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Offener Brief von Chefarzt Prof. Dr. med. Andreas Zieger zur Causa "Hirntod"

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Gemeinsame Stellungnahme der DGN, DGNC und DGNI vom 5. März 2014 veranlasst mich als Mitglied der DGNC, Hochschullehrer, Kliniker und Experte bei der Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages in Bonn Juni 1996 zum Transplantationsgesetz (TPG, 1997) zu folgendem Offenen Brief: Zieger 30 März 2013

Ich stimme Ihnen zu, dass das derzeit (vor der Öffentlichkeit heimlich!) im Nationalen Ethikrat diskutierte Konzept des Non-Heart-Beating-Donors (NHBD) strikt abzulehnen ist. Jedoch hat die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) beim damaligen Gesundheitsminister Bahr (FDP) die Einführung dieses Konzepts und seine Evaluation bereits im Mai 2011 schriftlich eingefordert! Das bleibt völlig unerwähnt.

Unbeantwortet bleibt ferner die Aussage, dass die NHBD „ein höheres Risiko an Fehldiagnosen in sich birgt“: Welche Art von „Fehldiagnosen“ ist damit gemeint?
Ich stimme Ihnen zu, dass an der Diagnose des Hirntodes mindestens ein Neurologe oder Neurochirurg beteiligt sein sollte. Die von der Süddeutschen Zeitung am 18.2.2014 und 4.3.2014 veröffentlichen Berichte sind nur die Spitze eines (z.T. international publizierten) Eisbergs an fehlerhafter Hirntoddiagnostik (vgl. Neurology, 1998)! Sehr zum Nachteil des Vertrauens in der Bevölkeruing und des Anliegens der Organverpflanzung.
Unter den „Voraussetzungen“, die zur Feststellung eines Hirntod-Syndroms vorliegen müssen, wird in der Stellungnahme der Atemstillstand (Apnoe-Test) nicht erwähnt. Warum? Ist doch der Apnoe-Test die „dritte Säule“ neben dem „areagiblen tiefsten Koma“ und dem „Erloschensein aller Schutz (Hirnstamm)reflexe“. Warum wird der Apnoe-Test verschwiegen. Etwa, weil er „gefährlich“ ist (Coimbra 1999, 2005)?
Das sog. Nulllinien-EEG ist zwar im TPG als zusätzliches apparatives diagnostisches Hilfskriterium genannt; das Kriterium selber ist aber durch d62f10dc686en Nachweis von sog. subkortikalen (hippokampalen) Nu-Komplexen (Tiefenelektroden, im narkotischen Koma) neuerdings erschüttert.
Ein Oberflächen-EEG, wie es als Zusatzdiagnostik vorgesehen ist, kann also prinzipiell vorhandene Restaktivitäten im absterbenden Gehirn (methodisch) nicht erfassen, wie die entsprechenden Autoren dies in Ihrem Beitrag auch folgerichtig problematisieren: PLoS One. 2013 Sep 18;8(9):e75257. doi: 10.1371/journal.pone.0075257. eCollection 2013. Human brain activity patterns beyond the isoelectric line of extreme deep coma. Kroeger D1, Florea B, Amzica F.
Ferner wird in der Stellungnahme gesagt, dass die Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Gehirns immer dann indiziert ist, wenn die gesamte Hirnfunktion irreversibel ausgefallen ist. Warum? Wozu? Weshalb? Um bei Erreichen des „point of no return“ die Beatmungstherapie zu beenden, d.h. das Gerät abzustellen? Warum wird das nicht (bzw. erst später, in einem anderen Zusammenhang) gesagt?
Bei aller Zustimmung meinerseits zum höchst problematischen NHBC-Konzept („Neues Herztodkonzept“) sind in der Stellungnahme folgende Hinweise zu vermissen:
die NHBD verstößt gegen die im TPG festgeschriebene Tote-Spender-Regel (Dead Donor Rule, DDR)! Diese Regel stellt eine ethische und gesetzliche Grundregel für die Akzeptanz des Hirntodkonzepts dar. Was bedeutet es, wenn dies in der Stellungnahme verschwiegen wird?
Die NBHD setzt das Hirntodkonzept als Kriterium für den Zeitpunkt zur Entscheidung der Organentnahme außer Kraft! Kriterium ist dann allein die willkürliche Setzung der Dauer der EKG-Nulllinie in Minuten! Immerhin hat dies bereits 2011 die DTG gefordert! Das TPG hält dies für ungesetzlich! Warum wird dies nicht in der Stellungnahme aufgegriffen?
Medizinisch wichtig ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das Herz (aufgrund seiner relativen Autonomie) sich noch bis 20 Minuten (experimentell) nach einem Stillstand von selbst reanimieren kann (Ardell & Armour 1994: Neurocardiology), während das Gehirn bzw. die Person dann schon „bewusstlos“ ist.
Schließlich ist die Feststellung des Hirntod-Syndroms als der „Tod des Individuums“, wie in der Stellungnahme weiterhin behauptet, vor dem Hintergrund der naturwissenschaftlichen Widerlegung der entscheidenden Begründung des Hirntodkonzepts, nämlich, dass das Gehirn nicht alle Lebensfunktion integriert und steuert, nicht länger aufrecht zu halten (vgl. Shewmon 1998, 2004, 2012 in Berlin zum „chronic brain death“, Müller 2010; Rehder 2010; Verheijde et al 2009; Birnbacher 2007).
Die permanente Ignoranz gegenüber diesen wissenschaftlichen Nachweisen ist unerträglich und hat ein kritisches (psychologisches) Widerstandspotenzial in der aufgeklärten Öffentlichkeit geschaffen, welches von der DSO, der BÄK, der BgZA und den Fachgesellschaften nicht ausgeräumt worden ist, sondern verstärkt zu Abwehrbewegungen, Kritik und aufklärerischen Gegenaktionen provoziert.
Allein in Norddeutschland bin ich in vergangenen 5 Jahren zu zahlreichen Veranstaltungen mit vielen hundert Besuchern eingeladen worden, mit steigender Tendenz: http://www.a-zieger.de/vortraege.php
Solange die DSO, die BÄK, die BGzA und die Fachgesellschaften es nicht verstehen, ohne irreführende (verharmlosende und Falsch-)Informationen gegenüber der interessierten aufgeklärten Bürgerschaft und Bevölkerung wahrheitsgetreu, unverfälscht, transparent und psychologisch nachvollziehbar verständlich zu vermitteln, wird der Abwärtstrend in der Organspendebereitschaft zunehmen – auch wenn der Organspendeskanadal dann vergessen sein wird – es geht um existenzielle Grundfragen und hochsensible verletzte Grundbedürfnisse.
Es geht um ein integriertes Menschenbild. Andernfalls wird die vielbeschworenen „Autonomie“ der getäuschten und desillusionierten Bürgerinnen und Bürger, die sich einer Organspende „als Bürgerpflicht“ widersetzen (Maio 2013), immer deutlicher sichtbar.

Mit freundlichen Grüssen

Prof. Dr. med. Andreas Zieger
Evangelisches Krankenhaus Oldenburg
Chefarzt der Klinik für Neurorehabilitation
Abt. für Schwerst-Schädel-Hirngeschädigte
Früh- und Weiterführende Rehabilitation / Wachkomazentrum
Steinweg 13-17
D-26122 Oldenburg
Tel: +49/441/236-402 / Fax: +49/441/236-715
Dr.andreas.zieger@evangelischeskrankenhaus.de
www.a-zieger.de

2. Foto: HMK

Kommentare

6 Antworten

  1. Das Konzept „Hirntod“ ist (künstlich) konstruiert – entweder aus pathologischer Dummheit oder „niedrigen Beweggründen“. Ich neige sehr dazu, das Erstere anzunehmen.
    -> Kollektive (Zivilisations-)Neurose.
    TOD ist eigentlich, im Grunde, ein unzweideutiges Wort.
    „Tod“ ist ein Wort der „Ursprache“ der Deutschen (Theodisch – die Gottessprache) und läßt sich entsprechend der geltenden Gesetzmäßigkeiten analysieren bzw. deuten.
    Das Wort „Tod“ besteht aus zwei wichtigen Komponenten: Dem „T“ und dem „Od“.
    Das „Od“ ist die den Völkern Germaniens sehr gut bekannt und vertraut gewesene Gottes-Kraft / Lebens-Kraft (siehe: Od-em, Od-in, Klein-od, Ode, usw.)
    Der Buchstabe (Laut) „T“ steht für das „Entfleuchen“ (hier: der Kraft). Das geht überein mit noch heute bestehenden Erfahrungen / Sichtweisen, daß zum Zeitpunkt des Todes die „Seele“, das „Bewußtsein“, den Körper verläßt.
    Dieser natürliche Vorgang wird beim Konzept „Hirntod“ ignoriert bzw. umgangen und durch Manipulation unethisch beeinflußt. Das verletzt die Würde des Menschen!

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