BILD: PD Dr. Maximilian Ackermann (rechts) und Kerstin Bahr (links) von der Universitätsmedizin Mainz erforschen Gefäßveränderungen, u.a. in Lungenerkrankungen oder Tumoren. – Fotoquelle: UM / Florian Hense
Dringt das Coronavirus SARS-CoV-2 in die Lunge ein, richtet es massive Gewebeschäden an. Eine charakteristische Folge der Infektion ist unter anderem die Verstopfung der Lungengefäße wegen einer lokal überschießenden Blutgerinnung.
Jetzt konnte ein internationales Forschungsteam um PD Dr. Maximilian Ackermann vom Institut für funktionelle und klinische Anatomie der Universitätsmedizin Mainz sowie Prof. Dr. Danny Jonigk von der Medizinischen Hochschule Hannover erstmals mittels einer hochinnovativen Röntgentechnik zerstörungsfrei nachweisen, dass es bei schwerem COVID-19-Verlauf zu einem massiven Umbau der feinsten Blutgefäße kommt, indem sich normalerweise getrennte Blutsysteme ungewöhnlich häufig miteinander verbinden.
Dafür untersuchten die Forschenden die Lunge von COVID-19-Opfern in Kooperation mit dem Europäischen Synchrotron ESRF (European Synchrotron Research Facility). Dank neuester Technologie konnte mit hochauflösenden Röntgenstrahlen erstmals ein dreidimensionales Bild des kompletten Organs erzeugt werden.
HiP-CT zeigt ein ganzes Organ dreidimensional, ohne es zu beschädigen
Die neue Röntgentechnik funktioniert ähnlich wie eine Computertomographie (CT) im Krankenhaus. Allerdings ist die Auflösung um das Hundertfache höher.
„In den klinischen CT-Aufnahmen können wir lediglich wir Blutgefäße im Millimeterbereich darstellen“, erklärt der Gefäßspezialist PD Dr. Maximilian Ackermann. Die neue Technologie namens Hierarchische Phasen-Kontrast-Tomographie (HiP-CT) ist in der Lage, feinste Gefäße mit einem Durchmesser von weniger als fünf Mikrometern abzubilden – das entspricht etwa einem Zehntel der Dicke eines Haares.
Die HiP-CT macht es möglich, in die Tiefe der Organe vorzustoßen und selbst kleinste Strukturen bis hin zu einzelnen Zellen darzustellen. „Diese Auflösung war bislang nur mit einem Mikroskop möglich, allerdings nur zweidimensional und für kleine Gewebeproben“, ergänzt der Lungenpathologe Prof. Dr. Danny Jonigk aus Hannover. Das neue HiP-CT-Verfahren kann diese Auflösung deutlich übertreffen.
Mit der neuen Technik ist es erstmals möglich, ein ganzes Organ dreidimensional und stark vergrößert abzubilden ohne es zu beschädigen. „Dadurch konnten wir Strukturen untersuchen, die im Grenzbereich der Auflösung liegen und einen Überblick über die Veränderungen im gesamten Organsystem gewinnen“, betonen beide Wissenschaftler…
COVID-19 führt zu „Kurzschlüssen“ in den Blutgefäßen der Lunge
Die Wissenschaftler konnten mithilfe der neuen Röntgentechnologie nun darlegen, wie sich das Gefäßsystem bei COVID-19 verändert. In der Lunge existieren zwei getrennte Blutsysteme – eines gehört zum Lungenkreislauf und ist für die Sauerstoffversorgung des gesamten Körpers zuständig, das andere versorgt das Lungengewebe selbst mit dem lebensnotwendigen Gas direkt aus der Hauptschlagader.
In einer gesunden Lunge gibt es mitunter einige wenige Verbindungen zwischen kleinen Gefäßen der beiden Systeme. In der geschädigten COVID-19-Lunge bildeten die beiden Blutsysteme dagegen in vielen Bereichen zahlreiche solcher Vernetzungen.
„Diese große Anzahl von Gefäßkurzschlüssen funktioniert wie ein weitgeöffnetes Schleusentor und sorgt dafür, dass über viele Thromben die Sauerstoffversorgung im gesamten Körper nicht mehr funktioniert. Durch die vielen Kurzschlussreaktionen schafft es die Lunge zwar kurzfristig den Sauerstoffmangel durch die SARS-CoV-2-Infektion auszugleichen und es werden darüber hinaus sogar neue Blutgefäße geformt. Diese neugebildeten Blutgefäße können den erheblichen Gefäßschaden aber nur vergeblich heilen“, erklärt Erstautor PD Dr. Maximilian Ackermann.
Quelle (Text / Foto): Pressemeldung der Universitätsmedizin Mainz
Eine Antwort
Ein großer Fortschritt in der Medizintechnik. Jetzt dürfte die Gelegenheit gegeben sein, auch andere Lungenkrankheiten einschließlich Influenza dahingehend zu untersuchen.