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Von Elmar Lübbers-Paal

Zeitlebens lebte er wie ein Mönch. Er ging keine Ehe ein, weil er die Weitergabe seiner Depressionserkrankung an die nächste Generation befürchtete. Er, der schlanke, große Mann, der als „Das Gewissens der Nation“ bezeichnet wurde und zum Ende seines Lebens nur noch Flüssignahrung aufnehmen konnte, starb nach einem Unfall mit nur 54 Jahren: Reinhold Schneider.

„Allein den Betern kann es noch gelingen…“ ist wohl seine bekannteste Dichtung. Dabei hat der formstrenge Lyriker allein über 400 Sonetten, die sich oft mit der kritischen Betrachtung des politischen Lebens befassen, ins Leben gerufen.

Doch trotz seines eher kurzen Daseins kann man bei diesem philosophischen Schriftsteller auf ein bewegtes Leben zurückblicken.

Reinhold Schneider wurde am 13.5.1903 als Sohn von Wilhelm Schneider und seiner Frau Luise Wilhelmina Augusta, geborene Messmer, in eine vornehme Hotelbesitzerfamilie hineingeboren. Das Hotel Messmer in Baden-Baden war seinerzeit die erste Adresse. Mehrfach zählte das deutsche Kaiserpaar Wilhelm I. und Augusta Marie zu den Gästen.

Kaiser Wilhelm I. war sein Pate

Aus Dankbarkeit für die gute Aufnahme stand der Kaiser persönlich für den kleinen Reinhold als Pate zur Verfügung. Der Kontakt zum Kaiserhaus blieb erhalten, auch als das Hotel nach dem 1. Weltkrieg schließen musste.

Später, als der Nachfolge-Kaiser Wilhelm II. im Haus Doorn in der Provinz Utrecht im Exil lebte, besuchte ihn Schneider einige Male. Innerlich blieb der literarische Komponist ein Monarchist. Gern hätte er es gesehen, wenn Deutschland wieder einen christlichen Adeligen zum Staatslenker bekommen hätte.

Schneiders ideales Weltbild könnte man als „eine menschliche Welt, die dem Göttlichen zustrebt“ beschreiben. Nach den beiden verlorenen Kriegen gab es nicht wenige, die den selben Wunsch hegten. Zunächst aber prägen andere einschneidenden Erlebnisse seine Persönlichkeit.

Als Reinhold Schneider seinen 19. Geburtstag feiert, erschießt sich sein Vater. In dieser schweren Zeit steht ihm die Künstlerin Anna Maria Baumgarten (1881 – 1960) zur Seite. In den 1920er Jahren absolviert Schneider auf Schloss Langenstein am Bodensee ein Landwirtschaftliches Praktikum, worauf eine kaufmännische Lehre in der Druckerei Stengel & Cie in Dresden anschließt.

Der Dichter und seine Reiselust

Nachdem er sich dem Sprachstudium in Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Französisch und Italienisch gewidmet hat, packt ihn die Reiselust. 1929 verwirklicht Reinhold Schneider eine Fahrt nach Portugal. Von seinen auch später unternommenen Reisen fertigt er ausführliche Beschreibungen an, die er Verlagen zur Veröffentlichung anbietet.

Sie werden für ihn eine gute Einnahmequelle, da sich wenige eine eigene Fahrt ins Ausland leisten können, aber an Hand seiner bildreichen Erzählung so wenigstens eine Reise in Gedanken vollziehen können.

Während der Schriftsteller bis 1932 in Loschwitz bei Dresden wohnt, geht er Studien in Literatur, Geschichte und Philosophie nach, bevor er seinen Wohnsitz bis 1937 nach Potsdam verlegt. Der Dichter kommt viel herum und verarbeitet die dabei erhaltenen Erkenntnisse in seinen Werken. 1934 unternimmt der Literat eine ausgiebige Englandreise.

Für etwa ein Jahr zieht Schneider nach Hinterzarten, das in seiner badischen Heimat liegt. Doch auch dort hält es ihn nicht und er siedelt 1938 nach Freiburg im Breisgau um. Die am westlichen Rand des Schwarzwaldes gelegene Stadt mit dem imposanten Münster wird – bis auf kleine Unterbrechungen –  nun seine dauerhafte Heimat.

1941 bekommt Schneider das Privileg einer Privataudienz bei Papst Pius XII. (siehe Foto).

Im selben Jahr wird ihm durch die Machthaber die Druckgenehmigung für seine Werke entzogen. Seine auf tragische Geschichtsdeutung basierende Stoffe, die die Übertragung in die NS-Zeit zulassen, sind unerwünscht, zumal darin die Negierung der Nazi-Regierung mit ihrer teuflischen Vernichtungspolitik und die gleichzeitige Widerstandsfähigkeit des Christentums deutlich vernehmbar ist.

Die Melancholie des Genies lässt tragisch-tiefgründige Texte hervorbringen. „Las Casas vor Karl V.“ ist ein Werk, welches bis in unsere Tage Nachdrucke erfährt. Noch vor einigen Jahren war dieses Buch, welches jede Anmaßung einer autoritären Herrschaftskultur verwirft, in den gymnasialen Oberschulen zu finden.

Seine kritischen Schriften kursierten in der NS-Zeit

Doch heute sind die literaturhistorisch nicht klar verortbaren Texte Schneiders, die für den jungen Leser komplizierte sprachlich-stilistische Elemente enthalten, nahezu völlig unbekannt. Seine kleinen Hefte, die während der Nazi-Herrschaft verbotener Weise gedruckt und verbreitet wurden, sind zu „religiösen Sanitätern“ geworden.

Weil der katholischen Militärpfarrer Johannes Kessels 1944 in Reichshof/Polen die Schriften heimlich druckte, fanden sie sogar dankbare Leser in Schützengräben, Konzentrationslagern, Gefängnissen und Luftschutzkellern. Dies blieb von der braunen Obrigkeit nicht gänzlich unbemerkt, so dass Hausdurchsuchungen, Verhöre und schließlich 1945 eine Anklage wegen Hochverrats folgten.

Nur dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft ist es zu verdanken, dass eine vorgesehene Todesstrafe durch Enthauptung nicht mehr erfolgen konnte. Reinhold Schneider gehörte bereits während der Kriegsjahre auch dem Freiburger Kreis an, in dem sich katholische Intellektuelle nach den Novemberpogromen 1938 zu einem oppositionellen Gesprächskreis um den Publizisten Karl Färber trafen.

Nach dem 2. Weltkrieg setzte sich Schneider für den Frieden ein und sprach sich deutlich gegen eine Wiederbewaffnung Deutschlands aus, was ihn zum Außenseiter werden ließ. Dennoch wurden Schneider etliche Auszeichnungen und Preise zuteil. Seine ordentliche Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaft und Literatur sowie die ordentliche Mitgliedschaft in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, spiegeln seine Genialität wieder.

Vertreter der katholischen Erneuerungs-Literatur

1948 erhält er gemeinsam mit Gertrud von Le Fort den Anette von Droste-Hülshoff-Preis der Badischen Landesregierung. Reinhold Schneider gehört zusammen mit Gertrud von Le Fort, Werner Bergengruen, Elisabeth Langgässer, Heinrich Lützeler, Romano Guardini, Dietrich von Hildebrand und weiteren zur Renouveau catholique in Deutschland, der gesellschaftskritischen Erneuerungsbewegung in der literarisch-weltanschaulichen Disziplin.

Durch die Fürsprache des damalige Bundespräsidenten Theodor Heuss wird Reinhold Schneider 1956 der „Friedenspreis des deutschen Buchhandels“ verliehen.

Nach einem Sturz auf der Straße im März 1958 stirbt Reinhold Schneider am 6. April 1958 im Loretto-Krankenhaus in Freiburg im Breisgau.

Die Schriften Reinhold Schneiders können uns in der momentanen kriegerischen Zeit zeigen, wie wichtig eine Wiederbelebung der christlicher Mystik durch die deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts wäre.

Der Schweizer Autor Pirmin Meier ist sich jedenfalls sicher, dass „Reinhold Schneider das Leben eines auf exemplarische Weise gläubigen Christen und Beters geführt hat.“

Recht hatte Reinhold Schneider, als er dichtete: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen.“

Kommentare

3 Antworten

  1. Reinhold Schneider wurde 1903 geboren. Es wird also Kaiser Wilhelm II. sein Pate gewesen sein und nicht dessen Großvater, der Reichsgründer Wilhelm I.. Dieser starb nämlich 1888, im Dreikaiserjahr. Ich bitte um Richtigstellung.

  2. Ein „Kreuz- und Querdenker“ (Peter Hahne), wie er im Buche steht. Wenn die heutige Generation schon vor Grippe und deren Ideologen im höchsten Staatsamt zurückschreckt, wieviel mutiger war ein Schneider dann gegen einen wirklichen Diktator. Bonhoeffer: Wir müssen dem Amok-Autofahrer ins Lenkrad greifen. Heute tut das nur noch die AfD, die juden-freundlichste Partei im Bundestag.

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