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Ordensfrau und „Mutter“ von 100 Kindern: Selige Maria Gräfin Droste zu Vischering

Von Elmar Lübbers-Paal

„Wildfang“, so nannte ihr Großonkel, der Bischof von Mainz, Emanuel von Ketteler, die kleine Maria. Ihre Spielkameraden und Verwandten sprachen das Mädchen liebevoll mit „Kätzchen“an. Ja, sie konnte sanft wie ein Stubentiger auf Pfoten sein, aber auch in Sekunden forsch werden und zupacken wie eine Katze, die augenblicklich ihre Krallen ausfährt. Dieses Naturell sollte ihr später noch von Nutzen sein.

Maria Droste zu Vischering wurde mit ihrem Zwillingsbruder Max am Fest Mariä Geburt, dem 8. September 1863 auf dem Erbdrostenhof – einem barockem Adelspalais in Münster –  geboren. Die beiden Kinder waren von so schwächlicher Gesundheit, dass sie durch den Bruder ihrer Mutter, den Präfekten des Priesterseminars, Maximilian Gereon von Galen, die „Nottaufe“ erhielten.

Maria wuchs prächtig heran und unterschied sich zunächst von den anderen Kindern nicht großartig. Doch die Saat, die die glaubensfeste Mutter in die Herzen ihrer Kinder legte, begann gerade in Maria sehr kräftig aufzugehen.

Die Eltern lebten eine volksnahe Marienfrömmigkeit vor. So gehörte das Rosenkranzgebet wie selbstverständlich zum Tagesablauf. Auch die herzbewegenden Marienandachten waren eine gelebte Familientradition.

Maria entschloss sich mit nur neun Jahren, der Bruderschaft „Ehrenwache des Heiligsten Herzens Jesu“ beizutreten. Dabei verpflichtete sie sich, die Verehrung des Herzens Jesu zu fördern und spezielle Gebete zu verrichten.

Der uralte katholische Adel, aus dem Maria entspross  –  väterlicherseits die Reichsritter Droste zu Vischering und mütterlicherseits das Grafengeschlecht von Galen aus dem Oldenburger Münsterland –  spiegelte weniger den Wohlstand als viel mehr die adelige Gesinnung wieder.

Auf dem Familiensitz, dem Wasserschloß Darfeld (Kreis Coesfeld), wurde die Schloßkapelle Marias wohliger Rückzugsort. Sie zählte gerade 15 Jahre, als sie die Schule des Sacré Coeur-Klosters in Riedenburg am Bodensee besuchte, das die Schwestern des Heiligsten Herzens leiteten. Mit ihrer Firmung verfestigte sich ihr Wunsch, CHRISTUS als Ordensschwester nachzufolgen.

In Riedenburg betrachtete man Marias gesundheitlichen Zustand jedoch als für das harte Leben einer einfachen Ordensschwester nicht geeignet. Man lehnte ihr Gesuch um den Ordenseintritt daher ab.

Schließlich sollte sich 1888 dann ihr Herzenswunsch, Nonne werden zu können, im Orden der Schwestern vom Guten Hirten in Münster erfüllen.

Nach dem Ablegen ihrer Ordensgelübde bekam sie ihre eigene Mädchen-Wohngruppe, die sie mit viel Herzenswärme und Führungsstärke leitete. Gerade diese Zeit der zunehmenden Industrialisierung hatte viele junge Frauen auf die Straße getrieben. So manch eine bot ihren Körper an, um sich von dem Geld die nötige Nahrung zum Überleben kaufen zu können.

Die Schwestern vom Guten Hirten nahmen sich dieser verzweifelten Kreaturen an und sammelte sie von den Straßen auf. Die Schwestern gaben ihnen mehr als nur ein Dach über dem Kopf und ausgewogene Mahlzeiten; sie wurden zum Familienersatz und zu einer Ausbildungsstätte.

Hier wurden die jungen Frauen auf das zukünftige Leben vorbereitet. Marias gute und fürsorgliche Arbeit fiel auch den Ordensoberen auf. Nun sollte Maria größere Aufgaben bekommen.

Zur Unterstützung der Provinzoberin in Portugal, Anna von Schorlemer, die ebenfalls einem westfälischen Adelsgeschlecht entstammte, wurde Maria nach Lissabon ausgesandt.

Im Arbeitervorort der Stadt Porto, Paranhos, leitete Maria ab 1894 das erst vor wenigen Jahren eröffnete Haus ihres Ordens. Auch hier waren im Zuge der Industrialisierung viele junge Frauen die tragischen Opfer jener Zeit.

Maria holte diese Bedürftigen – darunter auch missbrauchte Mädchen –  von der Straße und bewahrte sie so vor der Prostitution. Sie gab ihnen ein Zuhause, wo sie wieder Zuneigung und menschliche Wärme erfahren konnten.

Die eifrige Ordensfrau selbst lebte in Armut und schrieb zahllose Bettelbriefe an Fabrikanten und finanzstarke Leute, um den ihr Anvertrauten ein würdiges Leben bieten zu können. Starke Unterstützer Ihres Werkes kamen dabei aus ihrer deutschen Heimat. Der wohl größte Sponsor war ihr eigener Vater. Er zeigte, was der Ausspruch „Adel verpflichtet!“ bedeutete.

Ihrer Mutter konnte sie bereits schon in Münster mitteilen, dass sie mit einem Mal Großmutter von 97 „Enkeln“ geworden ist. In Portugal nahm sie sogar noch mehr Mädchen auf, was rein menschlich gesehen fern jeder finanziellen Vernunft war.

Doch Maria wollte allen helfen. Sie schaffte es, dank ihres Durchsetzungsvermögens und ihrer schier grenzenlosen Schaffenskraft, das Ordenshaus vor dem Ruin zu bewahren. Sich selbst und ihre Gesundheit vergessend, arbeitete sie sehr hart.

Eine Entzündung am Rückenmark schritt voran und machten ihr zunehmend zu schaffen. Die Bewegungseinschränkungen wurden so stark, dass sie sich zunächst nur noch mit Krücken fortbewegen konnte. In der Folge mußte sie einen  Tragsessel in Anspruch nehmen, bis sie ihre Erkrankung ans Bett fesselte.

Gerade aber im Leiden wurde sie zur Mystikerin. Innere Impulse trugen ihr auf, den Papst um die Weihe der Welt an das Heiligste Herz Jesu zu bitten. Tatsächlich vollzog Papst Leo XIII. (1878 – 1903) diese Weihe auf ihre Bitte hin. Der Papst legte das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu auf den zweiten Freitag nach Fronleichnam fest.

Marias Freude darüber war grenzenlos. Doch die eigentliche Weihe sollte sie nicht mehr auf Erden miterleben, denn drei Tage vor der Weihe, am 8. Juni 1899, verließ sie diese Welt mit nur 35 Jahren.

Marias Leichnam ist bis zum heutigen Tage unverwest und ruht in einen Glasschrein in der Klosterkirche vom Guten Hirten in Ermesinde bei Porto. Papst Paul VI. sprach diese außergewöhnliche Ordensfrau 1975 selig. Ihr liturgischer Festtag ist ihr Todestag, der 8. Juni, der gleichzeitig ihr Geburtstag im Himmel wurde. 

Seit Juni 2013 prüft die vatikanische Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen eine Heiligsprechung von Schwester Maria vom göttlichen Herzen Jesu, der Gräfin Droste zu Vischering.

Gemälde unten: Evita Gründler

Kommentare

Eine Antwort

  1. Die Selige ist sicher im Münsterland gut bekannt, in unserer Gegend kennt sie leider so gut wie niemand. Möge ihr Leben bekannter gemacht werden! Die Heiligsprechung würde viel dazu beitragen. Triers „heimlichen Heiligen“ Hieronymus Jaegen kennt selbst hier im Bistum kaum jemand, sein Seligsprechungsprozess ist soweit gediehen, allein, es fehlt das Wunder. Ob es möglich ist, diesen Diener Gottes auch etwas bekannter zu machen, als Vorbild eines Laien für uns Laien?

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