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Papst Benedikt: Was Joseph Ratzinger während der Konzilszeit schrieb

„Eine kopernikanische Wende für Christen“

Es war noch während des Konzils, als das Büchlein „Vom Sinn des Christseins“ 1965 im Kösel-Verlag erschien, das drei ausführliche Predigten enthält. Der Verfasser: Dr. Joseph Ratzinger, Priester und bekannter „Konzilstheologe“ [1].

Es ist gerade aus heutiger Sicht recht interessant, zu lesen, was unser Papst vor über 45 Jahren, als er noch der Theologe Joseph Ratzinger war, während des Zweiten Vatikanischen Konzils auf diesen 75 Seiten veröffentlicht hat. Vat_Flagge

So schreibt er über den Advent, daß diese Vorbereitung auf Weihnachten uns den Spiegel vorhalten soll, damit wir uns den Tatsachen unserer christlichen Existenz stellen, auch „daß wir zugeben das Ausmaß von Unerlöstheit, das nicht nur irgendwann über der Welt lag und irgendwo vielleicht noch liegt, sondern bei uns selbst und inmitten der Kirche Tatsache ist“ (S. 16).

Es handelt sich hier gewiß um keine liberale  Kirchenkritik heutiger Art bzw. Abart, sondern um einen Aufruf zur Selbstbesinnung und Erneuerung, so wie auch die Propheten des Alten Bundes nichts schöngeredet, sondern Tacheles gesprochen und eine klare, aufrüttelnde Zeitkritik aus dem Geist Gottes geäußert haben, wobei sie stets die Heiligkeit und Erhabenheit des Ewigen betonten; dies tut auch Joseph Ratzinger in dem erwähnten Buch: RadioVatikan

„Man kann Gott gar nicht anders finden als in diesem Exodus, in diesem Herausgehen aus der Behaglichkeit unserer Gegenwart in das Verborgene der kommenden Helligkeit Gottes hinein.

Das Bild von Moses, der auf den Berg hinaufsteigen und in die Wolke eintreten mußte, um Gott zu finden, bleibt gültig für alle Zeiten. Gott kann  –  auch in der Kirche  –  nicht anders gefunden werden, als indem wir den Berg hinaufgehen und in die Wolke des Inkognito Gottes eintreten, der in dieser Welt der Verborgene ist“ (S. 31).

„Wir starren auf die Mühsal des christlichen Alltags und vergessen darüber, daß der Glaube nicht nur eine Last ist, die uns drückt, sondern zugleich ein Licht, das uns Weisung gibt und Weg und Sinn.

Wir sehen in der Kirche nur die äußere Ordnung, die unsere Freiheit begrenzt, und wir übersehen darüber, daß sie uns eine geistige Heimat ist, in der wir geborgen sind im Leben und im Sterben“ (S. 40). Kölner Dom 12-2010

Der letzte Satz erinnert an die bekannte Aussage des Papstes: „Wer glaubt, ist nie allein, weder im Leben noch im Tod“, denn er ist geborgen in Gott und im Miteinander des Glaubens der Kirche und der Heiligen [2].

Aufschlußreich sind auch folgende Gedankengänge Ratzingers, die eindeutig theozentrisch sind  – und dies sehr geschickt mit der Aufforderung an jeden Einzelnen verknüpfen, eine „kopernikanische Wende“ zu vollziehen:

„In einem gewissen Sinne leben wir sozusagen alle noch vor Kopernikus. Nicht nur, daß wir dem Augenschein nach meinen, daß die Sonne auf-  und untergeht und sich um die Erde herumdreht, sondern in einem viel tieferen Sinne. Denn wir alle tragen jene angeborene Illusion mit uns, kraft deren ein jeder sein Ich als den Mittelpunkt nimmt, um den herum sich die Welt und die Menschen zu drehen haben.

Wir alle müssen uns immer wieder dabei entdecken, daß wir die anderen Dinge und Menschen nur in Beziehung zum eigenen Ich konstruieren und sehen,  sie gleichsam als Satelliten betrachten, die sich um den Mittelpunkt unseres Ichs herumdrehen.

Christwerden ist nach dem Gesagten etwas sehr Einfaches und dennoch sehr Umwälzendes. Es ist genau dieses, daß wir die kopernikanische Wende vollziehen und uns nicht mehr als den Weltenmittelpunkt betrachten, um den die anderen sich zu drehen haben, weil wir statt dessen anfangen, im vollen Ernst zu bejahen, daß wir eins von vielen Geschöpfen Gottes sind, die gemeinsam sich um GOTT als die Mitte bewegen“ (S. 58). P1020947

Hier steht nicht die sog. „Würde des Menschen“ im Mittelpunkt, sondern der fundamentale Anspruch Gottes an den Menschen, IHM zu dienen  –  und so auch dem Nächsten näher zu kommen.

Zum Abschluß eine marianische Meditation aus der letzten Seite dieses Büchleins, das uns weihnachtlich einzustimmen vermag:

„In der Advent-Liturgie begegnen wir diesem Geheimnis der Hoffnung. Die Kirche stellt es an diesem Tag vor uns hin in der Gestalt der Mutter des Herrn, der heiligen Jungfrau Maria.

Sie steht in diesem adventlichen Wochen vor als die Frau, die die Hoffnung der Welt unter ihrem Herzen trägt und so als das Zeichen der Hoffnung unseren Weg vorangeht. Sie steht da als die Frau, in der das menschlich Unmögliche durch Gottes rettendes Erbarmen möglich geworden ist.

Maria wird so zum Zeichen für uns alle. Denn wenn es auf uns ankommt, auf die armselige Flamme unseres guten Willens und auf die Armseligkeit unseres Tuns, richten wir das Heil nicht aus. Dazu reicht es nicht, wieviel wir auch vermögen. Es bleibt unmöglich. Aber Gott hat in seiner Erbarmung das Unmögliche möglich gemacht. Wir brauchen nur in aller Demut ja zu sagen: ‚Siehe, ich bin ein Knecht des Herrn’ (vgl. Lk 2,37f., Mk 10,27). Amen.“

Felizitas Küble, Leiterin des KOMM-MIT-Jugerndverlags und des Christoferuswerks in Münster

Erstveröffentlichung dieses Artikels in „Theologisches“ (Nr. 11 – 12/2011)


[1] J. Ratzinger, Vom Sinn des Christseins, Kösel-Verlag: München 1965 (vgl. auch die Neuausgabe  –  mit anderer Seitenzählung  –   aus dem Jahre 2005).

[2] Benedikt XVI., Predigt zur Amtseinführung, 24. April 2005. Vgl. J. Ratzinger / Benedikt XVI., Wer glaubt, ist nie allein: Worte der Ermutigung, Herder-Verlag: Freiburg i.Br. 2005.

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