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Missionar und Mandarin: Ein österreichischer Jesuitenpater am Hofe des Kaisers von China

Von Susanne Habel

Erich Zettl, ehemaliger Hochschullehrer in Konstanz am Bodensee und gebürtiger Egerländer, stellte in München in einem Bildervortrag einen Landsmann vor: Ignaz Sichelbarth (1708 – 1780) kam als jesuitischer Missionar nach China. Der Missionar malte 35 Jahre lang am Hof des chinesischen Kaisers und wurde dafür zum 70. Geburtstag zum Mandarin ernannt. Neudek-SIchel-9082492

„Ignaz Sichelbarth wurde wohl am 26. September 1708 als Sohn des Malers ,Thadeus Sichelbart‘ in Neudek bei Karlsbad geboren“, begann Zettl seinen Bildervortrag. Schon der Vater sei als Künstler bekannt durch sein Werk „Krönung Mariä“ in der Wenzelskirche in Elbogen von 1696 gewesen, erläuterte Zettl. 1736 trat der 28jährige Ignaz in Brünn in das Jesuitennoviziat ein. Nach dem zweijährigen Noviziat studierte er in Olmütz Theologie, betonte aber auch seine Kenntnisse als „Maler und Stecher“.

BILD: Gedenkstein für Pater Ignaz Sichelbarth in Neudek/Nejdek 

Sichelbarth reiste von Lissabon in Portugal aus in die Mission nach China, wo er 1745 ankam. In Peking waren die Jesuiten damals seit dem ersten „Pionier der China-Mission“, Matteo Ricci (1552 – 1619), am Kaiserhof tätig. Sie durften jedoch bald nicht mehr missionieren, genossen jedoch wegen ihrer Gelehrsamkeit als Astronomen, Mathematiker, Musiker und Maler Weltruf.

Sichelbarth erhielt den chinesischen Namen Ai Qi-meng und wurde dem Kaiser von China, Qian-long, vorgestellt, der von 1736 bis 1795 regierte.

Der junge Jesuit wurde bald nach seiner Ankunft in Peking neben seinem französischen Mitbruder Jean Denis Attiret (1702 – 1768) und dem Italiener Giuseppe Castiglione (1688 – 1766) der dritte Lieblingsmaler des Kaisers Qianlong. Sichelbarth erlebte die Aufhebung des Jesuitenordens durch den Papst 1773 und starb am 6. Oktober 1780 in Peking.

Dort erinnert noch heute eine große Stele mit lateinischer und chinesischer Inschrift an den Missionar und Maler. Auch in Neudek/Nejdek wurde inzwischen eine Gedenktafel errichtet.

Gebildete Geistliche brachten neue Impulse für Kunst und Kultur

Zettl schilderte detailliert den künstlerischen Einfluß der europäischen Missionare auf die stilistische Welt am Kaiserhof in China. Die Missionare, besonders die künstlerisch aktiven Jesuiten Giuseppe Castiglione, Jean Denis Attiret und eben Sichelbarth, hätten aus dem Westen die Errungenschaften der Renaissance- und Barockmalerei mitgebracht und den Chinesen nahegebracht: Das Spiel von Licht und Schatten, auch im Gesicht von Porträtierten, die geometrische Gestaltung von Perspektive und Raum und die individuelle Darstellung besonders der Menschen sowie die Verwendung von Ölfarben seien in der chinesischen Kunst neu gewesen. Sichel-Pferd

Dort hätten zarte, quasi in der Luft schwebende Landschaftsaquarelle, kombiniert mit kalligraphischen Gedichten, Tuschezeichnungen und typisierenden flache Figurengestaltungen vorgeherrscht.

BILD: Sichelbarths Darstellung des Kaiserpferds „Leuchtende Wolke“ (1772)

Unter dem Einfluss der Missionare änderte sich dies, wie Zettl anhand von Bildbeispielen zeigte. Sichelbarth stellte, oft quasi in Koproduktion mit einheimischen Künstlern, große Bildwerke für den Kaiser her. „Die Europäer malten die naturalistischen Gesichter mit Licht und Schattierungen, die Chinesen gestalteten Kleidung und Landschaft“, so Zettl.

Pater Sichelbarth habe unter anderem den Auftrag erhalten, für eine Ruhmeshalle verdiente Kriegsherren und mongolische Fürsten zu porträtieren. Wie ein Kriegsbildreporter sollte der Jesuit auch prunkvolle Schlachtenbilder herstellen. Die Ölgemälde gefielen dem Kaiser derart gut, dass er davon auch in Paris Kupferstiche anfertigen ließ.

Auch zur Darstellung eines buddhistischen Tempels, den sich der Kaiser zu seinem 60. Geburtstag leistete, wurde Sichelbarth verpflichtet: „Der jesuitische Mönch musste den ganzen Kaiserhof als Buddhisten darstellen“, beschrieb Zettl das spirituelle Dilemma, in dem Sichelbarth während seiner ganzen Zeit am Kaiserhof steckte.

Der Kaiser besuchte den Jesuiten zum 70. Geburtstag

Pater Sichelbarth hinterließ etwa 45 bekannte Werke, so acht große Gemälde von Pferden im Museum von Peking und ein historisches Gemälde, das den Sieg der Chinesen über die Tataren 1757 darstellt. Auch zehn Bilder mit Jagdhunden stammen nachweislich von Sichelbarth. Im Nationalen Palastmuseum in Taipeh ist das große Gemälde „100 Hirsche in einer Landschaft“ verwahrt, auf dem Ignaz Sichelbarth vor einer typisch chinesischen Landschaft von Zhang Wei-bang realistisch anmutende Hirsche und andere Tiere zeigt.

An Sichelbarths 70. Geburtstag im Jahr 1777 tauchte Kaiser Qian-long bei ihm selbst auf, ernannte ihn zum Mandarin und überreichte ihm einen handschriftlichen Dank, wie der Jesuit Giuseppe Panzi berichtet.

Zettl kennt sein Forschungsthema gut: Als emeritierter Lehrbeauftragter für Chinesisch an der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung hatte Zettl von 1980 bis 2008 auch mehrfach Lehraufträge für Deutsch an verschiedenen Universitäten und Gymnasien in der Volksrepublik China. Er veranstaltete Ausstellungen an Universitäten in Konstanz, Tianjin und Zürich zu den kulturellen Beziehungen zwischen Europa und China.

„Während eines Aufenthaltes in China stieß ich tatsächlich auf einen Landsmann aus Neudek, der dort gewirkt hatte: den Künstler Ignaz Sichelbarth“, so Zettl, der 1934 in Bernau bei Neudek zur Welt kam. Inzwischen sei das Interesse so groß, daß er 2005 im heutigen Nejdek eine sehr erfolgreiche Ausstellung über Sichelbarth habe zeigen können, schloss Zettl seinen spannenden Vortrag.

Buch-Daten: Erich Zettl: „Ignaz Sichelbarth. 1708–1780“. Konstanz 2014; 115 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Kostenlos erhältlich bei: Erich Zettl, Hebelstrasse 3, 78464 Konstanz, Telefon (0 75 31) 6 45 48, eMail zettl@htwg-konstanz.de

Unsere Autorin Susanne Habel ist Redakteurin und Journalistin in München; von ihr stammen auch die beiden Fotos.

 

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