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Teuflischer Kreislauf und (un)geistlicher Missbrauch durch „Heilung und Befreiung“

Von Felizitas Küble

Es ist schon einige Zeit her, als ich mit einer jungen Frau, die durch Exerzitien im charismatischen „Haus Raphael“ in Hessen (Bad Soden-S.) psychisch und gesundheitlich erheblich geschädigt wurde, ein längeres Gespräch führte.

Die gläubige Katholikin war wegen dieser schlechten Erfahrungen mit einem Fuß aus der charismatischen Szene ausgestiegen – und mit dem anderen Fuß stand sie beharrlich weiter mittendrin. Man könnte auch sagen: sie hinkte auf beiden Beinen.

Obwohl sie nach dem sog. „Ruhen im Geist“ (Rückwärtskippen in Trance), das in schwarmgeistigen Kreisen weit verbreitet ist, seelisch schwer zu leiden hatte und sich gar dämonisch attackiert fühlte, wandte sie sich zwar gegen diesen „Hammersegen“ (wie ich ihn nenne), verteidigte aber ansonsten nach wie vor die charismatischen Seminare, weil dort ja „nicht alles schlecht“ sei.

Nun ist wohl klar, daß es auf dem weiten Erdenrund selten etwas gibt, das 100% negativ wäre – meist handelt es sich um eine Mischung aus gut und schlecht. Allerdings kommt es darauf an, so erklärte ich der Geschädigten, wie die Wurzel beschaffen ist.

Sie erzählte mir dazu ihre Geschichte:

Ihre Mutter besuchte das charismatische Evangelisationszentrum Maihingen im Schwarzwald, das seit Jahrzehnten in den entsprechenden Kreisen sehr bekannt ist. Von dort wurde sie und auch die Tochter – meine Gesprächspartnerin also – weitergeschickt nach Bad Soden-Salmünster zu den dortigen „Heilungs“-Seminaren in Haus Raphael (das freilich kirchlich nicht anerkannt ist).

Soweit – so ungut, denn was dort geschah, kann aus meiner Sicht nur als geistlicher Missbrauch bezeichnet werden.

Nun argumentierte die Betroffene folgendermaßen:

Es sei zwar schlimm, daß in Maihingen auch viele Leute „umkippen“, aber gut sei es doch, daß indische Heiler die „Belasteten“ durch einen Exorzismus wieder befreien.

Ich widersprach: Das sei ein teuflischer Kreislauf, sie habe es doch selbst erlebt: Mit dem vermeintlichen „Ruhen im Geist“, das dort als Glaubenserlebnis gepriesen wird, hätte sie äußerst bedrückende Erfahrungen gemacht, die sie dann mit einem pseudo-exorzistischen „Befreiungsgebet“ wieder loswerden wolle.

Also werde doch unter einem Dach ein buchstäblicher „Teufelskreis“ praktiziert und die Ratsuchenden in eine Achterbahn der Gefühle geworfen: Erst sollen sie in Zimmer 1 gleichsam auf der Wolke schweben (im „Geiste“ ruhen), hinterher – wenn ihnen „das“ nicht bekommt – sollen sie in Zimmer 2 von „Dämonen“ exorziert werden.

Damit werde zuerst ein Problem geschaffen, um es dann vermeintlich zu „lösen“, in Wirklichkeit werden Gläubige gleich mehrfach in irrgeistiger Weise verwirrt und auf spirituelle Abwege gebracht, die mit einer bodenständigen und besonnenen Frömmigkeit nichts mehr zu tun haben.

Hier sei die Wurzel schon hochproblematisch, somit das Weitere auch entsprechend abzulehnen.

Die junge Frau brachte den Einwand: Es kann keineswegs die ganze Wurzel schlecht sein: „Der Teufel würde doch nicht wünschen, daß Dämonen ausgetrieben werden, der ist doch nicht saublöd!“

Ich entgegnete: „Der Kellergeist ist nicht nur keineswegs saublöd, er ist sogar sauschlau!“

Sie: „Das sage ich doch!“

Ich: „Aber durch solche Schein-Erfolge wie eine vermeintliche Dämonenaustreibung verführt er die Gläubigen noch tiefer hinein in diesen Teufelskreis einer angeblichen „Heilung“ durch den Hammersegen – und wenn das nicht klappt, sondern zur Belastung wird, dann schreitet man zur exorzistischen „Befreiung“ – was das Problem aber nicht löst, sondern verschärft.“

Sie meinte, ich könne solche schlechten Erfahrungen, wie sie diese selber erlebt habe, nicht verallgemeinern.

Ich erklärte, das wolle ich auch gar nicht: „Auch ein charismatisches Huhn findet mal ein Korn“ – aber es komme auf den Ansatz, auf die Grundlage an – und die sei grundsätzlich problematisch, selbst wenn es vereinzelt zu Erfahrungen käme, die von den Betreffenden als positiv empfunden werden.

Immerhin könne Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben, was aber nichts an der Krummheit der Zeilen ändere, sondern auf Gottes Barmherzigkeit und Langmut zurückzuführen sei.

Sie erinnerte an das bekannte Bibelwort: „Der Geist weht, wo er will.“

Ich: „Ja, der Geist weht, wo ER will – denn Gottes Geist ist für uns nicht verfügbar, kann nicht eigenmächtig herbeizitiert und von uns vereinnahmt werden, ER ist eine göttliche Person und keine emotionale Energie oder Kraft.“

Zudem erinnere ich sie daran, daß Christus selbst verkündet hat, keineswegs alle Teufelsaustreiber würden sich gleichsam automatisch im Stande seiner Gnade befinden, nur weil sie mit gerade dieser Aufgabe zugange sind.

Bei seiner Warnung geht es wohlgemerkt um christliche Exorzisten, wie sich aus dem Zusammenhang und Wortlaut („…in deinem Namen…!) eindeutig ergibt:

Mt 7,21 ff:

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Nicht jeder, der HERR, HERR zu mir sagt, wird in das Himmelreich gelangen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.
Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: HERR, HERR, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten, haben wir nicht in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunder vollbracht?
Dann werde ich ihnen antworten: Ich habe euch nie gekannt. Hinweg von mir, ihr Übeltäter!

Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt

Kommentare

10 Antworten

  1. Leider zitierte auch Martin Luther die Bibel mehrfach falsch und übersetzte unrichtig. Denn tatsächlich neigte er, wegen der ganzen schwarmgeistigen und charismatischen Fehlentwicklungen, zu einem reinen Juden-Christentum mit seiner Gesetzes-Theologie. Es gab und gibt aber eben auch das philosophische Heiden-Christentum, mit seiner Logos-Theologie. Dieses wurde von Luther leider viel zu sehr gänzlich abgelehnt – in dieser Hinsicht ging er zu weit.

    DIE ORTHODOXIE BRINGT DAS CHRISTENTUM WIEDER NACH EUROPA

    http://katehon.com/de/article/die-orthodoxie-bringt-das-christentum-wieder-nach-europa

    1. Es gibt aber natürlich auch ehrlich gläubige Lutheraner, wie etwa Horst Koch der mit seiner Website wichtige und richtige Kritiken an Schwarmgeisterei und schwarmgeistigen und charismatischen Fehlentwicklungen und dem Charismatismus übt. Siehe auch die „Zeugen der Wahrheit“ (ZDW) Website und den Catwalk-Weblog und Gloria.TV und das Kreuzgang-Forum.

  2. Leider zitierte auch Martin Luther die Bibel mehrfach falsch und übersetzte unrichtig. Denn tatsächlich neigte er, wegen der ganzen schwarmgeistigen und charismatischen Fehlentwicklungen, zu einem reinen Juden-Christentum mit seiner Gesetzes-Theologie. Es gab und gibt aber eben auch das philosophische Heiden-Christentum, mit seiner Logos-Theologie. Dieses wurde von Luther leider viel zu sehr gänzlich abgelehnt – in dieser Hinsicht ging er zu weit.

    1. Übrigens studierte auch Zwingli zwar Philosophie – aber nur ein einziges Semester Theologie – und dies machte sich dann eben doch bemerkbar. Und selbst Luther widersprach noch heftigst Calvin und Zwingli in der Abendmahlsfrage. Siehe auch die Pietisten etwa nach Katharina von Klettenberg und die dort gelesenen Schriften und die Quäker mit ihren Meditationen und ihrem inneren Geistlicht, welcher sich dann auch ganz im Gegensatz zu den Zins-Wucher treibenden Calvinisten und Puritanern (die größten Sklavenhändler nach den Moslems und den jüdischen Kaufleuten, siehe auch die „Welt-Geschichte der Sklaverei“ des Historiker Egon Flaig dazu) als Abolitionisten bzw. Sklavenbefreier hervortaten.

      Ostkircheninstitut

      https://ostkircheninstitut-dioezese-regensburg.de/

  3. Sehr gut.
    Sie haben der Frau deutlich klar gemacht und ich hoffe, sie ist nun befreit von der Charismatik
    Besonders das Beispiel mit den Zimmer 1 und 2 ist sehr einleuchtend.
    So ist es bei diesen Charismatikern. Zuckerbrot und Peitsche. Und immer wird ganz schnell der Teufel ins Gespräch gebracht.

    Ein Beispiel:
    In unsere Anbetungsgruppe, wo auch Charismatiker sind, gab es ein Problem mit der Organisation der Anbetung.

    Eine charismatische Person sprach 8 Min auf Whatts App eine Nachricht. Und nach langem reden kam die Behauptung, der Teufel wäre in so vielen Gruppen und wolle zerstören. Und wir sollten darüber nachdenken, ob dies auch bei uns der Fall wäre.

    Ich habe ihr gesagt, dass es nichts mit dem Teufel zu hat, sondern schlicht mit der Organisation der Anbetung und dass allen hier Streit darum fernliege.

    Man kann schon fast sagen daran, erkennt man die Charismatik, wie hier bei Fr. Kübles Gespräch auch. Anschaulich mit Zimmer 1 und 2.

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