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Niederlage von „Estrela“: neben Jubel-stimmung ist auch Kritik angesagt

Mathias von Gersdorff

Mit vollem Recht feierten Lebensrechtler in ganz Europa das Scheitern von „Estrela“ im Europäischen Parlament am 10. Dezember 2013. Es war fast so etwas wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest. 20131021_Demonstration_StraA_burg_A

Einige Tage danach erscheint es freilich angebracht, einige kritische Anmerkungen über das Ereignis anzustellen.

„Estrela“ scheiterte angesichts von nur sieben Stimmen Vorsprung. Das ist bemerkenswert, denn die Entschließungsvorlage behandelte höchst polemische Themen  –  Abtreibung und Sexualerziehung –  die gar nicht in die Zuständigkeit des Parlaments fallen.

Auch wenn eine Entschließung des Europäischen Parlaments unverbindlich für die Mitgliedsstaaten ist, sollten die Parlamentarier sich an die Regeln halten. Für fast 50 Prozent der EU-Parlamentarier scheinen die Regeln unwichtig zu sein  –  so viel zu deren Amtsverständnis.

Skandalöse Haltung der Liberalen 

Verblüffend ist geradezu, dass die Liberalen  –  von denen man annehmen konnte, sie würden sich für eine Einschränkung des zentralistischen Europas einsetzen  –  mit großer Mehrheit dem Bericht von „Estrela“ zugestimmt haben.

Dieses Verhalten ist haarsträubend, denn implizit befürworteten sie damit eine deutliche Ausweitung der Zuständigkeiten Europas. Was daran freiheitlich sein soll, bleibt deren Geheimnis.

Vor allem erschüttert die Tatsache, dass den Liberalen die eklatante Verletzung der Zuständigkeiten des Parlamentes sowie die vielen Unregelmäßigkeiten im parlamentarischen Prozess offenbar egal waren. Von Alexander Graf Lambsdorff, Silvana Koch-Mehrin & Co. hätte man mehr Rechtsbewusstsein erwartet.

Alternative Entschließung enthält nur formale Kritik

Die alternative Entschließung, die über „Estrela“ obsiegte, ging gar nicht auf die Inhalte ein. Sie behauptete lediglich, dass die behandelten Fragen in die Zuständigkeit der Mitgliedsländer fallen. Die Gegner von „Estrela“ machten es also den Liberalen und den Linken äußerst einfach, gegen die Vorlage der portugiesischen Sozialistin zu stimmen. SDC12319a

Wie wäre das Abstimmungsergebnis gewesen, wenn die Alternativvorlage auch die Inhalte von „Estrela“ kritisiert hätte?  – Nimmt man nur die siegreiche Vorlage zur Grundlage, so war es „lediglich“ ein Triumph gegen eine Übermacht Brüssels bzw. Straßburgs.

Eine der vielen Initiativen gegen „Estrela“ fand ich in Facebook unter dem Namen „Estrea NO – Respect Subsidiarity“. Sie wurde erst wenige Tage vor der Abstimmung am 10. Dezember gestartet. In etwa 72 Stunden schaffte es diese Initiative, über 4000 „Gefällt mir“ zu sammeln – eine Höchstleistung.

Die Beiträge auf der Seite wiesen mehrheitlich auf die Forderungen nach einem „Recht auf Abtreibung“ und eine europaweite ultraliberale Sexualkunde hin. Aber der Aufhänger war eben die von „Estrela“ missachtete Subsidiarität. Es sah fast so aus, als ob manche Lebensrechtler anstrebten, die Euroskeptiker mit ins Boot zu  holen. 

Koalition mit Euroskeptikern brachte den Erfolg

Mit diesen Hinweisen soll wahrlich nicht die Leistung der Lebensrechtler  –  zu denen ich mich selber rechne  –  gemindert werden. Ganz im Gegenteil: Sie waren es, die monatelang mit Postkarten, E-Mails, Faxe, Straßendemonstrationen das Thema „Estrela“ einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht haben.

Ohne diese Proteste wäre „Estrela“ ohne großes Aufsehen im Parlament debattiert worden, was die Annahme erheblich erleichtert hätte.

Fazit: Die Niederlage von „Estrela“ ist einer Koalition von Lebensrechtlern, Familienschützern und Euroskeptikern zu verdanken. Die letzteren sind nicht unbedingt christlich oder wertkonservativ, manchmal sind sie das glatte Gegenteil, doch in diesem Fall stimmten sie mehrheitlich für die christliche Position.

Trotz aller Freude darf deshalb nicht übersehen werden, dass der Lebensschutz im Europäischen Parlament auf wackligen Füßen steht. Umso wichtiger ist es, eine aktionsfähige europäische Lobby im vorpolitischen Raum für die Rechte der ungeborenen Kinder aufzubauen.

Mathias von Gersdorff ist kath. Publizist und Leiter der Aktion „Kinder in Gefahr“ in Frankfurt

Kommentare

8 Antworten

  1. Können Sie mir eine einzige nennen?

    Nein, Gott sei Dank keine einzige, die Ihren römisch-katholischen Ansprüchen für „Lebensschutz gerecht werden könnte.

    Aber jede Menge anderer, die sich um die Frauen kümmern, von der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt, den Maltesern und Johannitern bis zu Donum Vitae und pro familia. Und alle anderen, die sich um Frauen kümmern, ohne diese Hilfe an ideologische Bedingungen zu knüpfen.
    Nicht zuletzt die Kommunen mit ihren Sozialämtern und deren Mitarbeitenden. Die leisten in meist schlimmer Unterbesetzung für wenig Geld, von dem auch noch die Familie versorgt, besser teilversorgt, werden muss, oft genug übermenschliches für Frauen in Not. Sie sehen, nicht nur eine einzige, Legionen!

  2. Wo sind denn die ehrenamtlichen Helfergruppen seitens der Abtreibungslobby?

    Das kommt drauf an, wen sie unter „Abtreibungslobby“ subsumieren wollen Frau Küble.

    Wenn das alle sind, die nicht nach Ihrer römisch-katholischen Gesinnung beraten eigentlich alle Institutionen, von der Haupt- und Realschule, über die Sozialämter, die ARGE, sehr, sehr viele Frauen und Männer in Eherenämtern von den einschlägigen Mitbewerbern der Caritas und natürlich Ihre besten Feinde, Donum Vitae und pro familia.

    Aber schon Ihre Bezeichnung „Abtreibungslobby“ beweist, dass Sie das alles, was nicht in Ihr eng gefügtes römisch-katholisches Weltbild passt, absolut nicht wahr haben wollen.

    Bei Donum Vitae zum Beispiel wird garantiert niemand einer Frau zu einer Abtreibung raten und auch bei pro familia werden zuvorderst Aufklärung über Methoden bevorzugt, die Schwangerschaftsabbrüche vermeiden.

    Ich will mir gar nicht vorstellen, als was man die selbst ernannten „Lebensschützer“ bezeichnen müsste, wenn man Ihre Massstäbe für das Wort „Abtreibungslobby“ auf diese anwenden würde. Das würde Ihnen bestimmt nicht gefallen Frau Küble, deswegen halten wir uns da lieber zurück.

    1. Guten Tag,
      mir neu, daß Sozialämter, ARGE und sonstige amtlichen Stellen, Schulen etc. e h r e n a m t l i c h e Schwangerenberatung betreiben. Lächerlich auch Ihre Behauptung, „Pro Familia“ wolle Abtreibungen möglichst vermeiden: „Pro familia“ führt in diversen Großstädten sogar selber Abtreibungen in seinen Centren durch!
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

  3. Das ist ein ausgezeichneter und sehr lesenswerter Artikel mit sehr interessanten Aspekte und mit einem spannenden Fazit.

    Allerdings ist eine Lockerung im Bezug auf die Abtreibung sehr wohl als „freiheitlich“ zu verstehen. Das gibt interessante, neue und erweiterte Geschäftsmodelle für die Pharma-, Chirurgie- und anderen Branchen (Geschlechterumwandlungen, Medikamente, Embryoforschung). Das ist eine Menge zusätzliches GELD, das mit der Lockerung der Regeln, vor allem durch die liberale Elite, verdient werden könnte. Vergessen Sie nicht die elitäre Forschung und Entwicklung (auch technologisch), die auf diesem Gebiete ungehindert enorme Fortschritte machen könnte. Das ist durchaus im Sinne der Liberalen. Es gibt da viele die träumen von einer möglichst staatlich uneingeschränkten, modernen und stetig wachsenden Industrie, die den Menschen von der Geburt bis zum Tode alles ermöglichen will, was sich zu mindestens eine gut verdienende Elite leisten kann und das der Christ als verwerflich ablehnen müsste. Die Politik und die Gesellschaft soll möglichst keine Bremsen aufbauen, die den Verdienst schmälern können. Das heisst im Klartext möglichst gar keine einengenden Gesetze und wenn schon Gesetzte, dann solche, die möglichst viel erlauben. Einiges was möglich werden könnte, kennen wir noch gar nicht. Viele recht und linke Politiker sind mehr oder weniger bekennende Agnostiker. Also was erwarten Sie da noch? Oder glauben Sie wirklich, dass echt Liberale Europa zu einem Gesetz verhelfen, das zum Beispiel Abtreibungen kategorisch verbietet?

    Die linken Kräfte haben andere unsinnige Ansichten, weshalb sie diese „Freiheiten“ wollen und sehen nicht ein, dass sie ihrem „Klientel“ unsäglich damit schaden (körperlich wie seelisch und wohl auch finanziell).

    Ich kann mir gut vorstellen, das eines Tages auch in guter Absicht politisch rechts- wie linksdenkende Menschen sich die Augen reiben werden und bekennen, das sie ihre politische Einstellungen grundlegend ändern müssen.

    Auch wenn Garabandal von der Kirche nicht anerkannt ist, sollte die Aussage „… wenn der Kommunismus wieder kommen“ mit der Aussage vom kirchlich anerkannten Fatima „… werde Russland seine Irrtümer (also die marxistische Irrlehre oder wenn noch nicht erfolgt, diesen .. wie nennen wir das heute?), über die gesamte Welt ausbreiten und Kriege und Kirchenverfolgungen heraufbeschwören“ zutreffen, dann sind wir wegen unserer gottlosen Unversöhnlichkeit alle in Gefahr. Sind wir vielleicht schon mitten drin oder hat sich die Sache schon erledigt? Ich weiss es auch nicht. Klar ist mir dann nur, dass diese Situation von allen unklugen und unchristlichen Strömungen in unserer Weltengemeinschaft heraufbeschworen wurde, inklusive Kapitalismus in jeder Form, leider…

  4. Komisch, warum wundert es mich gar nicht, dass in diesem Text das Wort „Frau“ oder auch „Mutter“ kein einziges Mal vorkommt?

    Frauen und Mütter scheinen beim wohl wichtigen Thema Schwangerschaftsabbruch für die römisch-katholische Kirche einfach nicht zu existieren.

    Vielleicht wundere ich mich deshalb nicht, weil es mich auch nicht wundert, dass unsere Kirchen leer sind. Das ist wohl eine Folge davon, dass sich die Kirchenoberen aus der Lebenswirklichkeit der Menschen schon vor Jahrzehnten verabschiedet haben (wie zum Beispiel die Ergebnisse der Umfrage in der Diözese Köln aktuell zeigen), als sie Glaubwürdigkeit gegen Macht getauscht haben.

    PS: Glaubt wirklich jemand, dass dieses Votum auch nur ein Jota an den bestehenden Gesetzen zum Schwangerschaftsabbruch ändern wird? Wer’s glaubt, wird selig!

    1. Guten Tag,
      erstens gibt es keinen „Schwangerschaftsabbruch“, weil es hierbei um die Tötung eines Babys im Mutterleib geht, nicht nur um das „Abbrechen“ (genauer: Beenden) eines physiologischen Zustands (Schwangerschaft).
      Zweitens gilt: Das zweite Opfer einer Abtreibung ist immer die Frau!
      Drittens: Gottlob stand und steht die Kirche weiter quer zum Zeitgeist und zur sog. „Lebenswirklichkeit“ vieler Menschen – das war bekanntlich schon vor zweitausend Jahren so – und Christus selbst ein „Zeichen, dem widersprochen wird“.
      Wer Zeitgeistliches sucht, kann gerne bei der EKD unterkommen.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

      1. … weil es hierbei um die Tötung eines Babys im Mutterleib geht … Das glauben Sie Frau Küble, dass es dabei um ein „Baby“ geht! Aber es stimmt einfach nicht, was Sie da glauben. Deswegen wird ein Schwangerschaftsabbruch auch nicht so bestraft wie das im Paragraf 211 des deutschen Stafgesetzbuches festgelegt wird. Das wäre nämlich der Fall, wenn bei einem Schwangerschaftsabbruch ein „Baby“ getötet werden würde.

        Zweitens gilt: Das zweite Opfer einer Abtreibung ist immer die Frau!

        Das können Sie gebetsmühlenhaft wiederholen, so oft Sie wollen Frau Küble, so lange Sie das „zweite Opfer“ noch nicht einmal NENNEN in Ihrer Anklage und so lange Sie das „Opfer“ einer angeblichen Straftat mit dem Strafgesetzbuch bedrohen (am liebsten wohl mit dem Mordparagrafen, wie man aus Ihren Worte Baby und Tötung entnehmen kann); so lange nimmt Ihnen diese Heuchelei niemand ab!

        Kümmern Sie sich WIRKLICH um die schwangeren Frauen, dann ist Ihr Problem mit den Schwangerschaftsabbrüchen sehr schnell gelöst.

        Aber dazu müsste man ja die Frauen wirklich als Opfer anerkennen und das noch dazu als ERSTES Opfer. Und damit wäre auch der Ruf nach der Kriminalisierung der Frauen und nach dem Strafgesetzbuch hinfällig.

        1. Guten Tag,
          teilen Sie mir doch mit, worum es bei einer Abtreibung sonst geht, wenn nicht um die Tötung eines Babys im Mutterleib. Selbstverständlich ist das vernichtete Kind das erste Opfer, weil ihm sein Lebensrecht genommen wird. Es bleibt dabei: „Das zweite Opfer einer Abtreibung ist immer die Frau.“ – Vielleicht ist Ihnen entgangen, daß es zahlreiche kirchliche und private christliche Initiative gibt, die sich um Schwangere kümmern, sei es sozial, beratend oder direkt finanziell, dazu gehören auch ehrenamtliche Helfer in vielen Ortsgruppen etwa der ALFA (Aktion Lebensrecht für alle). Ich kenne mehrere dieser Helferinnen persönlich, die sich oft jahrelang nach der Geburt noch um die Mütter kümmern.
          Wo sind denn die ehrenamtlichen Helfergruppen seitens der Abtreibungslobby? Können Sie mir eine einzige nennen?
          Freundlichen Gruß!
          Felizitas Küble

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