“ Gott, nicht nur ein fern-abstraktes „höchstes Wesen“, sondern „Christus in uns, die Hoffnung auf Herrlichkeit“ (Kol 1,7).
7 Antworten
Blaise Pascal ist zwar nicht Jansenist. Sein Begriff von Prädestination muß aber gleichfalls gegen den calvinistischen Begriff von Prädestination gehalten werden. Und nun lehnt Pascal aber Calvin ab. Wenn Sie das Bekenntnis zu Prädestination für inakzeptabel verhängnisvoll halten: Sie müssen dann doch die von einander unterschiedenen Begriffe von Prädestination zunächst einmal ins Licht stellen. Das gilt insbesondere auch aus dem Grund, daß die Befreiung, die Kierkegaard, zu dem Pascal doch hinlenkt, angesichts der Ausweglosigkeit des Alleinherrschaftsanspruchs der modernen Naturwissenschaft und Technik bewirkt, wohl Erwägung verdient.
Walter M. sagt :
Diese Behauptung : „Unser HERR ist im Altarsakrament wahrhaft zugegen,“ ist unbiblisch! Aber Gott ist nur ein Gebet weit entrfernt und Christus begleitet seine Nachfolger täglich. Und wenn zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind, ist er durch seine Geistkraft unter uns. Das Management seiner „Gemeinde“ besorgt Jesus vom Himmel aus! Es gibt bei Gott keine „vorherbestimmten Auserwählte“, die gerettet werden. Es ist der Berufene und bekehrte Mensch selbst, der aus seiner Berufung eine Erwählung durch geisliches Wachstum und Veränderung seines Charakters erarbeiten muss.
Zusammen mit Gott und mit seinen Mitchristen der Gemeinde, damit wir überhaupt familienfähig werden, für die ewige Gemeinschaft in der erweiterten Familie Gottes! Letzteres ist der Kernpunkt des Evangeliums.
Sehr geehrter Herr Mühl,
sind Sie Katholisch, wenn ich fragen dürfte?
„…ist unbiblisch.“ Womit sehen Sie diese klare Aussage bestätigt, wenn es nicht nur eine in den Wind gestellte Behauptung sein soll ?? Was bedeutet denn sonst Christi „Wandlungswort“ am Gründonnerstag anderes als die Identität von Ihm und im selben Moment mit dem Brot, über welches er IM PRÄSENS spricht „das IST mein Leib,..“ und „..das IST mein Blut, das für euch und die vielen vergossen WIRD..“. ER sagt nicht im Futur „..vergossen werden wird in wenigen Stunden!“ Es ist im Präsens eine völlig ontologische Identifizierung und nichts anderes sonst wie z.B. eine Metapher oder Symbol. Und die Auffoderung an die ersten 11 Bischöfe „…Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ ist doch ebenfalls eindeutig. Was soll daran niicht biblisch sein ? DAS ist nun wirklich keine „Glaubenmüssensfrage“ mehr. Notfalls sogar bestätigt durch Seine unzähligen naturwissenschaftlich belegten eucharistischen Wunder, daß ER mit aktuell lebendigem Herzen und Blut in den consekrierten Gestalten von Brot und Wein „im Präsens von ca 2ooo Jahren“ personal anwesend ist und „jetzt gerade am Kreuz in grausam schmerzhafter Agonie um letzte Atemzüge ringt“ —- mfG
Wunderbar dargestellt von Felizitas Küble! Es hatte sich schon bis zu Jesu Geburt in der menschlichen Welt damals so viel an Morden, Kriegen, Verbrechen, Willkür und menschenverursachtem Leid eingestellt! Wer hätte das vor Gott noch sühnen können?
Und wenn man die Verbrechen dann in den folgenden zwei Jahrtausenden betrachtet, für die ja Jesus auch gestorben ist, sie gesühnt hat, dann erkennt man: Nur ein Gott kann hier Abhilfe bringen, nur ein Gott kann Versöhnung bringen, nur ein Gott kann der Erlöser für diese unendliche Schuld, die sich angehäuft hat, sein. Niemals ein Mensch. Daher der Tod Jesu, des Gottessohnes, als Erlösung, als Rettung für alle.
Aber viele Theologen schiffen sich nicht nur am Kreuz vorbei, sondern vor allem an Weihnachten mit der Geburt aus der Jungfrau. Ich erlaube mir daher auf mein neuerschienenes Büchlein „Maria und Josef – eine Liebesgeschichte“ hinzuweisen. Vorwort von Prof. Dr. Anton Ziegenaus. http://www.dominus-verlag.de; ein schmales Büchlein für Skeptiker, Glaubensverwirrte und Zweifler, solche, die Weihnachten für ein Märchen halten.
Ein ideales Weihnachtsgeschenk im Verwandten- und Mitarbeiterkreis.
Wenn Weihnachten nicht als Wahrheit und Wirklichkeit unseres Glaubens kindlich gläubig anerkannt wird, dann ist er auf Sand gebaut. Weihnachten und das Kreuz gehören zusammen, dazwischen liegen nur etwas mehr als 30 Jahre.
Inhaltlich ein Meisterwerk der Verkündigung. Herzlichen Dank Frau Küble
Eine wundervolle Darstellung der Geburt Jesu Christi ! Und vor allem
HERZLICHEN DANK, liebe Felizitas Küble für dieses sehr berührende Bekenntnis zu dieser fundamentalen Bibelstelle unseres Glaubens, dieser unerschöpflichen Kraftquelle in unserem oft schwierigen Erdendasein.