Von Tal Gat
In diesem Jahr begehen wir den 100. Geburtstag von Raoul Wallenberg. Dies ist ein guter Anlass, an seine mutigen Taten zu erinnern, um sein Andenken lebendig zu halten. (…)
Raoul Wallenberg, Sohn einer reichen schwedischen Unternehmerfamilie, wurde 1944 als Leiter der schwedischen Gesandtschaft nach Budapest entsandt, um bei der Rettung ungarischer Juden zu helfen.
Per Anger, ein junger schwedischer Diplomat, hatte bereits begonnen, schwedische Pässe für Juden auszustellen, die Verwandte oder Geschäftspartner in Schweden hatten. Anger stellte auch spezielle Dokumente für Juden aus, die sich um eine schwedische Staatsbürgerschaft beworben hatten.
Wallenbergs erste Amtshandlung war der Entwurf sog. Schutzpässe. Diese besaßen zwar international keine formale Gültigkeit, aber durch seine geschäftlichen Erfahrungen mit Deutschland wusste Wallenberg, dass eine aufwendige Gestaltung mit offiziellen Wappen und Stempeln den Nationalsozialisten Respekt einflößen würde.
Wallenberg erreichte ein Abkommen mit den ungarischen Behörden, 4500 solcher Pässe anfertigen zu lassen – und druckte schließlich drei Mal so viele.
Wallenberg eröffnete sog. „Schwedische Häuser“, in denen sich Juden verstecken konnten. 15.000 Juden fanden Zuflucht in den Häusern, die nur durch eine schwedische Flagge geschützt waren – und durch seine Behauptung, dass es sich bei den Häusern um schwedisches Staatsgebiet handele.
Die Diplomaten anderer Länder waren anfangs von Wallenbergs Bemühungen überrascht, doch bald überzeugten sie seine Erfolge bei der Rettung von Juden. Gesandtschaften anderer neutraler Länder folgten seinem Beispiel, stellten Schutzpässe aus und eröffneten Schutzhäuser.
Obwohl das Ende des Zweiten Weltkriegs bereits abzusehen war, ging die Judenvernichtung weiter. Adolf Eichmann, verantwortlich für die „Endlösung der Judenfrage“, befahl Todesmärsche der ungarischen Juden, bei denen zehntausende hungernder Männer, Frauen und Kinder gezwungen wurden, bei eisigen Temperaturen hunderte Kilometer weit zu laufen. Unzählige starben dabei.
In seinem Auto folgte Wallenberg den Todesmärschen und versorgte die Menschen mit Essen, Kleidung, Medizin und seinen Schutzpässen. Durch Drohungen und Bestechung konnte er diejenigen Juden freipressen, die schwedische Pässe besaßen und sie mit zurück nach Budapest nehmen.
Auch die Deportationen in Zügen versuchte Wallenberg aufzuhalten: Unter den Augen bewaffneter Wehrmachtssoldaten kletterte er in Zugwaggons, die nach Auschwitz fahren sollten, verteilte seine Pässe und forderte, dass die Juden mit schwedischen Schutzpässen sofort aus den Zügen aussteigen dürften.
Mitte Januar 1945 plante Eichmann die Ermordung aller Juden im Budapester Ghetto. Wallenberg erfuhr von dem Plan und wurde sofort aktiv. Da er selbst diesen Plan nicht aufhalten konnte, musste er sich an den Mann wenden, der dazu in der Lage war, den deutschen Wehrmachtsoffizier Generalmajor Gerhard Schmidhuber. Über einen Vermittler ließ Wallenberg dem Generalmajor einen Brief zukommen, indem er Schmidhuber drohte, ihn nach Ende des Krieges persönlich für das Massaker verantwortlich zu machen und als Kriegsverbrecher anzuklagen. Diese Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht – und das Massaker wurde in letzter Minute verhindert.
Kurze Zeit später marschierte die Rote Armee in Ungarn ein. 120.000 ungarische Juden waren der „Endlösung“ entkommen. Es ist nicht genau bekannt, wie viele von ihnen durch die Hilfe von Raoul Wallenberg überleben konnten, doch wird ihm nachgesagt, mehrere zehntausend Juden gerettet zu haben.
Nach dem Krieg hätte Wallenberg nach Schweden zurückkehren sollen, um dort als gefeierter Held bis an sein Lebensende glücklich zu leben, geehrt von denen, die er gerettet hatte. Doch leider kam es anders:
Am 17. Januar 1945 wurde Raoul Wallenberg von sowjetischen Soldaten abgeholt und in ihr Budapester Hauptquartier gebracht. Bereits auf dem Weg dorthin sagte er zu einem Kollegen, er werde nun entweder Gast oder Gefangener der Sowjets sein.
Seit diesem Tag ist dieser todesmutige Judenretter verschollen, sein weiteres Schicksal bis heute unbekannt.
Der US-Kongressabgeordnete Tom Lantos, der dank Wallenberg die NS-Diktatur überlebt hat, bewirkte, dass Wallenberg zum Ehrenbürger der USA ernannt wurde. Wallenberg ist außerdem Ehrenbürger von Kanada und Israel.
Der tapfere Held Raoul Wallenberg darf niemals vergessen werden.
Der Autor leitet die Abt. Öffentlichkeitsarbeit an der israelischen Botschaft in Berlin