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Vor dem Besuch der Kanzlerin in China wurden 17 Bürgerrechtler verhaftet

Von Michael Leh

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erneut mit einer großen Wirtschaftsdelegation die kommunistische Volksrepublik China besucht. Die Wirtschaftsbeziehungen florieren und die Regierungskontakte sind eng. In Menschenrechtsfragen sind jedoch eher Rückschritte zu verzeichnen. Merics Pressegespräch -Foto Leh  IMG_0851

Deutschland ist mit Abstand Chinas größter Handelspartner in Europa. Im Jahr 2013 betrugen die deutschen Einfuhren aus dem Reich der Mitte 73,3 Milliarden Euro; die deutschen Exporte nach China 67 Milliarden Euro.

BILD: Bei einem Pressegespräch des China-Forschungsinstituts „Merics“ in Berlin: Direktor Prof. Sebastian Heilmann (Bildmitte) ist Mitglied im „deutsch-chinesischen Dialogforum“.    – Links: Kristin Shi-Kupfer, Leiterin des Forschungsbereichs „Gesellschaft und Medien“ bei Merics.  –  Rechts: Kommunikationschefin Kerstin Lohse-Friedrich, früher Leiterin des ARD-Studios in Shanghai. 

Bereits über 5000 deutsche Unternehmen sind in dem Land aktiv. In Deutschland sind inzwischen über 900 chinesische Unternehmen tätig.

Merkel besuchte bei ihrer siebten China-Reise erstmals auch Chengdu, die Hauptstadt der Westprovinz Sichuan. Chengdu hat 14 Millionen Einwohner, Sichuan 82 Millionen.

VW ist die führende Autofirma in China

Die Kanzlerin besichtigte in Chengdu u.a. das erste VW-Werk im Westen Chinas. Volkswagen produziert in China an 17 Standorten Fahrzeuge. Weitere Werke in Qingdao und Tianjin sind geplant. VW ist heute der führende Automobilhersteller in China.

Wie der Konzern mitteilt, lieferte er mit den Joint-Ventures FAW-Volkswagen und Shanghai-Volkswagen allein in den Monaten Januar bis Mai 2014 rund 1,5 Millionen Fahrzeuge aus, was einem Zuwachs von 17,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. BMW verzeichnet ähnliche Steigerungsraten in China.

Dichte Regierungskontakte mit Peking

Berlin kommt in Europa geradezu ein Alleinstellungsmerkmal zu, was die Dichte der Regierungskontakte mit Peking betrifft. Erst im März war Staatspräsident Xi Jinping in Deutschland. Seit 2011 finden gegenseitige Regierungskonsultationen statt. 2012 nahmen daran in Peking neben der Bundeskanzlerin und dem damaligen Ministerpräsidenten Wen Jiabao von beiden Seiten über zehn Minister teil.

Es gibt über 60 „Dialogmechanismen“, viele auf Regierungsebene, zwischen Fachministern und Behörden. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) berät die chinesische Seite in einem eigenen „Programm Rechtswesen“.

So veranstaltete die GIZ zum Beispiel letztes Jahr in Peking ein Seminar über das deutsche Umweltrecht mit Themen wie „Das Umweltverfassungsrecht“, „Genehmigungsanforderungen an Anlagen sowie das Genehmigungsverfahren“ oder „Die Ahndung des rechtswidrigen Schadstoffausstoßes“. China ist ebenso an deutscher Umwelttechnologie interessiert wie die Hersteller an dem Absatzmarkt.

„Menschenrechtsdialog“ ohne erfolgreiche Ergebnisse

Anfang September findet in Leipzig das nächste Symposium des beiderseitigen „Rechtsstaatsdialogs“ statt. Auf dessen Tagesordnung standen bisher u.a. Themen wie „Regelungssysteme zur Vermeidung und Beilegung von Verwaltungsstreitigkeiten“ (2013), „Bürgerrechte und staatliche Gesetzgebung im digitalen Zeitalter“ (2012) oder „Das Strafverfahrensrecht im Rechtsstaat“ (2011). Je nach Sachgebiet mögen solche Veranstaltungen ein wenig positive Impulse für ein verbessertes Rechtssystem in China geben.

So gut wie keine fassbaren Ergebnisse lieferte jedoch jemals der ebenfalls institutionalisierte „Menschenrechtsdialog“. Das hatte letztes Jahr auch der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, eingestanden.

Gerade seit Xi Jinpings Amtsantritt als Staats- und Parteichef gehen Chinas Behörden mit neuer Härte gegen Kritiker vor. Erst kurz vor der China-Visite Merkels hatten die chinesischen Behörden 17 Aktivisten wegen ihres Gedenkens an die blutige Niederschlagung der Protestbewegung am Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 verhaftet.

300.000 Reporter in Marxismus zwangsgeschult

Laut „Reporter ohne Grenzen“ sitzen derzeit 30 Journalisten und 70 Blogger in China hinter Gittern. Die mehr als 300.000 chinesischen Redakteure und Reporter seien seit vergangenem Jahr zum Besuch von Schulungen in marxistischer Ideologie verpflichtet.

Facebook, YouTube und Twitter sind seit 2009 blockiert. Schon seit letztem Jahr würden die Behörden auch die Nutzung des chinesischen Twitter-Klons Weibo erschweren. Seither könnten Nutzer mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, wenn sie bei Weibo „Gerüchte“ verbreiteten und diese mindestens 500 Mal weitergeleitet werden.

In Chengdu tagte während der Merkel-Visite auch das „deutsch-chinesische Dialogforum“, das ein „zivilgesellschaftliches Beratergremium“ für die Regierungen beider Länder sein soll. Es hat je 15 deutsche und chinesische Mitglieder.

Kritik der „Gesellschaft für bedrohte Völker“

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) übte Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums:

„Die chinesischen Delegierten“, erklärte der Asien-Experte der GfbV, Ulrich Delius, „vertreten nicht glaubwürdig die sehr lebendige Zivilgesellschaft, sondern sind amtierende oder ehemalige Parteikader oder Wirtschaftsführer“. Und weiter: „Es ist ein Hohn, dass der frühere Bürgermeister Schanghais, Xu Kuangdi, der Co-Vorsitzende dieses Gremiums ist. Unter ihm wurden mehrere tausend Bittsteller und Verlierer des Immobilienbooms inhaftiert und in Geheimgefängnisse gebracht sowie hunderte Falun Gong-Anhänger in Arbeitslager eingesperrt.“

Als Vertreter der „chinesischen Zivilgesellschaft“ sitzen in dem „Dialogforum“ u.a. der frühere Botschafter Chinas in Berlin, Ma Canrong, oder der Direktor der Soziologischen Abteilung der Parteischule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, Xie Zhigiang.

Doch fällt es auch schwer, alle „Dialogpartner“ auf deutscher Seite als Vertreter einer Zivilgesellschaft einzustufen. Vielleicht passt der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikhofer deshalb gut in das Gremium, weil er als Student Mitglied im maoistisch orientierten Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) war.

Unser Autor Michael Leh (von ihm stammt auch das Foto) ist politischer Journalist und lebt in Berlin

Erstveröffentlichung des Beitrags in der Preußischen Allgemeinen Zeitung (PAZ) am 19. Juli 2014

 

 

 

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