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Vor 100 Jahren geschah der türkische Völkermord an den Armeniern

Von Peter Helmes

Dem (noch jungen) Jahr 2015 blicken Armenier, aber auch Türken  –  mit Sorge und Angst hie und mit einer Art Trotz oder Hochmut da  –  entgegen. Der 24. April ist der Tag der Trauer für Armenier. BILD0191

Die ganze Welt ist sich einig, daß Türken an diesem Tag (und vielen folgenden) vor einhundert Jahren einen grausamen Genozid an den Armeniern begonnen haben. Grausamkeiten, Mord, Folter oder Vertreibung mit Hungertod  –  das waren die Werkzeuge der Täter, die sie gegenüber den verhaßten, meist christlichen Armeniern anwandten.

Damals sollen bis zu 1,5 Millionen Armenier ums Leben gekommen sein. (Die Schätzungen seriöser Historiker schwanken zwischen 300.000 bis 1,5 Millionen Opfer.)

Türkei bleibt bei Leugnung des Genozids

Seit diesem Tag leugnet die offizielle Türkei den Genozid, genauso wie viele türkische Auslandsvertreter. Die türkische Gemeinschaft in Deutschland spricht von „höchst tragischen Ereignissen, denen hunderttausende Armenier, aber auch Türken und Kurden zum Opfer gefallen sind“.

Erst allmählich verstärkt sich in diesem muslimischen Land der Druck von innen und außen, der Wahrheit ein wenig näher zu rücken. Doch von einer „Anerkennung“ der Tatsache des Genozids ist die Türkei noch weit entfernt. Go home 2 min Kopie

Daß es schon heuer, dem „Jubiläumsjahr“, zu einer Anerkennung kommen könnte, muß leider nach Lage der Dinge bezweifelt werden.

Die türkische Öffentlichkeit sei noch nicht so weit; eine derartige Entscheidung würde man als Niederlage gegen Armenien empfinden, was mit dem türkischen Nationalstolz nicht vereinbar sei.

BILD: Kundgebung türkischstämmiger Aleviten gegen den türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin (Foto: Michael Leh)

Das ist die Meinung vieler Beobachter, die aber darauf verweisen, daß die Türkei bei einem solchen Schritt (der Anerkennung des Genozids) viel unbelasteter in ihrer Außenpolitik würde. Vor allem die Belastungen der Beziehungen zur USA, aber auch zu Deutschland würden wohl geringer werden.

Doch Erdogan & Genossen lassen außer ein paar unverbindlichen Worten (vorerst) alles beim Alten: Im Jahr 1915 fand in Armenien kein Völkermord statt, basta.

Doch viele Armenier bzw. deren Nachkommen hat es durch den Genozid in alle Welt vertrieben. Jeder einzelne von ihnen ist der wahrhafte Beweis für das türkische Verbrechen. Nachrichten_Kopfbalken_1 - Kopie

Die Schweiz und die Slowakei haben entsprechende Gesetze. Frankreich hatte ebenfalls die Leugnung des Genozids unter Strafe gestellt; das Gesetz wurde aber 2012 vom Senat kassiert.

Es wäre nun an der Zeit, daß Deutschland zumindest Klartext spricht. 100 Jahre Zeit darüber nachzudenken, dürfte doch wohl ausreichend sein. Bis zum 100. Jahrestag haben Bundesregierung und Bundestag noch Gelegenheit, sich zu äußern. Die Armenier selbst jedenfalls geben ihren Kampf um die Anwendung des geltenden Völkerrechts nicht auf.

Armeniens Kampf ums Völkerrecht

Harut Sassounian, Herausgeber des „Californian Couriers“ (TheCalifornianCourier.com) berichtet über eine Klage des Armeniers Zuart Sudjian gegen die Türkei; um Grundbesitz ihrer Familie zurückzuerhalten: den Flughafen Diyarbakir (Übersetzung von Dr. Manfred Ludwigs):

„Die Armenier sind gegenwärtig dabei, weltweit Tausende von Veranstaltungen zu organisieren, um des Genozids an den Armeniern zu gedenken, der sich zum hundertsten Mal jährt.

Die Veranstaltungen zielen darauf, die Welt an die massenweisen Grausamkeiten zu erinnern, die die osmanische Türkei in den Jahren 1915 bis 1923 beging. Die Erwartung dabei ist, dass die Internationale Gemeinschaft die türkische Regierung zwingen werde, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und die Nachkommen der Genozid-Opfer wieder in ihre Rechte einzusetzen.  Moschee-Bonn-4

Es gibt jedoch einen schnelleren und effizienteren Weg  –  die Klage vor Gericht  –  um dieses ehrenhafte Ziel zu erreichen. In den letzten Jahren haben mehrere armenisch-amerikanische Rechtsanwälte mit einigem Erfolg vor den US-Bundesgerichten Sammelklagen gegen Versicherungsunternehmen eingereicht. Andere Gerichtsverfahren sind noch anhängig.

BILD: Große Moschee in Bonn (Foto: Dr. Bernd F. Pelz)

Am Vorabend des hundertsten Jahrestages erwägen sowohl die armenische Regierung als auch einige armenische Diaspora-Gruppen die Möglichkeit, gegen die Türkei bei internationalen Gerichten Klagen einzureichen. (…)

Im letzten September gab Seine Heiligkeit Catholicos Aram I. vom Great House of Cilicia bekannt, dass er plane, in der Türkei eine Klage einzureichen, und auf diesem Wege kirchliche Immobilien zurückzufordern, die das Catolicosat in Sis, Cilicia, vor dem Genozid besessen hatte. Sollte der türkische Gerichtshof diese Klage abweisen, werde das Catholicosat von Cilicia beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Rechtsmittel einlegen.

Kürzlich berichtete die türkische Presse, dass die Amerikanerin armenischer Herkunft, Zuart Sudjian, eine Klage eingereicht habe, in der sie Land zurückforderte, das der Familie ihrer Mutter – den Basmajians – gehört habe, Land, auf dem der Flughafen Diyarbakir liegt.

Ich sprach mit der 94 Jahre alten Frau Sudjian in New York (nicht in Kalifornien, wie es die türkische Presse berichtet hatte). Sie sagte mir, dass ihre Familie, nachdem sie gezwungen worden war, Diyarbakir nach dem armenischen Genozid zu verlassen, zuerst in den Libanon ging, dann nach Kuba (nicht nach Korea), und dass sie sich schließlich in den Vereinigten Staaten niederließ.

Immobilien-Tricks von türkischer Seite

Das Immobilienvermögen der Sudjian-Familie wurde im Jahr 1967 von der türkischen Regierung enteignet, nachdem diese in der Lokalpresse eine Bekanntmachung veröffentlicht hatte und behauptete, dass die Immobilieneigentümer nicht gefunden werden konnten.

Vor einigen Jahren reichte Sudjians Anwalt Ali Elbeyoglou, als Vertreter von Frau Sudjian, in der Türkei eine Klage ein, mit der er die die Rückgabe ihres Eigentums zu erreichen suchte. Das Gericht lehnte ihren Antrag im April 2013 mit der Behauptung ab, dass die zehnjährige Verjährungsfrist abgelaufen sei. RTEmagicC_IGFM_Plakat_Art_18_Religionsfreiheit_02_jpg

Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und verlangte eine erneute Verhandlung des Falles. Dabei bekräftigte es, dass Frau Sudjian nichts von der amtlichen Bekanntmachung gewusst haben könne, die vor der Beschlagnahmung des Grundvermögens in einer Lokalzeitung in Diyarbakir veröffentlicht worden war.

Das Gericht erklärte, dass die Bekanntmachung (im Text: „die Anzeige“; M.L.) mindestens in einer türkischen Zeitung mit landesweiter Verbreitung hätte veröffentlicht werden müssen.

Rechtsanwalt Elbeyoglu erklärte, dass die Beschlagnahme des Grundvermögens der Frau Sudjian den Schutz des Rechts auf Privateigentum, wie er in der Europäischen Menschenrechtskonvention definiert sei, verletze.

Klagen vor EU-Instanzen könnten erfolgreich sein

Selbst wenn Frau Sudjian in ihrem Gerichtsverfahren Recht bekäme, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass die türkische Regierung das höchst wertvolle Grundeigentum mit einem Wert von einigen zehn Millionen Dollar zurückgeben würde – Land, auf dem der Militärflughafen und der Zivilflughafen von Diyarbakir liegen. paragraph_300x3001

Dies war auch der Grund, weshalb Frau Sudjians Anwalt der Zeitung Milliyet mitteilte, dass Frau Sudjian lediglich nach einer Kompensation für den Wert des Familieneigentums strebe (und nicht nach der Rückgabe der Liegenschaften; M.L.).

Rechtsanwalt Elbeyoglu erklärte gegenüber der Zeitung Millyet außerdem, sollte Frau Sudjian ihren Fall gewinnen, würde dies das Tor für viele weitere solcher Fälle öffnen würde. Bezeichnenderweise versah die türkische Zeitung ihren Artikel mit dem Untertitel „Hoffnung für die Diaspora.”

Die türkischen Medien unterließen es, darauf hinzuweisen, dass, sollte das Berufungsgericht gegen Frau Sudjians Antrag entscheiden, sie ihren Fall vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof bringen kann.

Ein positives Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes würde den Klagen der Armenier weltweit die Schleusen öffnen, den Klagen jener Armenier, deren Vorfahren Grundvermögen besaßen, das während des armenischen Genozids von der türkischen Regierung beschlagnahmt wurde.

Wertvolle Grundvermögen konfisziert

Es gibt zahllose andere Fälle wertvollen Grundvermögens, das man den Armeniern weggenommen hat, einschließlich:

  • des Präsidentenpalasts in Ankara, in dem noch kürzlich Erdogan und die vorherigen türkischen Präsidenten ihren Amtssitz hatten; er befindet sich auf dem Grund, welcher der Familie Kassabian gehört,
  • des Istanbuler Atatürk-Flughafen; er ist zum Teil auf dem Grund errichtet, welcher der Familie Kevork Sarian aus Van gehört,
  • des US-Militärflughafens in Injirlik; er befindet sich auf dem Grund, der mehreren armenischen Familien gehört, die beim US-Bundesgericht eine Klage gegen die türkische Regierung eingereicht haben.

Diese Immobilien und tausende andere sollten an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden, als eine wenigstens teilweise wiedergutmachende (restitutive) Gerechtigkeit, welche die Türkei dem armenischen Volk schuldet.

Unser Autor Peter Helmes ist politischer Publizist und ehem. Bundesgeschäftsführer der Jungen Union; er betreibt die liberal-konservative Webseite www.conservo.wordpress.com

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