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Heute: 90. Geburtstag der Dichterin Ilse Aichinger

Lob für Jesuitenpater Ludger Born und die Hilfsstelle von Kardinal Innitzer

Sie feiert am heutigen Dienstag, den 1. November 2011,  ihren 90. Geburtstag: Ilse Aichinger, die große Dame der österreichisch-deutschen Nachkriegsliteratur.

Die Biografie der Dichterin hat einen wichtigen Berührungspunkt zur kath. Kirche, genauer: zur Wiener „Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“. Diese Einrichtung  wurde 1940 von Kardinal Theodor Innitzer ins Leben gerufen, um während der Nazi-Diktatur den „Nichtariern“, also in der Regel Juden und Judenchristen zu helfen, wobei der Leiter und die 23 Mitarbeiterinnen der Hilfsstelle ein großes persönliches Risiko eingingen: 9 Frauen wurden in KZs deportiert, wobei bis auf eine einzige alle vergast wurden.

Geboren am 1. November 1921 als Tochter eines katholischen Lehrers und einer jüdischen Ärztin in Wien wurden Ilse Aichinger und ihre Zwillingsschwester Helga katholisch getauft. Als damals so genannte „Halbjüdin“ verbrachte sie die Kriegszeit in Wien. Auch ihre Familie blieb von den NS-Deportationen nicht verschont. Überlebt hat Ilse Aichinger die Nazizeit schließlich als eine von 2882 „U-Booten“ in Wien: d.h. untergetaucht ohne gültige Papiere, ohne Lebensmittelkarten, ohne festen Wohnsitz.

In dieser Zeit war die „Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“ im Erzbischöflichen Palais eine wichtige Anlaufstation; sie sei in die Hilfsstelle gekommen, „um unter Menschen zu sein, mit denen man reden und sich austauschen konnte und wo man nicht bespitzelt wurde“, erklärte die Schriftstellerin im Gespräch mit „Kathpress“.

Die eigentliche Leistung der Hilfsstelle habe ihres Erachtens nach „nicht in materieller Hilfe“ bestanden, sondern darin, „den Menschen Selbstwertgefühl zu geben und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Existenz nicht ganz umsonst ist“.

Aichinger würdigt vor allem den heldenhaften Jesuitenpater Ludger Born, der von Innitzer mit der Leitung der Hilfsstelle betraut worden war. Seine gewinnende Persönlichkeit habe „Hoffnung geschenkt, wo es keine Hoffnung mehr gab“, so Aichinger:  „Er gab den Menschen Selbstwertgefühl und Selbstgewissheit – und letztlich braucht man beides nicht nur zum Leben, sondern auch zum Sterben.“

Die Dichterin setzte dem Jesuitenpater Born in „Kleist, Moos, Fasane“ ein literarisches Denkmal. So liest man in ihrem Text „Hilfsstelle“ folgende Schilderung:

„Ich sah uns wieder an der alten Kirchenmauer lehnen und die anderen erwarten, ehe wir hineingingen. Ich hörte die Gespräche von damals wieder, die Geplänkel, selbst die Spiele, mit denen wir uns die Freiheit des Schulkinderdaseins, der hellen verlassenen Schulhäuser zurückspielten, die dahin war.

Ich sah uns die alte Kirche betreten, ein Schiff, das uns aufnahm, das uns in ein Land trug, wo keine Bürgschaften verlangt wurden, wo man nicht zurückgewiesen oder mit Unbehagen betrachtet wurde, ein Land, das sich umso mehr als Heimat erwies, je fremder es vielen von uns zuerst schien. Der Westen und der Osten – unnütz, die aufzuzählen, die uns allein mit unseren Verfolgern gelassen hatten. Aber hier war ein Land. Ich sah uns an der rechten Seite der Kirchenbänke entlanggehen.

Nie war die Tür verschlossen, die Treppe versperrt, die uns weiterführte. Nie waren wir unwillkommen, nie war die Stimme ungeduldig, die uns empfing.

Das Glück, das uns hier gewünscht wurde, hielt stand (…) unser Pater, der Äpfel oder Nüsse über den Tisch warf, der nach den schwierigsten Augenblicken des Tages fragte, und wie man ihnen beikommen könne, der gelassen den Platz vor der geheimen Polizei kreuzte, die Brücken, wann immer es ihm nötig schien; seine Helferinnen, die uns zu Schwestern oder Müttern wurden, oder zu beiden, die heimlichen Proben zu unseren Festen, zu denen manchmal der Kardinal kam, als Gastgeber der Hilfe und als ihr Gast.

Nicht wie Wohltäter zu Waisenhausfesten zu kommen pflegen, mit einem raschen Lächeln und ebenso rasch entschlossen, zu gehen. Er kam, bereit zu bleiben und nicht nur den Augenblick der Freude mit uns zu teilen. Die ihn gesehen haben, wissen es.“

Quelle: RadioVatikan

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