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Bischof Algermissen über "Hirntod" bei Organspendern

Heinz-Josef Algermissen (Fulda): „Wie kann man einem toten Körper lebende Organe entnehmen?“

In der heutigen Fuldaer Zeitung vom 6. März 2012 erschien ein aufsehenderregender Artikel von Heinz-Josef Algermissen, dem Oberhirten des Bistums Fulda. So deutlich hat bislang kein katholischer Bischof das seit Jahrzehnten verbreitete Hirntod-Konzept kritisiert und als unhaltbar entlarvt.
Wir dokumentieren die couragierte Stellungnahme Algermissens im vollen Wortlaut:

„Das Gesundheitsministerium, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Krankenkassen, Ärztekammer und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) werben dafür, sich für eine Organspende nach dem Tod zu entscheiden.
Gleichzeitig wird aber immer wieder die Frage gestellt: Wie kann es möglich sein, einem toten Körper lebende Organe zu entnehmen, um diese zu transplantieren? Ist das nicht in sich absurd?
Neben vielen noch ungelösten Aspekten der Transplantationsmedizin, so zum Beispiel Abstoßung, lebenslange Medikamenteneinnahme, die dadurch bedingten Folgen, mitunter auch deutliche Persönlichkeitsveränderungen, ist das ethische Hauptproblem die Spende der entnommenen Organe. Nur wenn man weiß, was sich hinter dem Begriff „postmortale Organspende“ verbirgt, kann man sich frei entscheiden, zumal künftig jeder Bürger mehr-mals im Leben mit der Frage konfrontiert werden soll, ob er zu solcher Organspende bereit ist.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Hirntod“? Es geht um Menschen, bei denen das gesamte Gehirn (Groß-, Klein- und Stammhirn) seine Funktion unwiederbringlich verloren hat. Es sind bewusstlose, beatmete Menschen, deren gehirngebundene Reflexe erloschen sind.
Die Körpertemperatur ist allerdings erhalten, das Herz schlägt spontan, der Blutdruck ist messbar, Stoffwechsel, Ausscheidungen, Hormonsystem funktionieren noch. Vegetative Reaktionen wie unter anderem Hautrötung und Schwitzen sind zu beobachten. Diese Phänomene beschreibt die Biologie korrekt als zum Leben gehörig.
Die Behandlung von schwangeren „Hirntod“-Patientinnen, deren Kinder normal entwickelt geboren werden, beweist geradezu, dass solche Menschen zwar schwer krank, aber lebende Menschen sind. In einer Toten kann sich kein Embryo entwickeln.
Bei der Organentnahme unter Narkose, so bestätigen Transplantationsmediziner, steigt der Blutdruck enorm, der Herzschlag beschleunigt sich stark. Diese Reaktionen zeigen, dass der Spender unbewusst etwas spüren muss. Es sind Lebenserscheinungen, die auch jeder andere Patient bei einer Operation zeigt.
Angesichts dessen ist es aufrichtig festzustellen: Einen Sterbenden im Hirnversagen für tot zu erklären, um bei einer Organentnahme eine Tötung zu umgehen, stellt eine willkürliche Setzung dar, die mit Redlichkeit als Voraussetzung für jede ethische Betrachtung nicht zu vereinbaren ist.
Mit anderen Worten: Der Begriff „Hirntod“ suggeriert einen Zustand, der nicht den Tatsachen entspricht. Auch hier können wir wieder feststellen, dass Sprache zur Vernebelung herhalten muss.
Von der „postmortalen Organspende“ zu sprechen, geht von falschen Tatsachen aus, entspricht dem Tatbestand der bewussten Täuschung. Deshalb ist das sogenannte „Hirntodkonzept“ mit den moralischen und ethischen Ansprüchen des Evangeliums nicht zu vereinbaren.
Da Spender im Hirnversagen zwar Sterbende, aber doch noch lebende Menschen sind, ergibt sich für eine ehrliche Information als Grundlage einer schwierigen Entscheidung die notwendige medizinische Aufklärung über den Zustand des Hirnversagens. Erst dann kann jeder für sich im Sinne einer engen Zustimmung entscheiden, ob er im Zustand des Sterbens bereit ist, ein Organ zu spenden.
Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es unter Nr. 2296 erhellend:
„Die Organverpflanzung … ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben. Zudem ist es sittlich unzulässig, die Invalidität oder den Tod eines Menschen direkt herbeizuführen, selbst wenn dadurch der Tod anderer Menschen hinausgezögert würde.“
Hinsichtlich der drängenden Fragen um die Probleme „Organspende“ und „Hirntod“ ist da noch viel Aufklärung zu leisten, um eine Gewissensentscheidung vor Gott vertreten zu können.
Grundsätzlich anzuerkennen ist die Absicht, durch Organspende und Organverpflanzung leidenden oder gar lebesbedrohten Mdnschen zu helfen. Eine christliche Sicht der menschlichen Person führt nicht zur grundsätzlichen Ablehnung solcher Spende, wohl aber zu deutlich einschränkenden Anfragen.“

Kommentare

3 Antworten

  1. Wir müssen vermeiden, dass in den Bereich menschlichen Lebens immer mehr diese Verwertungsmentalität einbricht, die wir überall feststellen: in der Natur (Tierwelt, Pflanzen), im Landverbrauch, in der Arbeitskraft des Menschen, bei der Sexualität. Dies ist ein langsamer Vorgang, dessen Folgen nicht unmittelbar erfühlt werden. Tatsache ist, dass die technische und merkantile Verwertung des Lebens immer mehr vordringt – mit unbestimmten Ausgang. Es sind irreversible historische Prozesse! Schon bieten im Internet Firmen schwangeren Frauen an, dass sie Stammzellen aus der Nabelschnur ihres Säuglings einfrieren lassen können. Diese Zellen sind noch nicht ausdifferenziert, d.h. pluripotent. Man erwartet sich von diesen, dass die Forschung schließlich in einigen Jahrzehnten so weit ist, diese zu klonen, um z.B. in uteroiden („gebährmutterähnlichen“) Entwicklungsmedien „Ersatzorgane“ für den betreffenden (erwachsenen) Menschen herzustellen, z.B. ein Organ. Das bedeutet aber, dass man von dem betreffenden Menschen ein genetisch identisches Replikat, also einen „eineiigen Zwilling“ bei Bedarf herstellt und Teile von ihm verwertet, während man die anderen verwirft. Dies bedeutet natürlich den Tod des embryonalen oder fetalen Retard-Zwillings, der das Labor gar nicht verlässt. Es ist nicht ganz unrealistisch, dass man auf diese Weise die betreffende biologische Primäridentität des Menschen (den Menschen, den die Schwangere geboren hat) eines Jahrhunderte lang weiterführen kann, indem man verschlissene oder kranke Organe immer wieder auf der Grundlage des individuellen (idiogenetischen) Stammzellenvorrats züchtet bzw. ersetzt. (Das Genom als solches ist formale Information und insofern „ewig“.) Dies ist keine nicht-realisierbare Science-Fiction-Phantasie! Für 2000 Dollar kann schon heute eine Schwangere die kryotechnische Konservierung von Stammzellen ihres Kindes vertraglich vereinbaren. In dem dabei zu schließenden Vertrag muss sie allerdings auch zusichern, dass diese Stammzellen ihres Kindes auch anderweitig zur Verfügung stehen („zu Forschungszwecken“); d..h., es gibt inzwischen schon Kreise, die ganz gierig auf Stammzellen sind, die Stammzellentresore für die Zukunft anlegen! — Für Christen bedeutet dies schon heute: kein Zentimeter wird mehr preisgegeben in der materiellen Verzweckung des Lebens! Schluss damit jetzt! Ist der Geist des Tabubruchs mal aus der Flasche, ist er nicht mehr zurück zu kriegen! Dies haben wird ganz eindringlich bei der Abtreibung feststellen müssen und in den vielen anderen Beispielen in den letzten Jahrzehnten, wo elementare christliche Positionen gesamtgesellschaftlich preisgegeben wurden. Dies meinte ich oben, als ich schrieb: Historische Prozesse sind irreversibel. Man muss s c h ä d l i c h e Entwicklungen rechtzeitig erkennen und diese schon im frühen Stadium stoppen und darf sich nicht durch die Schalmeientöne der vermeintlichen „Vorteile“ (meistens wird der „medizinische Fortschritt“ bemüht) ködern lassen.

  2. Organspende und Ethik des Sterbens
    (Univ.-Prof.Dr. Reinhold Ortner)
    In die Medizin haben neue biotechnische Methoden Eingang gefunden, welche grundlegende Lebensfunktionen ebenso verkennen wie die Personwürde des Menschen. Liberal-materialistisches Denken verneint in Diskussion und Gesetzgebung sowohl beim vorgeburtlichen wie beim sterbenden Menschen die Existenz seiner Seele und macht Entscheidungen für das Töten davon unabhängig.
    Wann ist ein Mensch endgültig tot? Darf man ihn für tot erklären, wenn noch Leben in ihm pulsiert? Ist sein Körper schon ein Leichnam, wenn das Gehirn seine Funktion nicht mehr voll erfüllt? „Welch dumme Fragen!“ werden Sie sagen. „Es ist absurd, einen noch Lebenden für tot zu erklären.“ So realitätsfremd ist das aber gar nicht. Um z.B. eine Organtransplantation vorzunehmen, muss man die Organe einem lebenden Körper entnehmen. Das heißt: dieser Mensch atmet noch, sein Herz schlägt, der Blutkreislauf versorgt weiterhin die Organe. Noch vor nicht langer Zeit hat für den Arzt das Fehlen dieser Lebenszeichen zur Feststellung berechtigt: Dieser Mensch ist tot. Seit einiger Zeit aber werden diese Kriterien als nicht mehr vorrangig notwendig erachtet. Man richtet sich nach der 1968 neu gestellten Definition „brain death“ (Hirntod). „Tot sein“ wird gleichgesetzt mit „Hirntod“. Diese Definition ermöglicht die (juristische) Rechtfertigung, z.B. einem im Koma liegenden Menschen Organe herauszuschneiden.
    Die Diagnose „brain death“ entscheidet für den Organspender darüber, wie die letzte Phase seines Sterbens verläuft. Zunächst: der Mensch ist nicht irgendein tierisches „Individuum“, sondern eine von Gott mit (s)einer Geistseele ausgezeichnete Person. Der Status „hirntot“ sagt nur etwas über fehlende Hirnströme aus, die mit derzeit entwickelten elektronischen Messgeräten zu erfassen wären. Kreislauf, Herz- und Atmungstätigkeit (ob mit oder ohne unterstützende Maschinen) werden als Lebenskriterien den Hirnaktivitäten argumentativ untergeordnet.
    Wir sollten vor einer Entscheidung zur Organspende folgendes überdenken: Nur Organe, die einem lebendem Körper entnommen werden, sind bei einer Transplantation brauchbar, Organe eines Toten jedoch nicht. Wird z.B. bei einem Sterbenden ein „flaches EEG“ festgestellt, kann dieser Körper per definitionem zum „Leichnam“ erklärt werden. Eine Organentnahme ist dann strafrechtlich erlaubt. Niemand aber kann mit Sicherheit behaupten, dass das Leben eines „Hirntoten“ vollkommen erloschen, ohne Schmerzempfindlichkeit ist, dass innere geistige Denkvorgänge ausgeschaltet sind und seine Seele irreversibel den Körper verlassen hat. Jede Entnahme von Spendeorganen (nicht selten nach einer Narkosespritze und Abdeckung der Augen des Sterbenden), verursacht die endgültige Tötung des Betroffenen.
    Es gibt eine Ethik des Sterbens. Religiöse und ethische Gründe stehen der Entnahme von Organen beim noch nicht vollendeten Sterben entgegen. Niemand kann „nur ein wenig“ oder „sowieso“ tot sein. Der Tod ist endgültig, unumkehrbar. Einen Menschen in seiner Sterbephase (diese erstreckt sich bis zum ersten Moment des eingetretenen Todes) aktiv aus dem Leben zu „befördern“, verletzt die Unantastbarkeit des Lebens und das 5. Gebot Gottes.
    Sicherlich: Das Leben eines Menschen ist ein ethisches Gut. In der Motivation christlicher Nächstenliebe kann es bei einem Kranken durch eine Organspende verlängert werden. Bei paarigen Organen (z.B. Niere) gibt es dafür auch keinerlei Bedenken oder ein „ethisches Stoppschild“, Das Entfernen nur einer Niere führt nicht zum Tod des Spender. Anders, wenn es um nicht-paarige Organe geht. In diesem Fall ist auch das ethische Gut „Leben“ des Spenders und sein Recht auf einen Tod in Würde zu respektieren.
    Christlicher Glaube birgt die Hoffnung, dass Gott dem noch beseelten Körper die Gnade eines letzten Aktes von Liebe und Reue schenkt. Das Eintreten in den Tod nach dem Spenden der Sterbesakramente durch den Priester ist daher für den Sterbenden ebenso wichtig und tröstlich wie die körperliche Nähe lieber Menschen, ihre teilnehmende Güte und Sterbegebete: „In deine Hände, Herr, empfehlen wir seine Seele.“ „Heilige Muttergottes, bitte für ihn jetzt in der Stunde seines Todes.“ „In paradisum deducant te angeli.“ (Engel mögen dich ins Paradies geleiten.) Dieser letzte christliche Liebesdienst wird dem Sterbenden durch die tödliche Chirurgie der Organentnahme nicht gewährt.
    Reinhold Ortner

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