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Kurt Tucholsky 1931: Es lastet auf dieser Zeit der Fluch der Mittelmäßigkeit…

An das Publikum

O hochverehrtes Publikum,

sag mal: Bist du wirklich so dumm,

wie uns das an allen Tagen

alle Unternehmer sagen.
Jeder Direktor mit dickem Popo
spricht: „Das Publikum will es so!“

Jeder Filmfritze sagt: «Was soll ich machen?

Das Publikum wünscht diese zuckrigen Sachen!»

Jeder Verleger zuckt die Achseln und spricht:

„Gute Bücher gehn eben nicht!“

Sag mal, verehrtes Publikum:

bist du wirklich so dumm?

So dumm, daß in Zeitungen, früh und spät,

immer weniger zu lesen steht?

Aus lauter Furcht, du könntest verletzt sein;

aus lauter Angst, es soll niemand verhetzt sein;

aus lauter Besorgnis, Müller und Cohn

könnten mit Abbestellung drohn?

Aus Bangigkeit, es käme am Ende

einer der zahllosen Reichsverbände

und protestierte und denunzierte

und demonstrierte und prozessierte . . .

Sag mal, verehrtes Publikum:

bist du wirklich so dumm?

Ja, dann . . .

Es lastet auf dieser Zeit

der Fluch der Mittelmäßigkeit.

Hast du so einen schwachen Magen?

Kannst du keine Wahrheit vertragen?

Bist also nur ein Grießbrei-Fresser –?

Ja, dann . . .

Ja, dann verdienst du´s nicht besser.

Kurt Tucholsky

„Die Weltbühne“ vom 7. Juli 1931

Kommentare

3 Antworten

  1. Der Theologe und Journalist und Philosoph David Berger mit seiner „Philosophia Perennis“

    Geostete Liturgie: Benedikt XVI. stellt sich hinter Kardinal Sarah — und Papst Franziskus versinkt in Schweigen
    2. November 2016 34

    https://katholisches.info/2016/11/02/geostete-liturgie-benedikt-xvi-stellt-sich-hinter-kardinal-sarah-und-papst-franziskus-versinkt-in-schweigen/

    ARTIKEL VON PETER WINNEMÖLLER

    https://the-germanz.de/author/peter/

  2. Wie wahr der Mann geschrieben hat. Auch muss er ein Hellseher gewesen sein, denn was er geschrieben hat 1931, da hat er die heutige Zeit schon gesehen.

  3. Ja, der Tucholsky … so einen … überhaupt hätte ich mich gefragt, was die alte Garde der Münchner Lach- und Schießgesellschaft aus Corona usw gemacht hätten …

    Und Tucholsky, das ist auch der mit diesem bewegenden Muttertagsgedicht:

    Mutters Hände

    Hast uns Stulln jeschnitten
    un Kaffe jekocht
    un de Töppe rübajeschohm –
    un jewischt un jenäht
    un jemacht un jedreht…
    alles mit deine Hände.

    Hast de Milch zujedeckt,
    uns Bobongs zujesteckt
    un Zeitungen ausjetragen –
    hast die Hemden jezählt
    und Kartoffeln jeschält…
    alles mit deine Hände.

    Hast uns manches Mal
    bei jroßem Schkandal
    auch’n Katzenkopp jejeben.
    Hast uns hochjebracht.
    Wir wahn Sticker acht,
    sechse sind noch am Leben…
    Alles mit deine Hände.

    Heiß warn se un kalt.
    Nu sind se alt.
    Nu bist du bald am Ende.
    Da stehn wir nu hier,
    und denn komm wir bei dir
    und streicheln deine Hände.

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