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Konversion: Der evangelische Theologe Andreas Theurer und seine Frau sind katholisch geworden

Der evangelisch-lutherische Ex-Pfarrer Andreas Theurer und seine Frau Gudrun – vorher Mitglied der Landessynode –  sind  am Montag, den 26. Oktober 2012, in die katholische Kirche aufgenommen worden.   
Anfang August hatte die Leitung der evang. Landeskirche in Württemberg den Pastor amtsenthoben, nachdem er ein Buch mit dem Titel „Warum werden wir nicht katholisch?“ veröffentlichte und seinen geplanten Konfessionswechsel bekanntgab.


Andreas Theurer wird künftig am „Institut für Neuevangelisierung und Gemeindepastoral“ im Bistum Augsburg arbeiten, seine Frau in der katholischen Krankenhauspastoral.
Der Übertritt in die katholische Kirche sei ein „Ankommen in einer ersehnten Heimat“ gewesen, erklärte der Ex-Pastor seine Konversion.
Lesen Sie hierzu diese Besprechung des Theurer-Buches von Felizitas Küble, die in der aktuellen Ausgabe des „Theologischen“ (Sept.-Okt. 2012) erschien:

Ein evangelischer Pastor und seine Sehnsucht nach kirchlicher Einheit in Christus

Bereits der Buchtitel „Warum werden wir nicht katholisch?“  ist von erfrischender Direktheit  – und durchaus kennzeichnend für dieses 96 Seiten umfassende Bändchen, das ein amtierender evangelisch-lutherischer Pastor verfaßte.
In dieser Schrift ruft der  –  noch  –  protestantische Theologe dazu auf, die für das christliche Zeugnis in der Welt abträgliche Spaltung der Christenheit durch eine allgemeine Rückkehr in die katholische Kirche zu überwinden.
Natürlich führte diese schnörkellose „Provokation“ zu einigem Pressewirbel, schließlich kommt es nicht alle Tage vor, daß ein evangelischer Pfarrer  – noch dazu per Buch  –  die öffentliche Frage stellt: „Warum werden wir nicht katholisch?“
Wenig verwunderlich also, daß die zuständige Landeskirche von Württemberg den theologischen Querdenker kurzerhand  als Pfarrer von Seewald-Göttelfingen suspendierte, so daß der nunmehrige Ex-Pastor seinen bisherigen Weg zum passenden Ziel führen will, indem er (…)  gemeinsam mit seiner Frau, einer evangelischen Synodalen, der katholischen Kirche beitritt.
In der amtlichen Begründung zur Amtsenthebung heißt es u.a.:
„Mit dieser für die Öffentlichkeit zugänglichen Schrift bewegt Theurer sich nicht mehr auf dem Boden der für die Evangelische Landeskirche in Württemberg geltenden Bekenntnisse und kann deshalb sein Amt nicht mehr glaubwürdig ausfüllen.“
Die Publikation des lutherischen Pfarrers hat den amtskirchlich-protestantischen Geduldsfaden offensichtlich überspannt; sie mußte seinem   –  sonst freilich denkbar liberalen und obertoleranten  –  Dienstherrn als anstößige „Provokation“ erscheinen, wobei die Sprache des Autors allerdings durchgängig sachlich und gediegen ist.
Das Bändchen enthält keinerlei Rundumschläge, es verzichtet auf jede Polemik und erweist sich als eine theologische Argumentation, die gehaltvoll und zugleich in verständlicher Sprache abgefaßt ist.

Foto: KOMM-MiT-Verlag

Des Pastors Buch „Warum werden wir nicht katholisch?“ befaßt sich mit wesentlichen katholisch/evangelischen „Unterscheidungs-Lehren“  – und beleuchtet  diese sowohl aus biblischer Sicht wie auch im Lichte der kirchlichen Tradition, vor allem der apostolischen Überlieferung, die dem Verfasser besonders wichtig ist.Dabei gelangt der 1966 geborene Pfarrer zu sehr „katholisch“ anmutenden Schlußfolgerungen oder – wie er im Untertitel seines Buches schreibt  – „Denkanstößen“.
Für den evangelischen Theologen ist es schlichtweg  „ein Skandal, dass die Christenheit seit Jahrhunderten zerteilt ist“ (Seite 8); er schreibt korrekt „die Christenheit“, nicht „die Kirche“, denn diese ist eben nicht getrennt, der Leib Christi ist unzerteilt: die katholische Kirche als Stiftung Christi ist (sich) „einig“.
Außerdem verweist er im Vorwort seines Büchleins auf den Wunsch des HERRN an seine Apostel: „Ich will, dass alle eins seien“ (Joh 17,21).
Diesem Auftrag des HERRN möchte der evangelische Theologe dienen:
„Es ist ein Skandal, weil es dabei um den Leib Christi geht, und es der Herzenswunsch des HERRN ist, dass sein Volk eins ist im Glauben und in der Anbetung, eins im Bekenntnis und im Dienst für die Notleidenden.“ (S. 8)
Diesen Einsatz für die kirchliche Einheit vermißt er in seinem „eigenen Lager“:
„Trotzdem geben sich die meisten Evangelischen damit zufrieden, die Trennung zu akzeptieren, die Schuld daran den Katholiken zuzuweisen und vielleicht die Vielfalt der christlichen Kirchen – der Buntheit der Schöpfung vergleichbar  – als ein besonderes Wunder Gottes zu verklären. Sonderbar!“(8)
Der Autor überlegt sodann, ob die „Gründe für eine anhaltende Trennung“ denn „wirklich gewichtig genug“ seien, um diese Trennung „angesichts der fortschreitenden Entchristlichung unserer Welt beizubehalten?“

Sorge um die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses 

Es geht dem Verfasser nicht zuletzt um das christliche Zeugnis in einer weitgehend unchristlichen Welt, wobei dieses missionarische Bemühen durch die Zerspaltenheit der Christenheit bislang getrübt ist.
Um dieser Sehnsucht nach Einheit zu dienen, wendet sich sein Buch, wie er schreibt, „in erster Linie an Protestanten, denen ihr Glaube wertvoll ist und die diesen ihren Glauben bewusst an die Autorität der Heiligen Schrift binden wollen.“ (9)
Diesen bibelorientierten Evangelischen will er nunmehr „die Glaubensaussagen der römisch-katholischen Christen erklären“.

Dabei beschreibt er ein Grundgefühl, das vielen theologisch konservativen Protestanten eigen ist, wenn sie an die medienwirksamen „Auftritte“ etwa des Papstes denken oder an klare katholische Widersprüche gegen den Zeitgeist, die Evangelikale sich von ihrer eigenen Kirchenleitung vergeblich wünschen; der Autor schreibt hierzu:
„Andererseits schauen wir oft neidisch auf die katholische Kirche, wenn sie wieder einmal die geballte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn sie es schafft, unpopulären Wahrheiten öffentlich Gehör zu verschaffen, wenn sie Klarheit in der Lehre und Geschossenheit demonstriert, während aus den Evangelischen Landeskirchen ein vielstimmiges Gewirr von unterschiedlichen Meinungen ertönt.“ (10)
Mit dieser Situationsbeschreibung hat der evangelische Theologe sicher vielen Evangelikalen aus dem Herzen gesprochen, wenngleich die meisten von ihnen daraus nicht seine Schlußfolgerungen ziehen oder gleich mit der Frage anrücken: „Warum werden wir nicht katholisch?“
Tatsächlich fällt seine Schrift reichlich aus dem Rahmen dessen, was man üblicherweise von evangelischen Autoren zu lesen bekommt, selbst von evangelikalen, also theologisch-konservativen Protestanten, die mitunter  – so scheint es  –  mit einem Fuß in der katholischen Kirche stehen, zumindest aber deren „Grundsatztreue“ und Geschlossenheit bewundern, was angesichts der Zersplitterung und Zeitgeistsurferei im evangelischen Spektrum wenig erstaunt.
Dennoch halten auch evangelikale Autoren bei aller Kritik an ihrer eigenen, liberal abgedrifteten Kirchenleitung „in Treue fest“ an ihren protestantischen Grundüberzeugungen.
Ex-Pastor Andreas Theurer geht mit seinem „umstrittenen“ Buch freilich einen wesentlichen Schritt weiter; er bietet nicht in erster Linie ein Klagelied über „verkommene“ Verhältnisse in evangelischen Landeskirchen, sondern beschäftigt sich mit grundlegenden theologischen Fragen, wobei ihn die unstillbare Sehnsucht nach der kirchlichen Einheit auch für seine evangelischen Mitchristen antreibt.

„Warum sind wir noch protestantisch?“

Ihnen stellt er in seinem Schlußkapitel die  –  nicht nur rhetorische  –  Frage: „Warum sind wir noch protestantisch?“ (92)
Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der Gedanke, daß die Trennung der Christenheit nicht durch „Verhandlungen“ nach Art der Welt erreicht werden kann, denn Glaubensinhalte sind keine verhandelbaren Gegenstände. Es geht um den Willen des HERRN, nicht um die Wünsche der Menschen.
Hierzu schreibt der Autor einleitend:
„Beim Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. im September 2011 wurden von evangelischer Seite teilweise hohe Erwartungen genährt, dass der Papst dem Protestantismus entgegenkommen und sie endlich als Kirche anerkennen könnte. Das ging soweit, daß er sich in Erfurt genötigt sah, darauf hinzuweisen, dass theologische Fragen keine Verhandlungsgegenstände sein können, bei denen man Kompromisse schließen und sich irgendwo in der Mitte treffen könne.“(92)
Der evangelische Ex-Pastor stellt klar: „Vielmehr kann Kircheneinheit nur mithilfe eines ernsthaften Ringens um die Wahrheit gefunden werden.“ (92)
Zugleich erläutert er nüchtern, daß die protestantische Seite mit ihren modernistischen Einfällen und Ausfällen die Ökumene mit der katholischen Kirche ständig erschwert:
„Dabei ist es nicht hilfreich, wenn wir Evangelischen immer neue Sonderlehren und Abweichungen von der apostolischen und altkirchlichen Lehre in unseren Gemeinden einführen.
Der Papstbesuch hat es wieder neu deutlich gemacht: die größten Hindernisse für die Ökumene liegen heute nicht (mehr) bei der katholischen Kirche und beim Papst, sondern bei uns! Wir sind selbst schuld, dass uns „Rom“ nicht als Kirche im Vollsinn anerkennen kann.“ (92)
Ex-Pastor Theurer schreibt, daß er mit seinem Buch „Denkanstöße“ für evangelische Mitchristen geben wolle, um zu verdeutlichen, „dass die Kircheneinheit auch auf der theologischen Ebene möglich wäre, wenn wir Evangelischen nur wollten! Aber dazu müssten wir auf manche liebgewonnene Rechthaberei und einige Irrtümer verzichten.“ (93)
Das ist sicher starker Tobak für evangelische Ohren, nicht allein für „stock-protestantische“. Auch evangelikalen Lesern wird diese Schlußfolgerung zu weit gehen – bei aller Zustimmung zur Kritik des Autors an landeskirchlichen evangelischen Mißständen.
Doch dem Verfasser geht es nicht um vordergründige Provokationen, sondern um die Herausforderung, der sich die Christenheit von Christus her stellen muß, da dieser wünschte, „daß sie alle eins seien“. Dabei hat der Autor das glaubwürdige christliche Zeugnis für die Welt im Blick, das durch die konfessionelle Zersplitterung verdunkelt wird.  

Foto: KOMM-MIT-Verlag

Andreas Theurer nimmt diesen Auftrag Christi konsequent ernst; daher geht er kontroverstheologischen Themen  auf den Grund und gelangt zu dem Ergebnis, daß die katholischen Standpunkte sehr wohl mit der Heiligen Schrift und der apostolischen Tradition vereinbar sind, daher einer Rückkehr evangelischer Christen zur katholischen Kirche durchaus nichts im Wege stände.
Allerdings stellt der Autor zugleich fest, daß auf evangelischer Seite das Bestreben wächst, sich von der katholischen Seite zu distanzieren und selbstverliebt das eigene Profil zu pflegen:
„Nun nähert sich mit dem Jahr 2017 das 500-jährige Reformationsjubiläum und immer deutlicher wird auf protestantischer Seite das Bemühen, die seither hinzuge-kommenen Unterschiede zu betonen und sich damit als „Kirche der Freiheit“ gegenüber dem dogmatisch und ethisch festgelegten Katholizismus zu profilieren.“ (94)
Dabei werde auf den ökumenischen Flurschaden kaum Rücksicht genommen:
„Dass die Spaltung der Christenheit dadurch nur noch immer mehr vertieft wird und der Protestantismus sich selbst immer weiter von seinen einstmals in Bibel und Bekenntnis gegebenen Grundlagen entfernt, wird dabei unsererseits zumeist achselzuckend in Kauf genommen.“ (94)
Aus der Sicht von Ex-Pastor Theurer ist hingegen klar, daß es für „gläubig Evangelische“ nur „eine Konsequenz geben“ könne, wie er am Schluß seiner Schrift   ohne Umschweife feststellt:
„Die Trennung muß beendet werden! Es gibt keinen Grund, uns weiterhin von der Gemeinschaft mit dem Papst und der Katholischen Kirche fernzuhalten. 500 Jahre sind genug!“ (95)
Der Verfasser beläßt es nicht bei schwungvollen Aufrufen, sondern befaßt sich Punkt für Punkt mit katholisch-evangelischen Unterscheidungslehren.
Zu jenen zwischen den christlichen Konfessionen strittigen Punkten gehört auch die katholische Marien- und Heiligenverehrung, darunter die Dogmen über die Gottesmutter sowie ihre weitverbreitete Anrufung als Fürsprecherin im Himmel.

Der evangelische Theologe und seine Stellung zu Maria

Wie steht es also aus Sicht des Autors um die himmlische Fürbitte der Madonna?
Sein eher praktischer Ansatz, sich dem Thema zu nähern, beginnt mit einer Alltagserfahrung:
„Für die meisten bewusst evangelischen Christen ist es ganz selbstverständlich, bei Sorgen oder Notlagen gläubige Freunde um ihr fürbittendes Gebet zu bitten. Sie gehen davon aus, dass es Gott wohlgefällig ist, wenn mehrere Christen miteinander um ein Eingreifen Gottes zugunsten einer Person oder Sache bitten und füreinander im Gebet eintreten.“ (58)
Dem wird kaum ein Protestant widersprechen wollen. 

Foto: Dr. Bernd F. Pelz

Nun stellt sich die weitere Frage, ob wir auch „himmlische Freunde“ um denselben „Gefallen“ bitten dürfen. Dazu schreibt der evangelische Theologe:
„Nun gehen katholische Christen aber noch einen Schritt weiter und bitten nicht nur die auf Erden lebenden Glaubensgeschwister um Fürbitte, sondern auch die bereits im Himmel lebenden. Der Grundgedanke der Heiligenverehrung ist es, die vor dem Thron Gottes stehenden (…) vollendeten Christen zu bitten, für die angefochtenen und leidenden Christen auf der Erde im Gebet einzutreten. Nicht die Heiligen sollen helfen, sondern die Heiligen sollen für uns vor dem Thron Gottes bitten.“ (59)   
Immerhin, so erläutert der Autor, ist die selige Jungfrau bereits aus dem Neuen Testament als Fürsprecherin bekannt:
„Schon zu Lebzeiten Jesu ist ja Maria bei Jesus als Fürbitterin für die Menschen eingetreten  –  denken wir an die Hochzeit zu Kana, bei der Jesus auf die Fürbitte Marias hin sein erstes Wunder wirkt(Joh 2,1-22).“ (77)
Theurer erinnert außerdem daran, daß die Christenheit ihre Heiligen schon in frühester Zeit verehrte, was heute  noch  –  zB.  in den römischen Katakomben  –  erkennbar ist. Damals waren es vor allem die Märtyrer, die kirchlich hoch gewürdigt wurden. 
Es habe sich, so Theurer, der Brauch entwickelt, „an den Grabstätten der Glaubenszeugen Gottesdienst zu feiern. Später wurden über den bekannten Gräbern Kirchen errichtet (…) In der Alten Kirche war es allgemein üblich, dass alle Christen, die nachweislich um ihres Christusbekenntnisses willen umgebracht wurden („Märtyrer“), als Heilige anerkannt und um Fürbitte angerufen werden konnten.“ (60)
Hinsichtlich der marianischen Dogmen weist Theurer darauf hin, daß sich die Reformatoren ausdrücklich zum Titel „Gottesmutter“ für Maria bekannt haben, ebenso zu ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit.
Vor allem Luther selbst hat sich betreffs dieser beiden grundlegenden Lehrausssagen klar positioniert, etwa in seiner Auslegung des „Magnificat“, des biblisch bezeugten Lobgesangs der Madonna bei der Begegnung mit ihrer Cousine Elisabeth.
Der Autor erwähnt einen archäologischen Fund aus der ägyptischen Wüste von 1917, als man Papyrusteile mit einem Mariengebet aus dem 3. Jahrhundert entdeckte, das mit den Worten beginnt: „Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin, verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten…(65)
Das Motiv der Schutzmantelmadonna war also schon in der Frühzeit der Christenheit geläufig  – und ist nicht etwa eine mittelalterliche oder „barocke“ Erfindung.
Was nun das 1950 verkündete Dogma der „Aufnahme Marias in den Himmel“ betrifft, so weist der Verfasser auf folgenden biblischen Sachverhalt hin:
„Im Matthäusevangelium (Mt 27,52-53) wird berichtet, dass nach dem Kreuzestod Jesu einige Heilige aus ihren Gräbern auferstanden und auch von vielen Menschen gesehen wurden.“  (74)
Daraus leitet er den Glauben an die Assumpta (an die in den Himmel aufgenommene Madonna) ab:
„Der zur Zeit der Apostel so beliebte Schluss vom Geringeren auf das Höhere, den wir im Neuen Testament so oft beobachten können, erzwingt geradezu die Annahme, dass, wenn schon „gewöhnliche“ Heilige leiblich zum Himmel auffahren, Maria erst recht diese Gnade zuteil wurde.“ (74)
Ergänzend hätte der Autor noch vermerken können, daß bereits im Alten Bund zwei Gerechte, nämlich  Henoch und Elias, in den Himmel „aufgefahren“ sind, ein solch wunderbares Geschehen sich demnach heilsgeschichtlich mehrfach ereignete.
Tatsächlich liegt der Schluß nahe: Warum also nicht auch die Mutter unseres Erlösers?  – Wenngleich sich das Ereignis nicht direkt in der Bibel findet, so liegt dies zumindest in der Logik der Heilsgeschichte Gottes.
Freilich stellt der Verfasser, der sich die marianischen Dogmen der katholischen Kirche ausnahmslos zu eigen macht, gleichzeitig fest, daß manche Traditionen der Volksfrömmigkeit sich tatsächlich kritische Rückfragen gefallen lassen“ müßten. (77)  

Dem wird jeder nüchterne Katholik durchaus zustimmen, der gewisse Auswüchse des „Volksglaubens“ selber bedauert, etwa Neigungen zum Aberglauben, magischen Denken, Wundersucht, ungeistlicher Sensationslust bzw. einer ungesunden Fixierung auf Visionen, „Erscheinungen“, außergewöhnlichen „charismatischen“ Phänomenen usw.
Derlei Entgleisungen werden allerdings vom kirchlichen Lehramt keineswegs gutgeheißen. Die amtliche Anerkennungsrate bei sog. „Privatoffenbarungen“ befindet sich unter 1%, was erscheinungsbewegte Gläubige vielfach als Ärgernis empfinden mögen, womit die Kirchenleitung aber eine vorsichtige und bodenständige Gangart einlegt, die sich im Laufe der Jahrtausende zweifellos bewährt hat.
Der Buchautor stellt insgesamt zutreffend fest: Echte katholische Heiligen- und Marienverehrung lenkt deshalb den geistlichen Blick nicht weg von Jesus, sondern hin zur Anbetung der Herrlichkeit des Dreieinigen Gottes.“(78)

Das Neue Testament entstammt der kirchlichen Tradition

Neben der Marien- und Heiligenverehrung liegt Ex-Pastor Theurer auch das Thema „Bibel und Tradition“ am Herzen, gehört es doch zu den wesentlichen Streitpunkten zwischen den christlichen Konfessionen.
Dabei beruft sich die protestantische Seite auf ihr bekanntes reformatorisches Wort bzw. Schlagwort „Allein die Schrift“ und versteht dieses Prinzip „Sola scriptura“ als Abgrenzung zum katholischen Traditionsverständnis. Demzufolge hat die Heilige Schrift als einzige Glaubensquelle zu gelten.  
Allerdings läuft es in der evangelischen Praxis  sehr wohl auf „Schrift und Bekenntnis“ hinaus, wobei dies damit gerechtfertigt und erklärt wird, daß die protestantischen amtlichen „Bekenntnisse“ (etwa die Confessio Augustana, die Schmalkaldischen Artikel oder bei den Reformierten der Heidelberger Katechismus bzw. die calvinistischen „Fünf Punkte“) lediglich eine „Auslegung“ der Bibel darstellen, also durchaus keine eigentliche Ergänzung, geschweige ein Ersatz für die Heilige Schrift seien.
Freilich will auch die katholische Seite das, was sie „Tradition“ oder „Überlieferung“ nennt, in ähnlicher Weise als Entfaltung, Auslegung und amtliche Deutung der Heiligen Schrift verstanden wissen.
Allerdings weist die kath. Kirche darauf hin, daß das Neue Testament nicht „vom Himmel fiel“, sondern aus der lebendigen apostolischen Überlieferung der Kirche entstand, gleichsam aus ihrem Schoß geboren wurde. 

Foto: KOMM-MiT-Verlag

Zudem war es das kirchliche Lehramt, das in frühchristlicher Zeit den „Kanon“ der Bibel zusammenstellte und somit festlegte, welche der vielfältig kursierenden Schriften zum NT gehören – und welche eben nicht.
Die Kirche Christi existierte bereits früher als das Neue Testament  –  ein schon rein historisch gesehen eindeutiger Sachverhalt.
Eben damit befaßt sich auch Theurer in seinem Buch und schreibt:

„Was war zuerst? Schrift oder Tradition?
Meine Antwort dazu ist: Natürlich die Tradition!
Die Bibel, speziell das Neue Testament, und der Kanon der biblischen Bücher
sind das Produkt der kirchlichen Tradition, nicht umgekehrt!“ (11)

Sodann erläutert er:
„Wo schlugen die damaligen Gläubigen nach, wie die Gemeinde zu organisieren war? Natürlich fragten sie die Apostel, die mit Jesus vor und nach seiner Auferstehung zusammen gewesen waren. Natürlich feierten sie die Sakramente so, wie es ihnen die Apostel beibrachten.“ (11)
Der Autor fügt hinzu:
„Dass die Heilige Schrift nicht alles fasst, was Jesus gesagt und getan hat, und vieles mündlich überliefert wurde – davon gibt das Evangelium selbst Zeugnis: „Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat, Wenn aber eines nach dem anderen aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären“(Joh 21,25). – Die Urkirche lebte von Anfangt an aus der lebendigen Überlieferung.“(13)
An dieser sowohl mündlichen wie schriftlichen Tradition der Apostel orientierten sich die urchristlichen Gemeinden.
Als die Gläubigen bereits unter Kaiser Nero den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurden, gab es noch kein Neues Testament  –  es kursierten nur wenige Apostelbriefe in einzelnen Gemeinden.
Gleichwohl bewährte sich die junge Christenschar in Rom mit ihren Märtyrern aus der Kraft der apostolischen Überlieferung und aus den Sakramenten der Kirche.
Wäre die Bibel hingegen die einzige Quelle des Glaubens, dann wären ausgerechnet die damaligen, oft so heldenhaften Christen ohne Fundament gewesen (abgesehen vom AT). Davon kann freilich keine Rede sein: diese Gläubigen des ersten Jahrhunderts standen in lebendiger Verbindung mit den Aposteln und ihren Mitarbeitern; somit befanden sie sich im Strom der „mündlichen Tradition“ unserer Kirche.
Der katholische Glaube steht unverrückbar auf dem Fundament der „göttlichen Offenbarung“, die gleichsam auf zwei Säulen emporrankt: der Heiligen Schrift und der apostolischen Überlieferung. Das kirchliche Lehramt wiederum versteht sich als der von Christus beauftragte „Hüter“ dieser heilsamen Offenbarung Gottes.
Buchdaten: ANDREAS THEURER. Warum werden wir nicht katholisch?  –  Dominus-Verlag, Augsburg 2012, 96 Seiten, ISBN: 978-3-940879-22-6, Preis 5,90 €
Felizitas Küble, Leiterin des KOMM-MIT-Verlags und des Christoferuswerks in Münster
Hier können Sie das Buch direkt beim Dominus-Verlag online bestellen:
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Kommentare

3 Antworten

  1. Ich höre richtig aus dem Text heraus wie Jesus seine Jünger fragt: „liebst Du mich?“ Und zwar diesmal an die Protestanten gerichtet.
    Andererseits schätze ich Joice Meyer und auch andere Evangelikale und weiss nicht wie sie in das Katholische hineinpassen.
    Templarii

  2. Die originale Heilige Schrift, deren Verfasser die wirkliche Bedeutung der Erbsünde noch kannten, bezieht sich immer zuerst auf die ganze Kultur und erst danach auf den einzelnen Kulturmenschen. Es geht immer und ausschließlich um die Basis allen menschlichen Zusammenlebens und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung in einer arbeitsteiligen Zivilisation, der Welt des Kulturmenschen:
    3 Verwandlungen

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