Von Lucia Tentrop
Wie ändert man möglichst unauffällig ein gesellschaftliches System? – Indem man über die Umdeutung bedeutsamer sprachlicher Begriffe das kollektive Bewusstsein ändert.
Es ist unglaublich, wie unreflektiert wir den auf natürlichen Grundlagen beruhenden, Jahrtausende alten Begriff „Ehe“ mit neuen Inhalten zu füllen bereit sind, weil es politisch angesagt ist und Anpassung die sachliche Diskussionen ersetzt.
Wie brav haben wir unter unserem kulturell gewachsenen Begriff „Bildung“ die Entwicklung unserer positiven geistig-seelischen Kräfte bis in die Kitas hinein durch Computer- und Medienkenntnisse ersetzt!
Das neue System ist clever: Mit der Hülle des alten Begriffs wahrt es dessen numinose Bedeutung, von der sich ja materielle Ansprüche ableiten lassen, aber wenn man die Verpackung öffnet, ist etwas Anderes darin.
Wie lange wird angesichts unserer unterwerfungslustigen Gesellschaft mein mit religiöser Beteuerung geleisteter Eid auf unser Grundgesetz noch gültig sein?
Unsere Autorin Lucia Tentrop ist Theologin, Musikerin, Malerin und Pädagogin; sie lebt in Berlin; hier ihre Homepage: www.lucia-tentrop.de
2 Antworten
George Orwell hat das treffend in „1984“ geschildert. Damals als Jugendlicher mochte ich das nicht glauben und hielt es für völlig unrealistisch. Nun hat die Realität die Phantasie eingeholt!
Ich nenne das, was Lucia Tentrup richtig beschreibt, Änderung des Grundgesetzes auf kaltem Wege, nämlich im Wege des semantischen Betrugs.
Genauer gesagt: Mit diesem semantischen Betrug ändert man zunächst den ordre public, also den Inbegriff der grundlegenden Rechtsanschauungen eines Volks, der dem Verständnis sowohl des Verfassungsrechts wie auch des internationalen Privat-, Straf-, Prozeß- und Verwaltungsrechts. Dann braucht der Text einer Verfassung nicht mehr geändert werden, man versteht sie nur einfach anders.