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Mit der "Wahrheit" lügen: Die charismatische Versuchung Christi in der Wüste

Wenn sich die Finsternis als Licht präsentiert

Der Bericht von der Versuchung unseres HERRN in der Wüste findet sich sowohl im Lukas- wie im Matthäus-Evangelium. Am heutigen 1. Fastensonntag wird diese Begebenheit sowohl in der überlieferten Meßform wie auch in der üblichen „neuen Messe“ vorgelesen.

Daß Christus diese Anfechtungen durch den Satan gerade in der Wüste erlebt, ist kein Zufall. Die Wüste ist einerseits ein Ort des Rückzugs und der Besinnung, des Gebets und der Verinnerlichung. Jesus geht erst in die Wüste, bevor er sein öffentliches Wirken beginnt.  Duccio

Zugleich ist die Wüste aber auch ein Ort des Ringens, der Anfechtung, Läuterung und Reifung. Die 40 Tage des Fastens Christi erinnern an die 40 Jahre Wüstenwanderung des Volkes Israel: dort empfingen sie durch Moses die Zehn Gebote, dort erlag das Volk der Versuchung durch das „Goldene Kalb“, dort standen die Hebräer immer wieder vor der Frage, sich für oder gegen Gott, für oder gegen seine Gebote zu entscheiden.

Auch für unseren HERRN in seiner menschlichen Natur erwies sich die Wüste als Ort der Entscheidung, Prüfung und Bewährung. Christus widerstand dem satanischen Versucher, war ER doch in die Welt gekommen, „um die Werke des Teufels zu zerstören“, wie es in der Hl. Schrift heißt.

Der Satan hat allerdings viele Gesichter  –  nicht nur ein „weltliches“ oder „fleischliches“ Gesicht, auch ein „geistliches“.
Wenn der Widersacher es nicht mit Ungläubigen oder Abständigen zu tun hat, sondern mit der frommen Schar, zieht er sich ein entsprechend „rechtgläubiges“ Gewand an. Würde er seine höllische „Visitenkarte“ vorzeigen, könnte er gleich einpacken. 

Satan verkleidet sich als „Engel des Lichts“

Wenn der Versucher sich als „Engel des Lichtes“ verkleidet, besonders „geistlich“ und überfromm gebärdet, ist besondere Vorsicht angesagt. Mit anderen Worten: der Diabolus ist „nomen est omen“ ein Durcheinanderbringer, er kann auch mit der „Wahrheit“ lügen und siegen!
Jesus Christus und damit Gott selbst ist gegen solch raffinierte Lügengespinste natürlich gefeit. Gleichwohl hat der Allmächtige es „zugelassen“, daß der Erlöser in der Wüste vom Teufel versucht wurde, war dies doch zugleich eine Demonstration des göttlichen Sieges über die Hölle   –  und zwar durch Jesus in seiner menschlichen Natur.
Es ist schon aufschlußreich, auf welche Weise sich der Widersacher in der Wüste präsentierte, um Christus von seinem messianischen Auftrag als „Leidensknecht“ abzubringen und ihm eine Art „Siegermentalität“ einzureden, die von Triumph zu Triumph schreitet, begleitet von sensationellen Großtaten und Schauwundern. kleines-rituale

Der natürliche, erbsündenbelastete Mensch schreckt vor dem Leiden zurück, er schleicht sich am Kreuz vorbei und wünscht eine „Halleluja“-Religion, die ohne Opfer zur Herrlichkeit führt. Die Annahme des Kreuzes ist dem Menschen nicht möglich ohne die Gnade Gottes, ohne übernatürliche Kraft von oben.
Interessanterweise wird Christus vom Teufel ausgerechnet in der Wüste versucht, wo er sich zum strengen Fasten zurückzog  – und zwar am Ende dieser Fastentage, als Christus unter Hunger litt.
Glaubt man den Vorstellungen manch frommer Kreise, dann ist man nach langer Askese (Abtötung, Verzicht) besonders gefeit vor dem Satan, befindet man sich doch angeblich in einem überlegenen geistlichen Zustand.

Listige Verführung zum Hochmut

Aber kann nicht gerade diese „Überlegenheit“ in Verbindung mit (un)geistlichem Hochmut zum Sturz führen?  – Ist nicht die scheinbar „geisterfüllte“, die charismatische Versuchung eine besonders raffinierte Trickkiste des Diabolus? Gibt es nicht bestimmte Sünden, die allein auf dem Boden der Frömmigkeit sprießen können und zur kaum erkennbaren Gefahr werden?

Freilich nicht bei Christus selbst, ist ER doch Gott und Mensch in einer Person, weshalb er diese besonders „religiöse“ Anfechtung aus eigener göttlicher Kraft siegreich besteht. Wenn Menschen solche listigen Versuchungen überwinden, dann allein durch die Gnadenhilfe des Erlösers, nie allein aus eigener Kraft.

Das Lukas-Evangelium berichtet von der Versuchung Jesu in der Wüste, auch von der ersten Provokation des Satans: „Wenn Du Gottes Sohn bist, so spricht zu diesem Stein, daß er Brot werde.“  –  Christus wird hier von der Hölle herausgefordert, seine Gottheit durch ein schnelles und sichtbares Wunder zu „beweisen“, das sich zudem angesichts seines menschlichen Hungers als nützlich erweisen würde.
Doch unser Erlöser läßt sich auf diese „wundersüchtige“ Herausforderung nicht ein. ER kann „Zeichen und Wunder“ wirken, keine Frage  –  aber ER will dies nicht im falschen Gehorsam gegenüber dem Versucher. Christus  kontert mit dem Wort Gottes aus dem Alten Testament: „Nicht vom Brot allein lebt der Mensch“ (Dtn 8,3).media-358103-2
Der Teufel startet einen zweiten Versuch, der sich auf allzu menschliche und triumphalistische Wunschvorstellungen bezieht, wie sie auch im Judentum der damaligen Zeit weitverbreitet waren:
Der Messias nicht als „Leidensknecht“, sondern als König der Herrlichkeit, der auch auf Erden ein triumphales Reich errichtet. Deshalb zeigt ihm der Widersacher alle Königreiche der Erde und verspricht dem Heiland, daß ihm all diese Macht und Herrlichkeit zufällt, wenn er vor ihm niederfällt und ihn anbetet.
Erneut reagiert Christus mit der Heiligen Schrift: „Es steht geschrieben: „Den HERRN, Deinen Gott, sollst Du anbeten und IHM allein dienen“ (Dtn 6,13).

Der DIABOLUS mißbraucht die HEILIGE SCHRIFT

Der Teufel ist durchaus lernfähig, er ändert jetzt seine Strategie, er will Christus mit dessen eigenen Waffen schlagen: mit Bibelworten also. Er schlüpft gewissermaßen ins Gewand der „Rechtgläubigkeit“ und verwendet das Wort Gottes als listige Taktik.
Diesmal will er IHN zu einem Schauwunder animieren: Christus solle sich von der Zinne des Tempels zu Jerusalem herunterstürzen. Damit könnte sich Jesus nämlich auf einfachste Art viele Mühen und Anstrengungen seiner späteren Verkündigung ersparen. Solch ein aufsehenerregendes Ereignis vor staunender Menge würde IHN auf einen Schlag sofort zum Volkshelden und bewunderten „Genie“ und Wundertäter machen.

Satan gibt Christus zu verstehen, daß solch ein auffälliges Mirakel angeblich durchaus ein „gottgefälliges“ Verhalten sei und zitiert wörtlich zwei Schriftstellen aus dem Alten Testament über den himmlischen Schutz der Engel für die Gerechten.
Christus geht auch dieser hinterlistigen Variante nicht auf den Leim, ER hält dieser falschen Vereinnahmung der Bibel stand  – und ER hält dem „Vater der Lüge“ ein anderes Bibelwort entgegen:  „Du sollst den HERRN, Deinen Gott, nicht versuchen.“ (Dtn 6,16) PAX

Was können wir aus dieser Begebenheit lernen?  –  Vor allem Folgendes:

  1. Die „geistlichen“  Versuchungen sind besonders raffiniert, weil weniger leicht erkennbar als die „weltlichen“ Versuchungen der Hölle. Der Teufel will die Gläubigen mit „charismatischer“ Raffinesse vom Weg des nüchternen Glaubens abbringen, er versuchte dies sogar bei Christus und damit bei GOTT selbst  – eine Dreistigkeit sondergleichen!
  2. Dauerhaftes bzw strenges Fasten und ähnliche asketische „Übungen“, die den Rahmen des normal-kirchlichen Bereichs überschreiten, bergen durchaus Gefahren in sich. Die größte innere Bedrohung ist die des selbstgefälligen Hochmuts, der für das ewige Heil weitaus gefährlicher ist als allzu „weltliche“ Wunschbefriedigung oder Versacken in der Oberflächlichkeit des Alltags.  –  Anders gesagt: Die Sünden des Geistes sind oft schlimmer als die Sünden des Fleisches, eben weil sie nicht auffallen, weil sie nicht so leicht ans Licht kommen, im Fall der Verblendung nicht einmal ans Licht des eigenen Gewissens.
  3. Der Teufel ist der „Affe Gottes“, er kann durchaus übersinnliche Schauwunder bewirken, soweit der Allmächtige dies zuläßt. Daher wollte der Widersacher auch Christus auf diese Schiene zerren, zumal dies der Sensationslust des Volkes entgegenkäme.

Die Wundersucht: des Aberglaubens liebstes Kind!

Demgegenüber kommt der wahre Glaube nicht aus der Sehnsucht nach „Zeichen und Wundern“,  sondern aus dem Hören des Gottes-wortes (vgl. Röm 10,17: „Der Glaube kommt vom Hören“)   – und die Vollmacht von oben ist eine Kraft des Geistes, nicht der Sinnlichkeit. 
Wir leben auf Erden im Glauben und nicht im Schauen, wie der Völkerapostel bekräftigt (2 Kor 5,7).
Die charismatische Versuchung besteht darin, den Himmel quasi vorwegzunehmen, ihn auf die Erde zu zerren, wobei aber nicht der Himmel, sondern die Hölle in Aktion tritt.
Der Teufel kann auch mit der „Wahrheit“ lügen und siegen, indem er sich beispielsweise der Heiligen Schrift „bedient“. Bei Christus konnte ihm dieser raffinierte Trick nicht gelingen, doch im irrgläubigen, schwarmgeistigen, charismatischen und sektiererischen Spektrum feiert er damit fröhliche Urständ, ebenso in „erscheinungsmarianischen“ Kreisen, wenn man dort an falschen Visionen festhält, weil der Inhalt jener „Botschaften“ gar so fromm in den Ohren klingt.
Es war immer schon ein Kennzeichen schwarm- und irrgeistiger Bewegungen, einzelne Bibelworte aus dem Zusammenhang zu reißen und ihnen eine falsche Deutung unterzuschieben, wie es auch der Widersacher bei unserem Erlöser in der Wüste versucht hat.
Nur wenn wir unbeirrbar und nüchtern in der Nachfolge Christi stehen und auf seine Hilfe bauen, können wir diese Anfechtungen von unten wachsam durchschauen, nur so können wir diese charismatische Verführung überwinden.
Felizitas Küble leitet den katholischen KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster

Kommentare

2 Antworten

  1. „– Ist nicht die scheinbar „geisterfüllte“, die charismatische Versuchung eine besonders raffinierte Trickkiste des Diabolus? “
    Ich kann den Artikel wahrscheinlich noch 10 mal lesen und finde ihn klasse!!!
    mena

  2. Mich hat das gestrige Evangelium von der Versuchung Jesu mehr denn je angesprochen, weil ich am Donnerstag eine grandiose Inszenierung von „Fausts Verdammnis“ in der Deutschen Oper Berlin gesehen habe. Auch da hatte sich der Teufel, wie im Evangelium, personifiziert. Die Personifizierung ist in unserer Kultur eine Form der Darstellung, des Begreifens. Es ist die eigentliche Sprache des Theaters. Schon seit den Wurzeln unseres klassischen Theaters
    in der Antike werden die stärksten allgemein menschlichen Kräfte auch im Leben in der Sprache der Personifizierung als göttliche oder menschliche Gestalten begriffen.
    In der o.a. Oper von Berlioz wurde in Fausts Einsamkeit („Wüste“) das Hochkommen seiner seelischen „Unterwelt“ in Form von düsteren Gestalten sichtbar. Sie entstiegen der kreisförmigen Fläche, auf der er ganz allein saß. Es war eine perfekt inszenierte Depression: Dem sichtbaren Teufelskreis, in/auf dem er in seiner brütenden Einsamkeit saß und von seinem Mephisto besucht wurde, entstiegen die dunklen Gedanken des Schattenreiches. Als Mephisto verschwand, verwandelten sie sich lichtumflossen in einen österlichen Chor mit himmlischen Gesängen „Christ ist erstanden!“. Da richtete Faust sich wieder gläubig auf und fühlte wieder
    seine ursprüngliche Kraft.
    Aber Mephisto kam zurück und tat die religiösen Gedanken als „alberne Kinderei“ ab. Im Gegensatz zu Jesus, der auf den Teufel ja nicht persönlich eingeht, sondern nur kurz ange-bunden mit Schriftworten bzw. dem Wort Gottes antwortet und ihn schließlich massiv abwehrt, verfällt Faust immer wieder in ein Hin und Her mit seinem Schatten, gibt ihm nach, glaubt ihm
    mehr oder weniger… Statt bewusst das Negativ abzuwehren, wehrt er unbewusst die Bindung an das Göttliche ab.
    Als daraufhin die himmlischen Gesänge und Lichtgestalten verschwinden, ist die Entscheidung gefallen: Faust geht mit Mephisto. Ist der Teufel nicht auch im Leben die abgewehrte bzw. als „Kinderei“ missachtete göttliche Macht, das versunkene Licht, der gefallene Engel? Die gedankenlose Entscheidung für den in seiner Gefahr unterschätzten Mephisto, die vielleicht nur ein depressiv unbedachtes Sich-Gehen-Lassen ist, führt Faust über veräußerlichte Formen des Lebens (= Ablenkungen) in die Verdammnis und reißt Andere mit in Unglück und Tod.
    (Gott sei Dank hatte Goethe die Kraft zu einem 2. Teil seines „Faust“, in dem dieser die Unter-
    welt durchschreitet und zum ewigen Leben aufsteigt)
    Ich deute das Evangelium so, dass jedem Menschen in seiner inneren „Wüste“ gefährliche Anfechtungen, Minderwertigkeitsgefühle und Versuchungen kommen können, die er unter Wahrung seines positiven Glaubens durchstehen muss. Dazu müssen wir nicht erst auf einen
    äußerlich erkennbaren Teufel mit 2 Beinen warten! Er ist viel schneller da, denn wir haben ihn potenziell in uns: Was wir an positiver Glaubenskraft verlieren, das wird zum Schatten des Gött-lichen, zu seinem Negativ. Die Macht der Religion lässt sich nicht dauerhaft in die Unterwelt verdrängen d.h. als unwichtig herabsetzen. Geistig-seelische Kräfte sterben nicht, sie wandeln sich nur. Und im Abseits unseres Bewusstseins maskiert sich die missachtete Allmacht als Mephisto.
    Ich denke da nicht nur an mein eigenes Leben, sondern auch an unsere allgemeine Abwertung des Göttlichen, an das Versinken unserer christlichen Religion in unserer Gesellschaft. Ist es nicht die unbewusst gewordene Macht religiöser Kräfte, die uns zunehmend in der Larve des Mephisto begegnet und uns ihr tödliches Gesicht in der Verrohung unserer Beziehungen und den Selbstmord-Attentaten des Islamismus zeigt?
    Entweder wir entscheiden uns immer wieder bewusst für das Gute, für Gott – oder wir haben unbewusst den Mephisto auf der Matte. Entweder wird die Menschheit des Westens angesichts ihrer technischen Möglichkeiten positiv spirituell – oder sie ist nicht mehr.

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