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Nein zur Kostenübernahme pränataler Tests

Von Dennis Riehle

Der Auftrag von Krankenkassen ist es, Prävention und Gesundheitsförderung zu betreiben, akute Behandlung und Therapie zu ermöglichen sowie durch Rehabilitation und Nachsorge eine Heilung und Genesung voranzutreiben.

Ich halte es mit den geltenden Sozialgesetzen nicht vereinbar, wenn die Krankenversicherung künftig den Bluttest auf Trisomie 21 finanzieren soll. Die Zweckentfremdung von Mitteln für die Erkennung von zunächst unveränderlichen Behinderungen gehört nicht zum Leistungskatalog der Sozialversicherung.

Die Konsequenz aus dem Ergebnis führt zu keinen gesundheitlichen Maßnahmen, sondern ist lediglich eine Orientierung für die Eltern. Durch einen Vorstoß, diese Überprüfung durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger bezahlen zu lassen, steigt der Anreiz zur Durchführung der Gendiagnostik.

Einen solchen Trend sollten wir aber aus unterschiedlichen Gründen verhindern. Nicht nur, dass die Forderung der emanzipatorischen Bewegung nach einer völligen Legalisierung der Abtreibung zu jedwedem Zeitpunkt der Schwangerschaft weiteres Futter bekommen würde.

Die utopische Ideologie des idealen Menschen fände weitere Anhänger. Wir dürfen keine Selektion zulassen, sondern müssen den Schutz jedes Einzelnen in den Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stellen.

Schließlich ist aller Anreiz, über eine Behinderung wie das „Down-Syndrom“ beim heranwachsenden Baby Auskunft zu erhalten, eine potenzielle Entscheidungshilfe, sich einseitig und unkritisch gegen das Kind zu positionieren.

Die vollständige Transparenz über den Gesundheitszustand des Embryos birgt eine Sogwirkung in sich, denn die Aussicht auf Bestätigung beeinflusst die Abwägung von Mutter und Vater über den Fortbestand der Schwangerschaft und animiert auch jene Eltern, die sich eigentlich für ein behindertes Kind ausgesprochen haben, eine Abtreibung zumindest in Betracht zu ziehen.

Insgesamt hätte die Kostenübernahme von pränatalen Tests auf mögliche Behinderungen des Fötus auch eine gesellschaftliche Sprengwirkung. Sie würden in den Augen vieler Menschen zum Standard, der sie aber niemals sein darf. Denn auch wenn Kritiker der Lebensrechtsbewegung ihren Wunsch nach einem transhumanistischen Umsturz stets leugnen, so ist der Dammbruch doch ziemlich nahe:

Wir nähern uns dem Designer-Baby in immer größeren Schritten, weil wir es verlernt haben, mit der Gestaltungsvielfalt der Natur umzugehen.

Die Schöpfung zielt nicht auf Perfektionismus ab – und das hat einen guten Grund: Ein Individuum ohne Ecken und Kanten ist nicht überlebensfähig. Krankheit, Behinderung und Leid können wir nicht verstehen, aber sie haben nach meiner festen Überzeugung einen Hintergedanken: Sie stärken uns in unserer Fähigkeit, eine heilsame Resilienz aufzubauen.

Menschen, die aufgrund der subjektiven Ungerechtigkeit an der Theodizée-Frage zerbrechen könnten, weisen stattdessen eine übermäßige Widerstandskraft auf, mit Tiefschlägen in ihrem Leben besser umzugehen als jene, die scheinbar im Land elendsloser Glückseligkeit verharren.

Anstelle einer Debatte über die Pränataldiagnostik sollten wir eine gesellschaftliche Diskussion über unser Bild von Behinderung führen. Es genügt nicht, wenn wir theoretische Dialoge über Inklusion bestreiten, gleichzeitig aber „Handicaps“ als bloße Last ansehen. Die Anerkennung von uneingeschränkter Würde jeder Person zu praktizieren, das bleibt eine Aufgabe von uns allen.

Denn wenn wir die Integrität des Einzelnen – nicht nur aus weltanschaulichen, sondern insbesondere aus moralischen Gründen – wahren möchten, müssen die Barrieren in unseren Köpfen fallen. Es ist wahrlich kein Manko, behindert zu sein – und auch keine Bürde.

Vielmehr bereichern uns jene Menschen, die aus ihrer Diversität eine Chance machen: Sie schaffen ein pluralistisches Miteinander und tragen mit ihrem Optimismus dazu bei, manch Nörgelei der Vielen zumindest ein Stück weit zu relativieren.

Erst in jenem Moment, in dem wir Behinderung als ein Abbild von Normalität begreifen, lassen wir Integration auch wirklich zu. Schon alleine deshalb untersagt uns die Ethik das engstirnige Suchen nach absoluter Gewissheit, denn wir haben Unterschiedlichkeit zur Konvention gemacht. Sind wir jetzt auch bereit dazu, sie zu gestalten und das Recht auf Leben unbeschränkt anzuerkennen?

Unser Autor Dennis Riehle lebt in Konstanz und hat eine eigene Homepage: https://www.dennis-riehle.de

Kommentare

2 Antworten

  1. Herr Riehle, Sie gebärden sich doch als „Linker“. Sie sind gegen die Kostenübernahme. Das hat zur Folge, dass die weniger betuchten behinderte Kinder bekommen müssen, die Reichen, die besser verdienenden können sich Designer-Babies leisten.
    Wenn Sie wenigstens die Pränatests generell verbieten wollten, so dass weder Arm noch Reich Pränatests vornehmen lassen können wär´s noch halbwegs akzeptabel. Sie sprechen sich aber nur dagegen aus, dass die „Armen“ Pränatests in Anspruch nehmen können, Sie haben aber nichts dagegen, dass die Besserverdienenden sich diese Tests leisten können.

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