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Warum eine charismatische Spiritualität den geistlichen Mißbrauch begünstigt

Von Felizitas Küble

Ein Thema, das jahrzehntelang auf katholischer Seite „verschlafen“ wurde, drängt allmählich in die innerkirchliche und gesamtgesellschaftliche Diskussion: Das Problem des geistlichen Mißbrauchs.

Das evangelikale Spektrum hat diese Gefährdung früher erkannt und in Büchern und sonstigen Veröffentlichungen kritisch analysiert, was schlicht auch damit zu tun hat, daß die pentekostale – also pfingstlerische  –  Bewegung dort schon viel länger existiert, nämlich seit Beginn des 20. Jahrhunderts, wogegen die Charismatik in der katholischen Kirche erst ab 1967 in den USA begann und sich bei uns eher schrittweise stärker ausbreitete.

Zunächst war diese Strömung in Deutschland noch vergleichsweise intellektuell ausgerichtet und in eher bildungsbürgerlichen Kreisen präsent, wodurch gewisse emotionale Ausuferungen in Grenzen gehalten wurden, was wohl auch mit der Leitung der halbamtlichen CE (Charismatischen Erneuerung) durch den Paderborner Priester und Theologen Dr. Heribert Mühlen zusammenhing.

Der am 25. Mai 2006 verstorbene Dogmatikprofessor gehörte zu den Konzilstheologen, war exegetisch und liturgisch eher liberal ausgerichtet (wenngleich er beileibe kein progressiver Rebell war). Infolgedessen hielt er als Intellektueller die CE mit Glaubenskursen und Segnungsandachten auf einem halbwegs gemäßigten Kurs. Gleichzeitig konnte er das konservative „Lager“ in der katholischen Kirche kaum für seine Bewegung gewinnen, zumal die Marienverehrung damals in der CE nur eine geringe Rolle spielte und auch sonstige typisch traditionelle Elemente fehlten.

Prof. Mühlen war Mitbegründer des „Katholischen Evangelisationszentrums Maihingen“, dessen pentekostale Ausrichtung in den 90er immer deutlicher wurde.

Von Teilnehmern dortiger „Segnungsgottesdienste“ erfuhr ich, dass sie damals bereits mit Befremden das sog. „Ruhen im Geist“ beobachten konnten, ein in dieser Szene weitverbreitetes Phänomen, das in der englischsprachigen Welt passender als „Slain in the Spirit“ (Erschlagenwerden im Geist) bezeichnet wird.

Die Betreffenden fallen gleichsam wie in Trance nach rückwärts oder sinken quasi ohnmächtig in sich zusammen, was von schwarmgeistiger Seite als „Taufe im Heiligen Geist“ (protestantisch-pfingstlerisch) oder zumindest als „Geistausgießung“ oder „Geisterfahrung“ (katholisch-charismatisch) angesehen wird. Diese Manifestation hat sich durch die „wilde“ Charismatik, die in den letzten beiden Jahrzehnten um sich greifen konnte, noch mehr gesteigert.

Unter der halbwegs gemäßigten Mühlen-Phase der CE bis Anfang der 90er Jahre war dieser „Hammersegen“ (wie ich ihn kritisch nenne) hierzulande noch kein Massenvorgang. Dort konzentrierte man sich eher auf das Zungenreden als Zeichen angeblicher „Geisterfüllung“.

Die seitdem erkennbare Ausbreitung des schwärmerischen Milieus weit über die kirchlich anerkannte CE hinaus ist vor allem auf zwei Ursachen zurückzuführen, nämlich auf Medjugorje und das  – damit durchaus verbundene  – Auftreten zahlreicher indischer „Heilungspriester“ sowie charismatischer Ordensfrauen, die meist aus dem südindischen, christlich geprägten Bezirk Kerala stammen, der schon seit Jahrzehnten durch protestantisch-pfingstlerische Einflüsse aus den Vereinigten Staaten geprägt ist, die dort allmählich auch in die katholische Kirche einsickerten, vor allem in neuere Ordensgemeinschaften und Kongregationen.

Viele dieser „Heilungsprediger“ oder Nonnen arbeiten eng mit Medjugorje-Gruppen zusammen, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu und unterstützt sich jeweils mit Referenten und Tagungen.

Dabei war das kirchlich als Erscheinungsstätte nicht anerkannte, sondern lediglich pastoral geduldete Medjugorje von vornherein charismatisch geprägt – also bereits ab Sommer 1981 in der Frühphase der „Erscheinungen“, nicht zuletzt durch die dort ansässigen Franziskanerpatres, was sich für die meisten Wallfahrer aber erst in den 90er Jahren deutlicher herauskristallisierte.

Infolge des regen Pilgerbetriebs zu dieser weltweit bekanntgewordenen Pfarrgemeinde in Bosnien-Herzegowina entstanden zahlreiche charismatische Gebetsgruppen auch in deutschsprachigen Ländern, darunter fest organisierte neue „geistliche Gemeinschaften“, die oft vor allem aus jungen Katholiken bestanden.

Hierzu gehört die „Jugend 2000“, die sich allerdings   – je nach örtlicher bzw. priesterlicher Leitung und Begleitung – teilweise noch einigermaßen nüchtern-besonnen präsentiert, z.B. im Bistum Köln. Die charismatische „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ ist zwar älter als das Medjugorje-Phänomen, wird aber stark von diesem geprägt und ist eng damit verknüpft.

Betont charismatisch ausgerichtet ist sodann die durch Medjugorje-Pilgerfahrten entstandene Jugendvereinigung „Totus tuus“, die sich selbst als marianisch, charismatisch und eucharistisch versteht. Der Vereinsname lautet übersetzt „Ganz dein“ und orientiert sich an einer „Ganzhingabe an Maria“ im Sinne von Johannes Paul II. und der damit verbundenen Grignionschen Weiheformel.

Durch diese marianischen und eifrig das Rosenkranzgebet praktizierenden Jugendgruppen erhielt die charismatische Szene einen immer stärkeren Zulauf aus dem konservativen und teils sogar traditionellen Spektrum. Offenbar genügte vielen Gläubigen das Qualitätssiegel „marianisch“, um sich insgesamt der Spiritualität dieser neuen Strömungen anzuvertrauen.

Dies wurde verstärkt durch die Tatsache, dass sich die aus Medjugorje entstandenen Gruppierungen von A bis Z (von Abtreibung bis Zölibat) auch moraltheologisch konservativ positionierten. Was sollte also dagegen sprechen, sich dieser neuen, offenbar doch so frommen Bewegung anzuschließen?

Das Bedürfnis nach solch einer „Fluchtburg“ war umso größer, als es der akademisch-abstrakten Theologie ebenso wie den oft progressiven Zuständen in den Pfarreien nicht gelingen konnte, die spirituelle Sehnsucht heimatlos gewordener Katholiken zu stillen. In dieses Vakuum stieß nun die Medjugorje-Faszination und der Charismatismus, um sich als geeignete Alternative zu präsentieren.

Von amtskirchlicher Seite wurden die „neuen geistlichen Gemeinschaften“ meist mehr oder weniger schnell anerkannt, selbst wenn manche Hierarchen wohl mit derem konservativem „Outfit“ gefremdelt haben mögen. Immerhin glaubte man aber, dadurch diese gläubige Jugend unter die eigenen Fittiche zu bekommen und damit auch eine gewisse Kontrolle ausüben und den Gang der Dinge im eigenen Interesse etwas „kanalisieren“ zu können.

Dabei unterschätzen die vatikanischen und bischöflichen Amtsstuben aber das eigendynamische Potential, das solchen Strömungen ihrer Natur nach innewohnt. Wie sollten sie hierüber auch Bescheid wissen, da sie zum einen vor einem relativ neuen Phänomen standen, zum anderen wegen ihrer eher liberalen bis hin zur progressiven Grundhaltung das konservative Spektrum nicht von innen her kennen – und damit auch nicht die Spezifika, geschweige spirituellen Gefährdungen beurteilen können. Somit sind sie in jeder Hinsicht  – sowohl theologisch wie psychologisch –  gegenüber pentekostalen Tendenzen überfordert und stehen hier ratlos wie der Ochs vorm Berg.

Das zeigt aktuell auch die Causa „Totus tuus“: 1994 gegründet, wurde die Jugendvereinigung zehn Jahre später vom Bistum Münster bischöflich approbiert.

Aber nicht nur dies – die Gruppe durfte sich im Sankt-Paulus-Dom (siehe Foto) jährlich mit einem stundenlangen öffentlichen Gebets-Festival präsentieren, an dem sogar der Bischof regelmäßig teilnahm (damals Reinhard Lettmann).

Diese enorme Aufwertung ist dem Ordinariat später gleichsam auf die Füße gefallen, als sich vor vier Jahren erste Ex-Mitglieder meldeten und über geistlichen Mißbrauch beklagten. Das Bistum Münster ergriff die Flucht nach vorne und startete im Jahr 2017 eine Visitation, die immer noch anhält. Die Zeitschrift „Herder-Korrespondenz“ bot den Aussteigern mehrfach ein Forum und kritisierte die von ihnen geschilderten pastoralen Übergriffe. Die konservative Seite überläßt diese Aufklärungsarbeit gerne den „Skeptikern“, schließlich fühlt man sich diesen „marianischen“ Gruppen mehr oder weniger verbunden und will nicht in die eigene Suppe spucken.

Daß die in manchen charismatischen Gruppen geleistete „Seelenführung“ religiös ungesund strukturiert ist und bis hin zur Verzweiflung oder gar Selbstmord führen kann, ahnt kaum jemand, es sei denn, er hat wie ich seit langem Kontakte zu Betroffenen. Der geringste Vorwurf ist noch jener einer unausgewogenen Leistungsfrömmigkeit (auf Pilgerreisen dauernde Gebete und „Lobpreis“ von früh bis spät) und asketischen Überforderung (Fasten bei Wasser und Brot am Mittwoch und Freitag gemäß Medjugorje-Botschaften).

Schlimmer sind freilich Machtmißbrauch, selbsternanntes Prophetentum, Personenkult um den/die Gruppengründer/in und massiver psychischer Druck auf die Mitglieder, verbunden mit Dämonisierung der Gläubigen, sobald kritische Rückfragen gestellt oder Zweifel am Vereinsgebaren geäußert werden.

Wie hilflos und schmalspurig eine vom Ordinariats-Personal durchgeführte Visitation sein kann, zeigt sich gerade im Fall „Totus tuus“. Der Deutschlandfunk strahlte am 19.9.2019 eine Sendung unter dem Titel „Totale Hingae als Prinzip“ aus, in welcher eine Aussteigerin erklärte, man habe sie und andere Betroffene lediglich „wie Informanten“ behandelt. Seitens des Bistums habe es keine Hilfsangebote gegeben, „auch nicht, was den Glauben anbelangt“. Andere Ex-Mitglieder äußerten sich ähnlich enttäuscht.

Glaubensweitergabe setzt aber erst einmal den Glauben voraus, was man nicht ohne weiteres von allen „Würdenträgern“ erwarten kann. Wie sollen theologisch „moderne“ Priester oder Laienmitarbeiter angemessen auf Katholiken reagieren, die sich in charismatischen Gefilden verlaufen haben und nun eine bodenständige, authentische kirchliche Spiritualität suchen? Es werden ihnen Steine statt Brot gereicht, wenn sie nur informativ für die Visitation abgefragt werden, ohne zugleich eine gediegene theologische und geistliche Wegweisung zu erhalten.

Hier könnte die traditionelle Seite hilfreich zur Seite stehen: Gerade die überlieferte hl. Messe ist mit ihrer Andacht, Feierlichkeit, Sakralität und Nüchternheit geeignet, die allzu emotionale Frömmigkeit aus der Charismatikerzeit in besonnene Bahnen zu lenken und ihr die nötige Tiefe zu verleihen.

Statt einer Achterbahn der Gefühle würde damit eine Glaubenshaltung vermittelt, die nicht auf dem Flugsand subjektiver „Erlebnisse“ beruht, sondern auf den Fundamenten der Kirche: Heilige Schrift, apostolische Tradition, Lehramt und Sakramente. Hierfür reicht aber die klassische Liturgie alleine nicht aus, so hilfreich sie ist  – es bedarf auch der katechetischen und apologetischen Begleitung und Glaubensvertiefung.

Aus meinen jahrzehntelangen Kontakt mit Aussteigern läßt sich resümieren, daß vor allem das neokonservative Spektrum anfällig für Charismatik, Wundersucht und Erscheinungsfixiertheit ist, aber auch ein erheblicher Teil des „halb-traditionellen“ Milieus, zumal jene Besucher der „alten Messe“, die ihr eher aus nostalgischen als aus theologischen Gründen zugetan sind oder sie lediglich aufsuchen, um den liturgischen Experimenten zu entfliehen, die in den meisten Pfarreien an der Tagesordnung sind.

Als emotionalen Ausgleich für die „nüchterne“ Meßform im alten Ritus suchen sie dann auf charismatischen Veranstaltungen das „prickelnde“ Erlebnis einer vermeintlichen „Gotteserfahrung“.

Noch vor wenigen Wochen beklagte sich eine solch altrituell orientierte Dame mittleren Alters bei mir ernsthaft darüber, sie habe noch nie bei einem der von ihr besuchten Heilungsseminare das „Ruhen im Geist“ erlebt.

Foto: Pattayablatt

Auf meinen Hinweis, sie möge Gott auf den Knien danken, daß ihr das erspart geblieben sei, es sich keineswegs um eine Geist-Erfahrung (sondern wohl eher eine Geister-Führung) handelt, mir zudem genügend Psycho-Geschädigte dieses Phänomens bekannt seien, schien sie erst einmal einsichtig. Doch einige Zeit später brach sie jeden Kontakt ab und erzählte anderweitig, sie lasse sich von mir ihren innigen Wunsch nach diesem besonderen Trance-Erlebnis nicht nehmen.

Bereits vor 15 Jahren führte ich ein längeres Gespräch mit einer Büroleiterin von „Totus tuus“ und versuchte, sie hinsichtlich solcher Privatoffenbarungen wie Medjugorje auf ein nüchternes Gleis zu bringen, was ebenso vergeblich war wie mein Bemühen, ihr den irrgeistigen „Hammersegen“ auszureden.

Die Dame verteidigte geradezu euphorisch das „Ruhen im Geist“ als göttlich bewirkte Gnadengabe. Ich verwies z.B. darauf, daß auch der Verstand zu den Sieben Gaben des Heiligen Geistes zähle, der Hl. Geist daher nicht gegen die Vernunft wirke, daß die Gnade auf der Natur aufbaue und unser Frömmigkeitsleben auf den Sakramenten der Kirche beruhe, nicht auf außergewöhnlichen Manifestationen, die zudem ursprünglich aus dem protestantischen Pfingstlertum stammen und in der katholischen Tradition unbekannt sind.

Sämtliche Argumente waren in den Wind geredet, wobei zu bedenken ist, daß der Hinweis auf die „Tradition“ in diesen Kreisen selten zum Nachdenken führt, das gilt auch in liturgischer Hinsicht.

Die Gruppe „Totus tuus“ hat mit der überlieferten Messe schlicht nichts am Hute, was wenig erstaunt, denn ihre euphorischen Schwärmer-Praktiken lassen sich in diesem geregelten Ritus nicht „unterbringen“, was auch für den verstiegenen „Lobpreis“ gilt, der musikalisch in etwa zwischen Gospel, Pop und Rock angesiedelt ist.

Sinn und Zweck dieses enthusiastischen Gesanges ist es letztlich, den „Durchbruch“ zu erleben, eine besonderes „Gotteserfahrung“ zu erhalten, sei es durch den Hammersegen, das Zungenreden, eine „erleuchtete“ Prophetie, das „Wort der Erkenntnis“ (spontane Eingebungen von „oben“), angebliche Herzensschau oder Empfang des Heilungs-Charismas. Diese Lobpreismusik ist also vom kirchlichen Psalmengesang oder gar Gregorianischen Choral so weit entfernt wie der Nordpol vom Südpol.

Es liegt auf der Hand, daß die gefühlsfixierte und erlebnissüchtige Frömmigkeit in pentekostalen Bewegungen den geistlichen Mißbrauch strukturell begünstigt. Das Problem ist geradezu system-immanent und besteht keineswegs nur aus einer Ansammlung von Einzelfällen.

Vielmehr sind einige Faktoren im Wesen dieser Strömung begründet, die  seelsorglichen Übergriffen und Irreführungen Tür und Tor öffnen, darunter z.B. folgende Aspekte:

  1. Wenn die Gründer bzw. Leiter der jeweiligen Gemeinschaft den Heiligen Geist gleichsam gepachtet haben, vom Himmel direkt geführt und inspiriert werden, dann sind diese Personen von einem gleichsam unantastbaren Nimbus umgeben, der sie außerhalb jeder Kritik stellt. Visionär begabte und „begnadete“ Persönlichkeiten stehen quasi unter Denkmalschutz und üben gewissermaßen ein Prophetenamt aus. Es geziemt sich folglich für die Gruppenmitglieder, ihnen den schuldigen Gehorsam zu erweisen, weil alles andere den Heiligen Geist „betrüben“ könnte.
  2. Die nüchterne Vernunft wird durch eine ständige Suche bis Sucht nach „Tabor-Erlebnissen“ allmählich verdrängt. Das Bedürfnis, seelisch auf der „Wolke“ zu sitzen, eine vermeintlich unmittelbare „Gotteserfahrung“ zu erhalten, begünstigt das Ausschalten des kritischen Verstandes. Skepsis wird in diesem Kreisen ohnehin gerne dämonisiert: Den Gläubigen wird eingeredet, es handle sich um teuflische Versuchungen, zumindest aber um „okkulte Belastungen“ oder gar Umsessenheit. Womöglich wird zur „Heilung“ dann ein Quasi-Exorzismus vollzogen, nämlich das sogenannte „Befreiungsgebet“, auf daß die „Finsternismächte“ gebannt werden. Wenn dann besonders erleuchtete Personen mit Visionen in einer Gebetsgruppe mittels Sonderoffenbarung verkünden, welches Mitglied dringend eine „Befreiungsaktion“ benötigt, ist der geistliche Mißbrauch komplett und der/die Betroffene nicht selten für Jahre seelisch „neben sich“. (Ich weiß von etlichen tragischen Schicksalen, manche Geschädigte enden zuletzt in der Psychiatrie.)
  3. Die für charismatische Kreise typische Sehnsucht nach „Heilung und Befreiung“ kann dazu führen, daß die Gruppenmitglieder von einem „Heilungsprediger“ zum anderen laufen, von einem Seminar zum nächsten, von einem Propheten zum noch stärker begnadeten Visionär etc. Es dreht sich alles im Kreise und die Betroffenen kommen kaum noch zur ruhigen Besinnung und zur Distanz. Auch dies erleichtert geistlichen Mißbrauch und bewirkt keine Seelsorge, sondern Seelenverwirrung.

Aus einer klassisch-konservativen und traditionell katholischen Sicht ist die Einsicht entscheidend, daß der Schwarmgeist eine innere Gefährdung des eigenen Spektrums darstellt, was zu entsprechender Vorsicht und Nüchternheit veranlaßt.

Nicht der Skeptizismus ist die typische Versuchung der Frommen, sondern die Verstiegenheit, nicht die Wunderflucht, sondern die Wundersucht, nicht der Unglaube, sondern der Aberglaube, nicht der Rationalismus, sondern der Irrationalismus. Achten wir also darauf, weder links noch rechts vom Pferd zu fallen – auch „rechts“ lauern ernsthafte Gefahren, wie die Kirchengeschichte seit jeher angesichts sektiererischer Bewegungen in Hülle und Fülle belegt.

Erstveröffentlichung dieses Beitrags von Felizitas Küble in der traditionell-theologischen Zeitschrift UNA VOCE (Nr. 4/2020)

Kommentare

17 Antworten

  1. Ich bin wirklich froh, dass Gott mich vor all dem bewahrt hat. Ich war immer mal wieder nahe daran, zu einem Heilungsgottesdienst zu gehen, es ist aber nie was draus geworden. Ich hatte keine Ahnung, was sich dort abspielen würde, hoffte nur einfach auf Heilung und Befreiung meiner psychischen Probleme. Wenn ich wirklich hingegangen wäre, hätte mir das wahrscheinlich sehr geschadet, ja mich geradezu geschockt nach dem, was ich in diesem Blog inzwischen schon alles darüber erfahren habe. Das hätte ich nicht verkraftet. Von der Gemeinschaft der Seligpreisungen habe ich lange Jahre die Zeitschrift „Feuer und Licht“ gelesen, die ich sehr gut fand. Inzwischen habe ich sie abbestellt. Ich habe auch mal versucht, mit der Gemeinschaft Kontakt aufzunehmen, aber auch das hat nicht geklappt; ich wurde abgewiesen. Ich bin sicher, dass der Heilige Geist es verhindert hat, dass ich in diese Kreise gerate. Danke Herr! Ich will mit all dem nichts mehr zu haben.

    Vielen Dank auch an Sie, Frau Küble, für Ihre unermüdliche Aufklärung auf diesem Blog!

    1. @ Bellajosefina
      Sie sind abgewiesen worden. Das ist typisch für die Gemeinschaften, die gerne einen Elitekreis bilden möchten.
      Ich bin mal spontan zu den Seligpreisungen nach Warstein gefahren. Ich stand abends an der Tür, die von ein paar Mitgliedern der Gemeinschaft geöffnet wurde. Das übliche Programm bei denen war diesmal ausgefallen. Ich bat um Aufnahme für eine Nacht und darum, in der Kirche still beten zu können, um die Fahrt zu denen nicht vergeblich gemacht zu haben.

      Sie sagten mir, wir müssen erst Diakon Karl fragen und deinen Namen nennen. Der kann durch seine besonderen Gaben erkennen, ob du hier bleiben kannst. 10 Minuten später bekam ich Eintritt, weil Diakon Karl am Telefon gesagt hat: Ja, die Dame darf herein.

      Ähnliches erlebte ich auf einer Wallfahrt nach Wigratzbad. Da wurde erst eine Dame befragt, die mit den Schutzengeln in Kontakt steht, ob ich mitfahren darf. Ich musste ein paar Tage warten, bis die Engelsdame ihr o.k gab. Ich war glücklich damals.
      Nun sehe ich es als psychisches Spielchen an.

      Dann fragte ich die Engelsdame auf der Fahrt nach dem Schutzengelnamen meines Patenkindes. Sie sagte mir diesen. Später fragte ich nochmal nach, dann sagte sie mir einen anderen Namen des Schutzengels. Als ich stutzig beim Gespräch wurde, weil ja 2 Namen im Raum stehen, sagte die Dame: „Manche Menschen haben mehrere Schutzengel.“ Somit war ich zufrieden gestellt.
      Jedenfalls meine ich, dass somit diese Damen schwer zu entlarven sind, wenn sie so daherreden.

      Also es war die richtige Führung, dass Sie nicht aufgenommen wurden. Vielleicht wären Sie heute noch drin . Rauszukommen aus der Charismatik ist sehr schwer, weil man tatsächlich „Wunder“ erlebt.

  2. Meine Erfahrungen aus den charismatischen neuen Gemeinschaften sind diese: Man wird, wenn man etwas kritisch hinterfragt, z..B Medjugorje und die Erscheinungen dort , meist schon beim ersten Gespräch mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

    Charismatiker meinen, bei Kritik sei es ein Angriff des Teufels auf einen persönlich, der den Kritiker zu Fall bringen will. Und das darf man nicht zulassen.
    Selbst hinterfragen sie wenig. Lehnen oft Schriften zur Aufklärung ab.

    EIne weitere Erfahrung ist das Leistungsbeten mit lautem Lobpreis und endloser Nachtanbetung besonders auf Fahrten und Seminaren von Charismatikern . Und morgens früh geht es bei Wallfahrten wieder mit lautem Trommel-Lobpreis los. Mein Sohn hat das erlebt und ist bis heute abgeschreckt.
    Er sagte : „Wir bekamen keine Ruhezeiten, immer wieder Lobpreis, Rosenkranzbeten, Trommeln bis in die Nacht..“ – Das war bei Totus tuus.

    Bei den Seligpreisungen erlebte ich auch dieses quasi aushorchen. Oftmals standen die Mitglieder der Gemeinschft mit bis zu drei Personen um einen herum und wollten für die Anliegen beten, die man denen erzählen konnte. verpackt war dieses „Aushorchen“ als Seelsorge im Kirchenraum, was letztlich viele von dem Gang zur Beichte abhielt, denn sie hatten ja schon „Seelsorge“ erfahren.

    Unmöglich übergriffig wurde es bei mir in einer charismarischen Gruppenfahrt dann bei einem indischen Priester, der mich während der Beichte ständig am Arm streichelte.

    Meine Freundin hat sich vor Jahren von Alan Ames trotz meiner Warnung per Handauflegung segnen lassen.
    Seitdem ist sie oft erschöpft und längst nicht mehr so leistungsfähig, wie ich sie vorher kannte.
    Man kann vor diesen Laienhandauflegungen der Charismatiker nur warnen.
    Viele bekommen richtig psychische und physische Beschwerden.

    Ich bin froh, aus diesen Kreisen rausgekommen zu sein. Auch dafür einen herzlichen Dank an Fr. Küble, die mich durch viele Informationen auf den nüchteren Glaubensweg geführt hat.

    1. Nun, gerade charismatischen Protestanten fehlt häufig die heidenchristliche Logos-Theologie und die systematische Theologie, die sich aus der Verschwisterung der christlichen Theologie mit der griechischen Philosophie entwickelte.

  3. Welch ein Durcheinander ist geworden.
    Was richtig sei und was falsch löste auch im Mittelalter Diskussionen aus.
    Das stellt für mich keinen Glauben mehr da.

  4. Ja, vor dem Problem werden noch vielfach die Augen verschlossen. Dabei gibt es ungute Strukturen von Machtmissbrauch auch in nicht charismatischen neuen Bewegungen, diese waren geradezu die Hätschelkinder von Johannes Paul II. Hier Kritik zu üben war nicht karriereförderlich. Katholische Sektenbeauftrage „durften“ nicht und evangelische hielten sich aus ökumenischer Höflichkeit zurück. Die schwärmerische Charismatik konnte auf diesem Boden gut gedeihen. Ich bezweifle allerdings, dass die „Traditionelle Messe“ als Heilmittel geeignet ist. Sie spricht doch nur wenige Menschen an, und dann oft eher aus ästhetischen Gründen. Das traditionelle Milieu hat nach meiner Erfahrung völlig realitätsferne Erwartungen an eine in Wahrheit nicht vorhandene Sehnsucht nach AM und an deren quasi magnetische Anziehungskraft. Gewiss könnten Gottesdienst, Seelsorge und Katechese verbessert, d.h. vertieft werden. Auch NOM kann sehr andächtig sein. Eine „korrekt“, aber lieblos heruntergerasselte Messe ist so oder so nicht das Ziel. Und wie gesagt, es gibt auch Übergänge zwischen den „Tradis“ und den Charismatikern. Ganz abgesehen davon wimmelte es auch in Zeiten vor der Liturgiereform nur so von Falschmystik.

    1. Guten Tag,
      Sie haben völlig recht, katholische Sektenbeauftragten „durften“ sich nicht in die charismatischen Umtriebe kritisch einmischen, ich weiß es von leitenden Personen in Weltanschauungsstellen von Bistümern direkt.
      Was meinen Sie mit „Sehnsucht nach AM“?
      Natürlich gab es Falschmystik masenhaft auch vor der LIturgiereform – allerdings war die Kirche damals strenger dagegen vorgegangen – siehe Heroldsbach.
      Daß es Übergänge zwischen Tradis und Charismatikern geht, steht doch in diesem Artikel – dort wird doch gerade dieses Spektrum gewarnt. Das wäre überflüssig, wenn es nicht auch anfällig wäre, wenngleich weniger stark als das neokonservative Lager (kath.net und Co), weil es schon strukturell nüchterner geprägt ist.
      Freundlichen Gruß
      Felizitas Küble

      1. Zur Kritik des Charismatik und des irrationalen Charismatismus – irrational, weil häufig wider die Logos-Theologie – und der Schwarmgeisterei und schwarmgeistigen Bewegungen siehe auch den Internetauftritt des Lutheraners Horst Koch und den Catwalk-Weblog und das Kreuzgang-Forum

    2. Der NOM ist in sich schlecht da nützt die ganze Andacht nichts
      ich würde nie so eine Veranstaltung als Sonntagsmesse besuchen bei einer heruntergerasselt tridentinischen Messe erfühle ich meine Sonntagspflicht was ich beim NOM nicht tue
      diese ganze neuen Gemeinschaften seit dem Engelwerk 1949 sind alle eine Katastrophe die Kirche hat das alles verschlafen

      1. Guten Tag,
        wenn die neue Messe ordentlich gefeiert wird, vor allem der römische Kanon (1. Hochgebet) zelebriert wird, ist sie keineswegs „in sich schlecht“.
        Natürlich erfüllt man sehr wohl in jedem Fall seine Sonntagspflicht – sei es die alte oder neue Form des Ritus (davon mal abgesehen, daß sie in der Coronakrise sowieso ausgesetzt ist).
        Es gibt laut Volksmund drei Meßformen:
        die ordentliche
        die außerordentliche
        und die unordentliche!
        Weil die „ordentliche“ Form (neue Messe) immer öfter unordentlich zelebriert wird, flüchten manche enttäuschte bis entsetzte Gläubige in die außerordentliche Form, obwohl sie nicht grundsätzlich gegen die neue Messe sind.
        Daß es zwar nicht mit allen, aber mit den meisten „neuen geistlichen Gemeinschaften“ problematisch aussieht, stimmt allerdings.
        Freundlichen Gruß
        Felizitas Küble

        1. Ich lehne das völlig ab, was Sie hier schreiben auch den Unsinn von ordentlicher Form und außerordentlicher Form (die Folgen davon könnten die ED Gemeinschaften in den nächsten Wochen und Monaten zu spüren bekommen)
          und mache mir hier voll und ganz die Haltung von Erzbischof Lefebvre zu eigen der klar sagte die neue Messe in lateinischer Sprache mag gültig, sein aber es kann nie eine moralische Pflicht bestehen an dieser teilzunehmen
          So wie es auch keine Pflicht gibt an einer gültigen orthodoxen Messe teilzunehmen

      2. @Felizitas Küble
        Die Alte Messe kann aber ebenfalls unordentlich zelebriert werden.
        Gerüchteweise gab es früher Priester, die darin gewetteifert haben, wer am schnellsten die (alte) Messe herunterrattern konnte.

  5. ein zusätzliches Problem bei der Geschichte ist ,dass „charismatische“ Spiritualität und traditioneller katholischer Glauben sich kategorisch ausschließen und die Kath Kirche daher kaum Möglichkeiten in der Hand hat diese Dinge zu steuern, was man sich vor allem fragen sollte, wie konnten diese Dinge in die Kirche eindringen und wieso hat vor allem Papst Johannes Paul II. diesen Unsinn extrem gefördert

    1. In den USA gibt es auch eine katholische charismatische Bewegung.
      Und im Mittelalter gab es auch noch charismatische Heilig-Geist-Messen für Wunderkräfte und Gnadengaben und Charismen und Vieh- und Krankenheilungen und Feld- und Wettersegen. Siehe auch den Benediktiner Odo Casel mit seiner wiederendteckten Mysterien- und Bogumil-Theologie dazu zu den Mysterien als göttlichen Geheimnissen und den Worten „Mysterion“ und „Mystirion“ und „Mystaerion“ und „Mysterium“ und „Mysterien“ als göttlichen Geheimnissen in der Bibel und der Weisheits- und Henoch- und Baruch-Literatur

      1. das hat nichts aber auch gar nichts mit dem, was heute läuft, die charismatische katholische Bewegung in den USA ist eine der vielen Dummheiten, die sich nach 1960 in der Kirche breit gemacht haben.
        das ganze mit dem Mittelalter zeigt, dass Sie nicht die geringste Ahnung haben

      2. Irrtum, Sie haben keine Ahnung. Es gab im Mittelalter auch die speziellen Engels(s)Messen als Votiv-Messen und die iro-keltischen Liturgien und Gottesdienste, welche aus dem iro-keltischen bzw. iro-schottischen Johannes-Christentum nach dem Apostel Johannes in die römisch-katholische Kirche eingingen. Außerdem verbot die Kirche teilweise Laien das Lesen des Alten Testamentes ohne Beisein eines Geistlichen oder Priesters, wegen dessen teilweise problematischer Inhalte. Und es gab auch schon die christlichen Neuplatoniker. Philo(n) von Alexandrien war Mittelplatoniker und gilt als einer der Vorläufer des Neuplatonismus.

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