Von Felizitas Küble
Unter dem Titel „Kritik am obersten Glaubenshüter“ veröffentlicht „Katholisch.de“ – das amtliche Internetportal der Dt. Bischofskonferenz – am 10.4.2015 einen ausführlichen Artikel über Gegenstimmen, die sich zu Kardinal Gerhard Müllers jüngsten Äußerungen zu Wort gemeldet haben.
Im Impressum heißt es ausdrücklich, die Redaktion arbeite „im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz.“
Wie hier im „Christlichen Forum“ kürzlich berichtet, hat der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation (siehe Foto) sich dagegen ausgesprochen, die sog. „Lebenswirklichkeit“ der Menschen als eine Quelle der Offenbarung (Selbstmitteilung Gottes) anzusehen.
Laut kirchlicher Lehrauffassung besteht die göttliche Offenbarung aus dem Zeugnis der Heiligen Schrift und der apostolischen Überlieferung (Tradition). Bloß menschliche Ansichten und Erfahrungen sind demgegenüber kein Maßstab für die dogmatische Verkündigung.
Deshalb ist die „Lebenswirklichkeit“ von Menschen kein theologischer, sondern ein „soziologischer“ Begriff, wie der Glaubenspräfekt logisch feststellt. Daher werde, so Kardinal Müller, „der Boden katholischer Theologie verlassen“, wo „rein menschliche Überlegungen oder die Macht des Faktischen gleichwertig neben Schrift und Tradition gestellt werden“.
Das Online-Portal der dt. Bischofskonferenz läßt ausführlich kritische Stimmen gegen diese Äußerungen des Glaubenspräfekten zu Wort kommen, darunter den CSU-Politiker und Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück. Dieser befürchte eine zunehmende Polarisierung zwischen dem Lehramt und dem „Glaubenssinn der Gläubigen“.
Abgesehen davon, daß Glück ohne weiteres davon ausgeht, daß die von ihm vertretene Position mit dem „Glaubenssinn der Gläubigen“ identisch sei (was erst zu beweisen wäre!), gab es zwischen dem Lehramt und Teilen des Kirchenvolkes immer schon Unterschiede und Reibereien.
Würde nämlich stets die vollste Harmonie herrschen, wäre das kirchliche Lehramt gar nicht nötig. Es existiert gerade deshalb, um die Gläubigen vor irrtümlichen Anwandlungen und Abrutschen in den jeweiligen Zeitgeist zu bewahren.
Sodann zitiert „Katholisch.de“ den Münchner Dogmatik-Professor Bertram Stubenrauch, der daran erinnere, daß „Offenbarung“ eine dialogische Wirklichkeit sei: „Das Wort Gottes findet Antwort im Nachdenken der Glaubenden, was immer aus einer bestimmten Lebenssituation heraus geschieht.“
Es ist zwar richtig, daß die Selbstmitteilung Gottes nicht ins Leere zielt, sondern selbstverständlich eine positive Antwort von Seiten der Getauften finden sollte, allerdings hängt die göttliche Offenbarung inhaltlich davon nicht ab. Gott benötigt für seine Botschaft keine menschliche Nachhilfe durch das „Nachdenken der Glaubenden“.
Der Theologie verweist zudem darauf, daß „Dogmen nicht als ausgefeilte Glaubenssätze vom Himmel gefallen“ seien. Das hat aber auch niemand behauptet. Prof. Stubenrauch bezeichnet Dogmen als „Produkt kirchlicher Diskussionen, in denen sich immer auch Lebens- und Denkweisen der jeweiligen Zeit spiegelten.“
Die verbindlichen Glaubensaussagen der Kirche sind in ihren Formulierungen mitunter vom jeweiligen Stil der Zeit geprägt, nicht jedoch im Inhalt. Dieser ergibt sich vielmehr explizit oder implizit (ausdrücklich oder einschlußweise) aus dem biblischen und apostolischen Zeugnis, also aus der göttlichen Offenbarung.
Prof. Stubenrauch erwähnt außerdem zur innerkirchlichen Debatte um die Unauflöslichkeit der Ehe, es müsse „erlaubt sein, zu fragen, wie viel an Lehre notwendig ist, um etwa die Ehe als Ideal zu schützen.“
Dabei übersieht der Theologe aber, daß es hierbei nicht etwa nur um ein „Ideal“ geht, sondern um ein heiliges Sakrament und um ein göttliches Gebot (6. Gebot). Die Gebote Gottes und die Heilsordnung des Ewigen dürfen keineswegs zu einem wolkigen Ideal verflüchtigt werden.
Vielmehr verpflichten diese zeitlosen Maßstäbe den Menschen und vor allem die kirchlichen Amtsträger, denn die Kirche ist keine Herrin, sondern eine Dienerin des Glaubens. Die Kirche würde eine anmaßende Willkürherrschaft ausüben, wenn sie sich der Offenbarung Gottes nicht mehr unterordnen, sondern nach eigenem Gusto lehren und handeln würde, wie dies im liberalen Protestantismus längst der Fall ist.
1. Foto: Bistum Regensburg
11 Antworten
Ich gehe mit der Meinung des Artikels insoweit einig, dass der Zeitgeist nicht die katholische bzw. theologische Kirchenlehre beeinflussen oder gar verändern darf. Die katholische Kirche muss die verbindlichen Glaubensätze sorgsam behüten und verteidigen. Besonders wichtig ist, dass die katholische Kirche den gläubigen Menschen den Sachverhalt genau und einfühlend erklärt. Da besteht ein grosser Nachholbedarf bei der katholischen Kirche und hierzu war sie in der Vergangenheit zu nachlässig.
Selbstverständlich musste die katholische Kirche aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnisse (z.B. die Erde ist rund) zeitgerechte Zugeständnisse machen, die aber die Theologie nicht fundamental erschüttern. Etwas schwieriger gestaltet es sich beispielsweise mit der Vereinbarkeit mit der Evolutionstheorie.
@Stephan1
Auch in Sachen „Evolutionstheorie“ können wir ganz beruhigt sein, sie widerspricht an keiner Stelle dem Glauben an einen Schöpfer. „Das Ereignis ‚Gott‘ findet im Labor nicht statt“ (Heisenberg?), weshalb Gott für alle Naturwissenschaften keinerlei Rolle spielen darf (das allein beweist, dass Dawkins die Naturwissenschaften verlassen hat). Ist ein Kausalzusammenhang nicht erkennbar, ist das Ereignis „zufällig“, womit eben nichts, gar nichts, einfach überhaupt nichts zur Ursache ausgesagt wird.
„Wer den Becher der Naturwissenschaften trinkt, wird Atheist, bis ihm am Grunde das Antlitz Gottes entgegenleuchtet!“ (weiß nicht, von wem)
Guten Tag,
das am Schluß erwähnte Zitat stammt meines Wissens von Heisenberg und lautet: „Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch. Doch auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“
Freundlichen Gruß!
Felizitas Küble
Ganz herzlichen Dank für Ihre Korrektur! Leider hab‘ ich jetzt das Problem 😉 zu überlegen, welche Version mir besser gefällt, das Heisenberg’sche Original oder dessen Anpassung an meine verschlungenen Gehirnstränge – wo ich doch so zufrieden war mit meiner eigenen Version 😉
Noch einmal danke!
Jesus braucht uns alle, wie der Regenbogen alle seine Farben.
Keiner von uns ist besser, weder die Denker noch die Praktiker.
Jesus wird sich freuen, wenn wir Menschen an ihn denken und jeder ist eigeladen, sich Gedanken über Gott zu machen und diese kundzutun, denn nur so können wir ihn immer besser kennenlernen.
Auch die Lehrenden in der Kirche sind noch Lernende vor Gott.
Hat dies auf Die Erste Eslarner Zeitung – Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region! rebloggt.
Die Darstellung der Autorin ist in diesem Beitrag der Denkweise und Autorität eines Dietrich von Hildebrand würdig.
Das stimme ich voll zu. Vielen Dank Frau Küble, für Ihre kritische und punktgenaue Auslegung. Die Unterscheidung der Geister ist keine einfache oder leichte Aufgabe. Aber wir haben den Beistand des Heiligen Geistes So bete ich für Sie, Frau Küble und auch für Kardinal Müller. Wie zu jener Zeit hatte Kardinal Ratzinger keine leichte Aufgabe als Präfekt der Glaubenskongregation; so sind wir heute dankbar, dass wir mit Kardinal Müller einer würdige und kompetente Inhaber dieser Position haben. Jede Epoche hat ihre Tücke, aber auch ihre Verteidiger.
LG
Dankbarer Applaus!
Hört sich eher nach einem wiederholtem Einschwören der verbliebenen Getreuen auf die Position des Kardinals Müller an.
Der liberale Protestantismus ist kein Maßstab. Aber eine Kirche von Pharisäern mit aufgesetzter Sündenbrille ist kaum besser.
Deshalb ist der Heilige Geist aktiv und wird die Kirche über kurz oder lang zum Positiven leiten.
Und genau für diese Hinwendung „zum Positiven“ kämpfen die „verbliebenen Getreuen“, auch wenn sie, da eben nicht blind, der „Sündenbrille“ geziehen werden.