Von Kardinal Gerhard Müller
Natürlich muss man das Kirchenrecht berücksichtigen, aber als Professor der Dogmatik argumentiere ich in theologischen Fragen von der katholischen Glaubens-lehre her über den Primat des Papstes.
Dazu muss man besonders das I. Vatikanum (Dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“) und seine authentische Interpretation durch das II. Vatikanum (Lumen gentium 18;23) heranziehen.
Es kann in der Theologie nicht die formaljuristische Argumentation über das Denken aus dem Glauben gestellt werden, so als ob die postiven kirchenrechtlichen Bestimmungen kirchlichen (nicht göttlichen) Rechtes über der sakramentalen Verfassung der Kirche stünden.
Diese (in sich varibalen) Regelungen dienen nur der Praktikabilität und der Präzision eines konkreten Entscheidungsprozesses.
Zum Verhältnis von Dogmatik und dem positiven kirchlichen Recht (nicht dem göttlichen Recht) nur ein Beispiel:
Dass ein Priester die Beichtvollmacht nur mit der Erlaubnis des Ordinarius ausüben darf, heißt nicht, dass er die Vollmacht zur Sündenvergebung nicht durch Christus selbst erhalten hat vermittels des Weihesakramentes, d.h. dass also Christus die Wirksamkeit der Sakramente (ex opere operato) von der Zustimmung des Bischofs abhängig machen würde.
Der Papst ist von Christus ins Amt eingesetzt
Der Bischof von Rom als Nachfolger Petri ist unmittelbar von Christus in sein Amt eingesetzt und ihm verantwortlich, wenn er auch nach kirchenrechtlichen Bestimmungen vom Kollegium der Kardinäle gewählt wird. (Die Apostel hatten auch für den Ersatz des Judas durch Matthias gesorgt, aber dabei gesagt, dass Gott ihnen zeige, wer von den Kandidaten es sein solle).
Wenn in einem Extremfall der Papst auf sein Amt verzichtet (wobei er sein Bischofssein nicht ablegen kann), dann tut er es ausschließlich zum Wohl der Kirche und nicht aus Amtsmüdigkeit oder weil ihm nach „menschlichen Maßstäben“ (2 Kor 5,16) ein unbeschwerter Lebensabend mit Pensionsanspruch zusteht.
Nachdem Christus den Fischer Simon, den er Petrus nannte, zum universalen Hirten der Kirche eingesetzt hat, sagte er zu ihm und implizit zu seinen Nachfolgern im Petrus-Dienst:
„Wenn du alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu Petrus: Folge mir nach.“ (Joh 21, 18f).
Und weil Petrus in Rom als Märtyrer Christi mit seinem Tod Gott verherrlicht hat, ist auch sein Dienst als universaler Hirte der Kirche (Primat) auf die römische Kirche und ihren jeweiligen Bischof übergegangen (vgl. Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien III, 3, 2).
In den Dienst genommen bis in in den Tod
Jeder Papst, Bischof und Priester ist von Christus ganz in den Dienst genommen bis zum Tod (in der Arena als Märtyrer oder im Bett als Bekenner) und keiner kann ihm gegenüber die Ansprüche einer Privatperson noch geltend machen, weil er in der sakramentalen Weihe ganz Christus übereignet wurde.
Deshalb kann ein Amtsverzicht (in einem Extremfall und niemals als Normalfall der altersbedingten Ruhestandes) geistlich und moralisch nur mit dem höheren Wohl der Kirche und dem Heil der Seelen begründet werden.
Über den Regelungen des positiven Kirchenrecht steht seine unmittelbare persönliche Verantwortung für die Kirche, die der Nachfolger Petri als immerwährendes und sichtbares Prinzip der Einheit im Glauben und der Gemeinschaft“ (Lumen gentium 18) im Namen Christi leitet und dem er unmmittelbar verantwortlich ist, wenn wir „vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden“ (2 Kor 5,10).
Bischofsrückritt mit 75: theologisch problematisch
Übrigens steht die kirchenrechtliche Bestimmung des Rücktrittes der Bischöfe mit 75 Jahren im Widerspruch zum dogmatischen Sinn des Bischofsamtes (Lumen gentium 21: In den Bischöfen ist Jesus Christus, der Hohepriester anwesend) und war nur ein Zugeständnis an den säkularisierten Zeitgeist des Funktionalismus.
Die „Vorsteher“ der Kirche (Bischöfe und Priester) haben von Christus, dem erhabenen Hirten seiner Schafe“ (Hebr 13,20; vgl. 1 Petr 2, 25) selbst den Auftrag in seinem Namen erhalten, über die Gläubigen als deren Hirten (1 Petr 5,1-4) “ zu wachen… und sie müssen Rechenschaft darüber ablegen.“ (Hebr 13,17).
Hier gilt nicht mehr die penible Befolgung des rechtlichen Regolamento um seiner selbst willen, sondern die geistliche Realität, wenn wir hoffen, dass Christus, unser Richter und Retter sagt:
„Du guter und getreuer Knecht… Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn.“ (Mt 25,21)
Wir danken Kardinal Müller für die freundliche Abdruckserlaubnis seiner fundierten Stellungnahme
Titelbild: Bistum Regensburg
7 Antworten
Kein Christ sollte jemals spirituell „aufhören“.
Und wir werden alle offenbar werden…
Von Kirchenrecht und Kirchenbürokratie verstehe ich nichts…manches, auch was ich von Kardinal Müller versucht habe, zu lesen, verstehe ich gar nicht…beim besten Willen, vielleicht bin ich zu dumm…
Aber.
Ob Papst Franziskus zurücktritt oder nicht…die Frage wird sich sehr wahrscheinlich gar nicht stellen…
Deshalb: ich bete für ein würdiges Sterben im Frieden.
Eine erstaunliche Dar- und Klarstellung.
Danke
Meine Gedanken dazu
Papst Benedikt sah sich vor seinem Rücktritt einem baldigen Tod nahe, sah aber auch die großen Gefahren lauern, die danach eintreten konnten. Als nicht Regierender Papst war er aber ein Aufhalter, der durch seine noch Gegenwart den Wust an revolutionären Bestrebungen doch deutlich behindern konnte.
Wie weit wäre die Amazonas-Synode ohne ihn entartet?
Papst Benedikt XVI sah sich vor allem den „Wölfen“ ausgeliefert, die ihn umbringen wollten. – Eine Begebenheit bei der hl. Messe, als Papst Benedikt eine Stimme hört: „Stoße den Kelch um!“ und diesem dann auch folgt. In dem Kelch befand sich Gift, er wäre daran gestorben. Darauf hat unser guter Papst Benedetto gemäß der Einstellung des hl. Franziskus, dem es nicht recht war, dass Missionare den Märtyrertod sterben, weil dadurch ja jemand zum Mörder wird, mit dem Rücktritt reagiert.
Wenn bei ihm lebenserhaltende Schritte am Ende nicht ergriffen wurden, z.B. die Krankenhauseinweisung und Weiterbehandlung, ist er letzten Endes doch „gegangen worden“, d.h. seine Lebenszeit ist verkürzt.
Papst Benedikt war 95 Jahre alt.
Was sollte es da an der Lebenszeit noch zu verkürzen geben?
Kann es möglich sein, dass er vielleicht überhaupt keine lebenserhaltenden Schritte gewünscht hat?
Aus meiner beruflichen Erfahrung her weiß ich, dass es für Menschen in einem so hohen Alter oft eine Qual ist, wenn versucht wird, den Tod mit allen möglichen Mitteln zu verzögern.
Dann nicht doch besser ein Sterben in Ruhe und Frieden, umgeben von Menschen, die einem wichtig sind?
Mit anderen Worten: Ein Priester hört spirituell nie auf,