Von Prof. Dr. MICHAEL WOLFFSOHN
Wo im Ausland hat die Bundesliga ihre glühendsten Fans? In Israel. Nein, das ist kein Druckfehler.
Mehr als jede Sonntagsrede von Politikern, mehr als die „Woche der Brüderlichkeit“ haben die goldenen Beine der Bundesliga-Kicker ein kleines historisches Wunder vollbracht: Sie haben sich selbst, ihren jeweiligen Bundesliga-Club, die Bundesliga insgesamt und Deutschland in Herz und Kopf der Israelis gekickt.
Die Bundesliga ist Deutschlands erfolgreichste „Vergangenheitsbewältigung“: durch die Gegenwart und auch in der Gegenwart.
„Der Bundesliga-Rausch hat Israelis wie ein Tsunami erfasst“, schwärmt Mosche Meiri (67), früher Trainer der U15- und U17-Nationalmannschaften.
Er kommentiert die Bundesliga für Israels Sender Sport1 und Sport2. Vater und Sohn Meiri sind häufige und gern gesehene Gäste in Bundesliga-Clubs. „Die Gastfreundschaft in der Bundesliga ist einfach toll“, erzählt Meiri.
„Dennoch ist der israelische Bundesliga-Rausch nicht selbstverständlich“, sagt er und meint nicht nur „die Geschichte“. Populär waren „bislang vor allem FC Barcelona, Real Madrid und Manchester United“.
Das ist jetzt anders: „In Israel schenkt man Jungs zur „Bar Mitzwah“, also zur Kommunion und Firmung, häufig eine Fußballreise. Da gings dann nach Barcelona, Madrid, Manchester oder London. Jetzt raten meine Medienkollegen und ich: auf nach München, Dortmund oder in eine andere Bundesliga-Stadt. Die Leute fahren scharenweise. Und sie sind begeistert.“
Der Ehrenvorsitzende des FC Bayern-Fanclubs, Jehuda Rosenberg (54), genannt „Beckenbauer“, ist ein Herr. Er trägt trotz israelischer Hitze Anzug und Krawatte und ein Käppchen auf dem Kopf, ist also erkennbar religiös.
Rosenberg stammt aus München und erzählt seinen Landsleuten, wie stark und gut die Verbindung zwischen dem FC Bayern und Juden schon immer war:
„Zunächst schämten sich viele, Bayernfans zu sein, weil ihre Freunde andere Clubs gut fanden, aber jetzt ist das anders. Am Anfang mussten wir Mitglieder mit der Lupe suchen, jetzt haben wir fast 800. Alt, jung, arm, reich, Landeskinder und Zugewanderte, vor allem aus Russland.„
Mosche Meiri traf die Mitglieder bei der TV-Übertragung des 4:0 des FC Bayern über den FC Barcelona im Tel Aviver Fanclub. Meiri berichtet hörbar begeistert:
„Sie vermischen fröhlich Hebräisch und Deutsch. Am liebsten rufen sie auf Deutsch “Auf gehts, Bayern, schießt ein Tor!“. Das erste All German Final ist gut für den deutschen Fußball.“
Bessere Völkerverständigung gibt es nicht.
Erstveröffentlichung des Beitrags von Prof. Wolffsohn in BUNDESLIGA-MAGAZIN (Nr. 6/2013), dort unter dem Titel: „Bundesliga-Rausch in Israel.“ – Webseite: www.bundesliga.de Für die freundliche Abdrucksgenehmigung danken wir der Bundesliga-Redaktion und dem Verfasser.Zum Autor: Professor Dr. MICHAEL WOLFFSOHN ist deutschjüdischer Historiker und Schriftsteller, 1947 geboren in Israel, Autor zahlreicher geschichtspolitischer Sachbücher, darunter der Titel „Wem gehört das Heilige Land?“.
Eine Antwort
Man sollte über dem Fußball nicht das Lebenswerk eines Daniel Barenboim vergessen, der mit der Musik Menschen und Völker in außergewöhnlicher Weise verbindet.