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Gibt es eine Strahlenerkrankung aufgrund des Reaktorunglücks von Fukushima?

Von Hans Bernd Ulrich

Hundert Euro habe ich mir selber verdient. Denn die hatte ich demjenigen ausgelobt, der mir als erster eine nachprüfbare Nachricht über eine Strahlenerkrankung als Folge des Reaktorunglücks in Fukushima präsentiert.

Im November letzten Jahres war es soweit. Ich stieß auf diese Meldung:

http://www.aerztezeitung.de/panorama/k_specials/japan/article/897152/atomkatastrophe-fukushima-erster-leukaemie-fall-arbeiter-bestaetigt.html

Aus dem Text: Die Ministeriumsvertreter nahmen davon Abstand, einen Zusammenhang mit der Fukushima-Katastrophe zu bestätigen: “Obwohl die kausale Verbindung zwischen der Tatsache, dass er Strahlung ausgesetzt war, und seiner Erkrankung unklar ist, haben wir ihm bescheinigt, dass er im Rahmen der Arbeitsunfallversicherung eine Entschädigung erhält.”

Der Mann hatte bei Aufräumarbeiten über einen längeren Zeitraum eine Dosis von insgesamt etwa 20 Millisievert aufgenommen. Das entspricht ungefähr der Strahlendosis einer CT-Untersuchung des Brustraumes. Einer solchen Behandlung hatte auch mich vor über dreißig Jahren unterzogen.  Diese Strahlenmenge gilt üblicherweise als 0022gesundheitlich  unproblematisch.

In den US-Nachrichten wurde es genauer spezifiziert: Die Leukämieerkrankung des Arbeiters wurde als Berufserkrankung wegen Fukushima anerkannt und ist damit die erste ihrer Art. Eine absolute Gewissheit gibt es somit nicht. Aus dem US-Text: The Health and Labor Ministry said the man, who wasn’t identified further, has received government approval for compensation for the radiation-induced illness.

Und weiter: Medical experts could not determine whether his exposure at Fukushima was the direct cause of his leukemia, a ministry official said on condition of anonymity, citing sensitivity of the issue. But his total exposure of 19.8 millisievert was mostly from his work at Fukushima, the official said.

Quelle: http://www.nj.com/healthfit/index.ssf/2015/10/ex-fukushima_nuclear_plant_worker_confirmed_to_hav.html

Aus dem US-Text geht hervor, daß ca 40.000 Arbeiter rund um Fukushima eingesetzt waren. In Deutschland beträgt das jährliche Erkrankungsrisiko für Leukämie eines 30 bis 40-jahrigen Mannes bei 3 bis 5 Fällen pro 100.000 Einwohner. Davon ist ein Viertel auf AML zurückzuführen. Vermutlich ist diese Krebsart, die zusammen mit Strahlenexposition beobachtet wird, bei dem Mann diagnostiziert worden.

Die Überlebenswahrscheinlichkeit in den ersten fünf Jahren beträgt 50%. Wünschen wir dem Mann gute Besserung und vollständige Heilung!

http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Leukaemien/leukaemien_node.html
http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2013/kid_2013_c91-95_leukaemien.pdf?__blob=publicationFile

Die deutschen Medien waren nun in einem Dilemma. Gilt doch in der öffentlichen Wahrnehmung Fukushima als die Super-Katastrophe schlechthin. Was man geflissentlich weglässt: Eine Atom-Katastrophe,  die bis dahin noch keine strahlenbedingten Gesundheitsschäden verursacht hat. Dementsprechend dürftig fielen die Verlautbaren hierzulande aus.

Quelle und Fortsetzung des Artikels hier: https://hansberndulrich.wordpress.com/2016/04/08/fukushima-fuenf-jahre-spaeter/

Kommentare

5 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Ulrich,

    Tumorenwachstum braucht Zeit. Explodiert ist die Krebsquote zwanzig Jahre danach, nach Tschernobyl.

    Es grüßt
    Peter Rösch

    1. Sehr geehrter Herr Roesch,

      können Sie mir bitte für diese Aussage Belege beibringen? Denn das steht im direkten Widerspruch zu den Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation; ich zitiere:

      Die WHO hat im Jahr 2006 die gesundheitlichen Auswirkungen des Reaktorunfalls bewertet und in zwei bahnbrechenden Berichten zusammengefasst, die dann vom Tschernobyl-Forum der Vereinten Nationen veröffentlicht wurden. Der Wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR) hat die Ergebnisse vor kurzem überprüft und aktualisiert.

      Aus:

      http://www.euro.who.int/de/who-we-are/regional-director/news/news/2011/04/chernobyl,-25-years-on-whoeurope-renews-support-for-the-people-affected-and-builds-on-the-lessons-learned

      In der Zusammenfassung des UNSCEAR-Berichtes, auf den die WHO Bezug nimmt, finden sich u.a. die nachfolgenden Feststellungen:

      There is no scientific evidence of increases in overall cancer incidence or mortality rates or in rates of non-malignant disorders that could be related to radiation exposure. The incidence of leukaemia in the general population, one of the main concerns owing to the shorter time expected between exposure and its occurrence compared with solid cancers, does not appear to be elevated. Although those most highly exposed individuals are at an increased risk of radiation-associated effects, the great majority of the population is not likely to experience serious health consequences as a result of radiation from the Chernobyl accident. Many other health problems have been noted in the populations that are not related to radiation exposure.

      Und weiter im Text:

      Apart from the dramatic increase in thyroid cancer incidence among those exposed at a young age, and some indication of an increased leukaemia and cataract incidence among the workers, there is no clearly demonstrated increase in the incidence of solid cancers or leukaemia due to radiation in the exposed populations. Neither is there any proof of other non-malignant disorders that are related to ionizing radiation. However, there were widespread psychological reactions to the accident, which were due to fear of the radiation, not to the actual radiation doses.

      There is a tendency to attribute increases in the rates of all cancers over time to the Chernobyl accident, but it should be noted that increases were also observed before the accident in the affected areas. Moreover, a general increase in mortality has been reported in recent decades in most areas of the former Soviet Union, and this must be taken into account when interpreting the results of the accident-related studies.

      Aus:

      http://www.unscear.org/unscear/en/chernobyl.html

      Leider ist auch dieser UNO-Bericht nie ins Deutsche übersetzt worden. Die Lektüre ist zwar mühsam, aber es lohnt sich. Ich persönlich habe damals darüber mit dem Helmholtz-Institut korrespondiert. Der Briefwechsel findet sich hier:

      https://hansberndulrich.wordpress.com/2013/03/10/keine-personenschaden-in-fukushima/

      In zwei Wochen jährt sich das Reaktorunglück von Tschernobyl, das im übrigen nicht mit Fukushima vergleichbar ist, zum dreißigsten Mal. Ich erwarte, daß die WHO neue Erkenntnisse, so es sie denn gibt, über die Langzeitfolgen veröffentlicht.

      Ich werde darüber berichten.

      Beste Grüße

      Bernd Ulrich

  2. Mir behagt diese zynische Art im Umgang mit einer immerhin drohenden Strahlenerkrankung, wenn man in einem havarierten Kraftwerk eingesetzt wird, überhaupt nicht! Wetten abschließen sollte man vielleicht auf etwas weniger sensible Themen…

    Japan ist weit weg, und dort wird mehr gemauschelt und unter den Teppich gekehrt, als einem lieb ist…
    Wenn kein Fall außer diesem einen, anscheinend fragwürdigen (?), bekannt ist, heißt es nicht, dass es keine anderen gäbe. Es ist wie beim Rauchen und dem Lungenkrebs: man gaukelte uns vor Jahrzehnten auch vor, das eine hätte mit dem andern nichts zu tun, eben weil man nur Korrelationen, aber keine tatsächliche Ursache-Wirkung-Mechanismen nachweisen konnte.

    Es sterben an den Folgen der Reaktorkatastrophe auch viele aufgrund der Fluchtfolgen: http://www.n-tv.de/panorama/Immer-mehr-Japaner-sterben-an-Flucht-Folgen-article14667596.html Das sollte man nicht gegen mögliche Schäden durch die radioaktive Strahlung ausspielen. Immerhin hat es Gründe, dass die Leute noch evakuiert bleiben – so ganz ungefährlich dürfte es in der strahlenbelasteten Region wohl nicht sein…

    Ihr Artikel wirkt so, als könnte man sich ruhig mal ein bisschen verstrahlen lassen – das ist gar nicht schlimm! Und er gaukelt vor, Hilfseinsätze im zerstörten Reaktor lösten höchstens mal so ein bisschen Strahlen wie beim Arzt aus. Wer hat das bei dem Mann denn so genau gemessen? Und woher weiß man das so sicher, wie viel man abbekommt, bevor man da reingeschickt wird?

    Die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki haben und doch vor Augen geführt, dass Personen, die untreschiedlichen Strahlendosen ausgesetzt waren, teilweise bald und teilweise erst Jahrzehnte später erkrankten.

    Davon abgesehen kennt man aus der UdSSR das Auftreten der sogenannten „Strahlenkrankheit“, die von schwachen bis sehr starken Erkrankungssymptomen reichen kann und eine Vielzahl an unspezifischen Beschwerden auslöst, die man ganz leicht auf „andere Gründe“ schieben kann. http://www.sprechzimmer.ch/sprechzimmer/Krankheitsbilder/Strahlenerkrankung_Krankheit_durch_radioaktive_Bestrahlung.php

    ich wäre also mit solchen, leicht hämisch klingenden Artikeln doch etwas vorsichtig.

    Wenn in Japan nur wenige durch die Strahlen geschädigt wurden, freuen wir uns und danken Gott für die Bewahrung: selbstverständlich aber ist das nicht!

    1. Volle Zustimmung! In der Präfektur Fukushima sind ganze Landstriche unbewohnbar wegen der Verstrahlung. Man muss auch bedenken, dass Fukushima eine sehr ländliche Gegend ist. In einem Ballungsraum sähe die Bilanz garantiert anders aus. Alles Weitere hat „zeitschnur“ ja gut erklärt.

      „Die Ministeriumsvertreter nahmen davon Abstand, einen Zusammenhang mit der Fukushima-Katastrophe zu bestätigen“: abgesehen davon, dass bei Krebserkrankungen ein kausaler Zusammenhang oft nicht nachweisbar ist, wie „zeitschnur“ schon erläutert hat: Weiß Herr Hans Bernd Ulrich nichts von der engen Verflechtung zwischen Atomindustrie und Regierung? Über die Verharmlosungen und Vertuschungen, die es gegeben hat?
      Das ist ungefähr so, wie wenn man im Brustton der Überzeugung verkündet: „Der Zustrom von Flüchtlingen kann bewältigt werden, die Flüchtlinge lassen sich integrieren, sagte die Bundesregierung“.

    2. An Bernhard und Zeitschnur:
      Die Situation mit den noch Evakuierten ist mir bekannt. Ich weiß auch, daß eine Fläche so groß wie der Bodensee immer noch Sperrgebiet ist. – Es geht mir schlichtweg darum, festzustellen, daß bisher in Fukushima außer dem zitierten, strittigen Fall noch nichts an Opfern bekannt ist. Das wurde übrigens auch von der WHO (World Health Organisation = Weltgesundheitsorganisation) bestätigt. Die Quellen habe ich im Text und auch in den dort angeführten früheren Artikeln angegeben. Die WHO ist eine Unterorganisation der UNO. Natürlich kann man behaupten, das alles sei eine riesige Verschwörung: Die UNO, die Regierungen und die Atomindustrie stecken zusammen mit der japanischen Bevölkerung unter einer Decke und vertuschen einfach alles. Mit Verlaub: Das ist absurd.
      In Japan gibt es mehr Smart-Phones als Einwohner, da bleibt nichts geheim. Nicht einmal Greenpeace behauptet derzeit, daß es bis auf den genannten Fall weitere Strahlenopfer gibt. Auch zum Stichwort „Schilddrüsenkrebs“ habe ich Stellung genommen.
      In meinem Originalartikel habe ich auf frühere Veröffentlichen und auf meine Korrespondenzen mit dem Bundesamt für Strahlenschutz, der Gesellschaft für Reaktorsicherheit sowie dem Helmholtz-Institut verwiesen. Blättern Sie einfach im Originaltext nach unten. Sehr aufschlussreich ist auch der Artikel aus der ZEIT, den ich per Link eingebunden habe.

      Sie können aber auch hier das Originalpapier der UNO lesen:
      http://www.unscear.org/unscear/en/fukushima.html
      Leider gibt es dazu keine deutsche Übersetzung. Nicht nur ich frage mich: Warum wohl?

      n-tv: Das ist ein besonderer Fall. Diese „Nachrichtenmanufaktur“ (so nennen die sich selber, kein Witz!) ist in der Vergangenheit stets durch Skandalisierung aufgefallen. Ich verweise auf meine älteren Beiträge wie z.B.:
      https://hansberndulrich.wordpress.com/2012/03/12/berichterstattung-n-tv-de-uber-fukushima-zum-1-jahrestag/

      Ich habe mir damals auch die Mühe gemacht, die Leute von den „Nachrichtenmanufaktur“ schriftlich per Brief anzuschreiben, nachdem ich auf meine Mails keine Antwort erhalten habe. Vergeblich. Keine Reaktion.

      Nichtsdestotrotz: Ich bin immer an neuen, nachprüfbaren Fakten zu Fukushima interessiert. Wenn Sie etwas dazu beitragen können, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Aber bloße Vermutungen oder Verschwörungstheorien bringen uns da nicht weiter. Vergleiche mit der Tabakindustrie oder den Atombomben über Japan ziehen nicht. Da ist die Faktenlage seit Jahrzehnten unstrittig, zudem waren das ganz andere Ereignisse.

      Indessen: Ihre Reaktion ist verständlich und sie begegnet mir oft auch im Gespräch. Wahn und Wirklichkeit klaffen beim Thema „Fukushima“, zumindest hier in Deutschland, meilenweit auseinander. Das Thema interessiert mich einfach, sowohl als studierter Naturwissenschaftler als auch als politisch denkender Mensch. Deswegen habe ich Zeit und Mühe investiert, um der Sache auf den Grund zu gehen. Es hört sich unglaublich an, aber es ist einfach so: Fukushima ist hierzulande hauptsächlich ein Medienphänomen, das politisch instrumentalisiert wurde. Über die Beweggründe könnte man Romane schreiben.

      Beste Grüße
      Bernd Ulrich

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