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Peter Kiefer: Offener Brief an den Kanzler

Sehr geehrter Herr Scholz,

vorab zwei Feststellungen:

  1. Von einem Bundeskanzler erwarte ich, dass er seinen Amtseid ernst nimmt – auch wenn er sich dabei nicht auf Gott beruft. Dieser Erwartung entsprechen Sie nicht, und deshalb sind Sie nicht mein Kanzler.
  2. Nach 16 Jahren Merkel-Neujahrsansprachen leide ich unter dem ‚Murmeltier-Syndrom‘. Das liegt natürlich nicht in Ihrer Verantwortung, aber Sie gelten als “Merkel-Mutante“ (Florian Schroeder), und deshalb habe ich mir Ihre Neujahrsansprache nicht angehört.

Fast alle politischen Beobachter sind sich einig, dass Sie nicht wegen Ihrer Kompetenz Kanzler wurden, auch nicht wegen Ihres Charismas, und schon gar nicht wegen Ihres rhetorischen Talents, sondern ausschließlich wegen der Schwäche der anderen Kanzler-Kandidaten.

Hätte Frau Baerbock im Vorfeld einen vernünftigen Lebenslauf geschrieben und während des Wahlkampfes auf die Publikation ihres zusammengestoppelten Buches verzichtet, hätten Sie sich möglicherweise wieder mit der Rolle eines Vizekanzlers abfinden müssen. (Frau Baerbock als Kanzlerin wäre allerdings der absolute GAU gewesen.) 

Als Erster Bürgermeister in Hamburg und anschließend als Bundesfinanzminister haben Sie eine ganze Reihe an Beweisen geliefert, dass Sie zu Höherem befähigt sind (Cum-Ex-Geschäfte, HSH Nordbank, G20-Hafengeburtstag, Wirecard usw)  –  und für gewisse Kreise sind Sie tatsächlich die Idealbesetzung im Berliner Kanzleramt, für Monsieur Macron und Signore Draghi ganz bestimmt.

Internationale Verträge spielen für Sie genauso wenig eine Rolle wie bei Ihrer Vorgängerin, aber dafür wird unter Ihnen die Fiskalunion zügig verwirklicht werden, ebenso die gemeinsame Arbeitslosenversicherung.

Mit Sicherheit wird Ihnen das Parlament (das zweitgrößte weltweit und mit Abstand das teuerste, allein 37 (!) parlamentarische Staatssekretäre) keine Steine in den Weg legen, schon weil Ihre Koalitionspartner die gleiche sozialistische Agenda verfolgen, und die CDU-Fraktion als Opposition ausfällt, denn die müsste gegebenenfalls ja mit der AfD stimmen – und das hat der neue CDU-Chef strikt verboten!

Das alles war schon vor der Bundestagswahl bekannt, und trotzdem ist die SPD von einem Fünftel der 60,4 Millionen Wahlberechtigten gewählt worden (es haben nur ca. 46,3 Millionen abgestimmt und davon 25,7% für die ehemalige Arbeiterpartei).

Einige der Menschen, die Ihre Neujahrsansprache gehört haben, hatten das Gefühl, „zwar in einem Land, aber in zwei verschiedenen Welten zu leben“ (Vera Lengsfeld).

Sie behaupteten: „Nach der Flut haben wir alle zusammen angepackt. Gemeinsam haben wir geholfen, aufgeräumt und mit dem Wiederaufbau begonnen“.

Nun, Herr Bundeskanzler, jeder, der die Katastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in den Medien verfolgt hat, weiß, dass das eine glatte Lüge ist, denn gerade staatliche Stellen haben jämmerlich versagt, betroffenes Personal findet sich aber sogar in der neuen Bundesregierung wieder (Anne Spiegel, ehemals Umweltministerin in Rheinland-Pfalz und damit zuständig für den Hochwasserschutz im Ahrtal, jetzige Bundesfamilienministerin).

Sie behaupteten auch, unser Land sei nicht gespalten, das Gegenteil sei der Fall. In welcher Blase und selektiven Wahrnehmung leben Sie?

Die Spaltung geht mittlerweile nicht nur durch unser Land, sondern durch Freundeskreise, sogar Familien. Und von einer ‚verschwindend kleinen Minderheit‘ zu reden, die mit Ihrem Corona-Management nicht zufrieden ist, grenzt an Realitätsverweigerung.

Auch hier tun sich Parallelen zu Ihrer Vorgängerin auf: Demokratie steht nur noch auf dem Papier. Ist nicht der Minderheitenschutz ein Wesensmerkmal unserer Demokratie?  (Art. 3 Abs. 3 GG)

Und was machen Sie mit Hilfe Ihrer willfährigen Medien? Sie hetzen Geimpfte und Nicht-Geimpfte aufeinander, schränken – fast nach Belieben –  Grundrechte ein, die bis vor kurzem noch als unveräußerlich galten.

Monsieur Macron hat gerade den Vorsitz im EU-Rat übernommen –  und mit 100%iger Sicherheit führt  er dieses Amt zum Nutzen seines Landes und seines Volkes aus. Sie haben zur gleichen Zeit den Vorsitz der G7-Staaten übernommen. Leider lässt Ihr Statement dazu nichts Gutes für Ihr Land und Ihr Volk erwarten: „Wir werden unsere G7-Präsidentschaft nutzen, damit dieser Staatenkreis zum Vorreiter wird. Zum Vorreiter für klimaneutrales Wirtschaften und eine gerechte Welt.“ (Hervorhebung von mir)

Der übliche deutsche Größenwahn!

Freundlichen Gruß
Peter Kiefer

 

 

 

Kommentare

5 Antworten

  1. DANKE,
    sehr geehrter, lieber Herr Kiefer !
    Mit Freude warte ich auf noch viele so erfrischende und vor allem kompetente und erhellende Beiträge von Ihnen im CHRISTLICHEN FORUM !
    Das NEUE JAHR ist noch jung !
    Mal sehen, wie lange es
    dauert, bis die momentane Regierung
    alt aussieht …

  2. Früher gab man einem neuen Regierungschef 100 Tage Zeit, um ihn beurteilen zu können. Ich gehe aber davon aus, daß Herr Kiefer ohnehin jedem Politiker, der nicht der AfD angehört, a priori die Regierungskompetenz abspricht. Den offenen Brief wird aber ohnehin ausserhalb diese Forums niemand zur Kenntnis nehmen. Was sicher auch daran liegen wird, daß Herr Kiefer keine renommierte gesellschaftliche oder journalistische Größe darstellt.

    Eine Feststellung ist aber schon mal falsch: „Dieser Erwartung entsprechen Sie nicht, und deshalb sind Sie nicht mein Kanzler.“ Denn die Frage der Legitimation, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein, mißt sich nicht an der Erfüllung von Erwartungen. Sie ergibt sich vielmehr aus der Verfassung. Demnach ist Kanzler/in derjenige bzw. diejenige welchen/welche der Deutsche Bundestag mit absoluter Mehrheit dazu gewählt hat. Das ist Ausdruck der repräsentativen Demokratie. Und da der/die so Gewählte Bundeskanzler/in der Bundesrepublik Deutschland ist und ich Bürger dieses Landes bin, ist er/sie auch mein/e Kanzler/in. Das hat nichts damit zu tun, ob ich mir diese Person als Kanzler/in gewünscht habe.

    Der sterbenskranke Willy Brandt erhielt Besuch vom damals amtierenden Bundeskanzler Helmut Kohl. Er schleppte sich aus dem Bett und zog Anzug und Krawatte an. Kohl wunderte sich darüber und meinte, das sei doch nicht nötig. Woraufhin Brandt zu ihm sagte: „Wenn mein Bundeskanzler zu mir zu Besuch kommt, dann gehört sich das so.“ DAS ist eine bewundernswerte demokratische Gesinnung.

    1. Zunächst wäre interessant, welche „renommierte gesellschaftliche oder journalistische Größe“ sich hinter diesem Kommentator ANONYMOUS verbirgt. Immerhin hat ER ja den OFFENEN BRIEF von Peter Kiefer gelesen und es ist entgegen seiner etwas arroganten Abwertung keineswegs ausgeschlossen, daß auch der derzeitige „Bundeskanzler“ über seine „Getreuen“ davon Kenntnis erhält. Ob es Herrn Scholz allerdings überhaupt interessiert, wieviele Bürger ihn ebenfalls NICHT als IHREN Bundeskanzler akzeptieren, steht in Frage. Viel eher ist er wohl damit beschäftigt, sich „um die Lufthoheit über den Kinderbetten“ zu kümmern.

      1. Hinter mir verbirgt sich keine „renommierte gesellschaftliche oder journalistische Größe“. Das habe ich auch weder vorgegeben noch behauptet. Wer jedoch meint, er sei berufen, „offene Briefe“ an einen amtierenden Kanzler zu verfassen, hält sich offensichtlich für bedeutend. Ich habe den „offenen Brief“ nur gelesen, weil ich das Forum besucht habe. Dergleichen werden Scholz und seine Mitarbeiter eher nicht tun.

        Olaf Scholz ist gewählter Bundeskanzler ohne Gänsefüßchen. Ihn nicht als Bundeskanzler zu „akzeptieren“, ist für mich eine Form von Realitätsflucht. Dass Scholz dergleichen nicht interessiert, dürfte daher auf der Hand liegen.

    2. Hoch verehrter Anonymous,
      ich bin schon wieder tief beeindruckt von Ihrer Eloquenz, und Sie haben auch recht mit Ihrer Feststellung, dass „Herr Kiefer keine renommierte gesellschaftliche oder journalistische Größe darstellt“, und auch damit, dass „den offenen Brief aber ohnehin ausserhalb diese Forums niemand zur Kenntnis nehmen wird“ (Heidelore ist ja in diesem Forum). Das ist zwar schade, aber nicht zu ändern!
      Aber falsch liegen Sie damit, „daß Herr Kiefer ohnehin jedem Politiker, der nicht der AfD angehört, a priori die Regierungskompetenz abspricht.“ Frau Wagenknecht gehört meines Wissens nicht der AfD an, und ihr spreche ich ganz im Gegenteil „Regierungskompetenz“ zu.
      Verehrter Anonymous, ich habe nicht „die Legitimation, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein“ in Frage gestellt, sondern nur zum Ausdruck gebracht, dass er nicht mein Kanzler ist. Ich bin – im Gegensatz zu Ihnen – nicht damit einverstanden, dass das Alltagsleben durch Entwicklungen belastet ist, zu denen ich nie befragt worden bin (von der Euro-Einführung, der anschließenden Euro-Rettung, über die Migrationspolitik bis zum Corona-Management), sondern die von einer abgehobenen Politikerkaste einfach so verordnet wurden. Sie gestatten, dass ich hier Albert Einstein zitiere: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“
      Zu Ihren „100 Tagen Zeit“ merke ich an, dass besagter Bundeskanzler bereits eine volle Legislaturperiode als Vizekanzler agiert hat – vielleicht ist Ihnen das schon entfallen – und außerdem habe ich den Koalitionsvertrag gelesen, Sie eher nicht.
      Ihre Geschichte vom „sterbenskranken Willy Brandt“ hat mich zu Tränen gerührt, und ich versichere Ihnen: Wäre ich so eloquent wie Sie, schriebe ich nur Kommentare, die Ihnen gefallen würden!“
      Alles Gute im Neuen Jahr!

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