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Welche politischen Handlungsmöglichkeiten gibt es noch für uns Lebensrechtler?

Am Samstag, dem 12. März 2022, tagte in Kassel das TCLG (Treffen Christlicher Lebensrechts-Gruppen), das halbjährlich veranstaltet und stets von gehaltvollen, sehr informativen Vorträgen und regen Gesprächsrunden begleitet wird. Diesmal nahmen rund 60 Vertreter von Lebensrechts-Initiativen an der Veranstaltung tei

Wir dokumentieren hier die Rede von Susanne Wenzel (siehe Foto oben und rechts), der neuen Bundesvorsitzenden der CDL (Christdemokraten für das Leben“), die bei der Mitgliederversammlung 2021 die langjährige Chefin Mechthild Löhr ablöste.

Die Diplom-Betriebswirtin aus Castrop-Rauxel gründete zugleich gemeinsam mit der Verlagsleiterin und Publizistin Ursula Zöller die „Neue katholische Frauenbewegung“, die einen eigenen Blog betreibt: https://frauenundkirche.wordpress.com/

Wir danken Frau Wenzel für ihre freundliche Abdruckserlaubnis:  

Was hinsichtlich des Lebensschutzes schon äußerst schwierig geworden war in den letzten 16 Jahren, ist unter der derzeitigen Regierungskonstellation nahezu unmöglich geworden. Wir kennen aus dem Koalitionsvertrag diese jetzt in konkretes politisches Handeln umgesetzte „Kultur des Todes“, die in der allgemeinen Diskussion, im gesellschaftspolitischen Diskurs, seit vielen Jahren auch vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, den Linken, Grünen, Pro Familia usw. vorbereitet wurde.

Wir alle haben mit angesehen und dagegen Widerstand geleistet, dass auch die letzte Regierung das Lebensrecht immer weiter ausgehöhlt hat. Auch die CDL kann davon ein Lied singen.

Aber dennoch müssen wir festhalten: Es gab zumindest noch gewisse Schranken. Nun aber scheint jede Begrenzung zu fallen.

In den 73 Jahren seit Bestehen der Bundesrepublik hat sich keine Regierung derart offen und unverhohlen gegen das Lebensrecht gestellt wie dieses „Dreierbündnis der Kultur des Todes“, wie ich diese Koalition bei anderer Gelegenheit bereits bezeichnet habe.

Und ich fürchte, was im Koalitionsvertrag steht, ist erst der Anfang.
Lassen Sie mich etwas ausholen:

Der Bundesgesundheitsminister der Merkel-Regierung, Jens Spahn, hatte im Jahr 2019  im Zuge der ersten Aufweichung des Werbeverbotes eine Studie über die psychischen Auswirkungen von Abtreibungen angekündigt. Diese Studie wurde im Gesundheitsministerium dann völlig umgedreht und besteht nun aus mehreren Einzelstudien, deren Ergebnisse zusammengefasst werden unter dem Titel „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“.

Sechs Hochschulen, unter anderem die Hochschulen Merseburg, Fulda, Nordhausen sowie die Uni Ulm und die Freie Universität Berlin, wollen Erkenntnisse gewinnen, über die „sozialen und gesundheitlichen Belastungen und Ressourcen von Frauen, die ungewollt schwanger sind und diese Schwangerschaft austragen oder abbrechen“. 

Sie wollen herausfinden, „wie die Unterstützung und Versorgung die sie erfahren die Verarbeitungsprozesse [der Frauen] befördern oder erschweren“.

Zur Studienkoordinatorin hat man ausgerechnet Daphne Hahn gemacht, die bis 2017 Präsidentin der Pro Familia gewesen ist. Laut TAZ-Bericht vom 28. Januar 2021 will sie vor allem die „problematischen“ Beratungsangebote – also vor allem jene der Lebensrechtsbewegung – untersuchen lassen.

Und bereits jetzt ist vereinzelt die Rede von einem künftigen Zertifizierungsverfahren für Beratungsstellen. Die Studie läuft bis zum 31. Oktober 2023. Es sollen aber bereits aus der laufenden Studie erste Ergebnisse veröffentlicht werden.

Forderungen, den § 218 abzuschaffen sind sowohl aus der SPD als auch von den Grünen lange bekannt. In ihrem Wahlprogramm schrieb die SPD „Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch“.

Die Ampelkoalition hat nun in ihrem Vertrag festgeschrieben, dass eine eigens dafür eingesetzte Kommission „Regelungen für Abtreibungen außerhalb des Strafgesetzbuches“, wie es dort heißt, finden soll. Das heißt übersetzt, dass man sich bei den Koalitionsverhandlungen nicht einig geworden ist in diesem Punkt.

Was in diesem Fall offenbar auf die FDP zurückgeht, die zumindest im Wahlkampf  noch sagte, sie wolle den § 218 StGB nicht antasten. Ob sie allerdings erkannt oder schlicht in Kauf genommen hat, dass mit der durch ihren Justizminister Buschmann eingeleiteten und am vergangenen Mittwoch von der Bundesregierung beschlossenen Streichung des §219a das ganze Konzept um den § 218 StGB in Frage gestellt und letztlich dessen Abschaffung damit eingeleitet werden soll, darüber kann man nur spekulieren.

Erste Wortmeldungen aus der SPD, dass nun schnell der 218 folgen müsste, waren ja schon Ende Januar zu vernehmen, als der Gesetzentwurf vorgestellt wurde.

Die gerade angesprochene Studie und die Kommission müssen zusammengedacht werden. Denn die Regierung wird diese Kommission dafür nutzen, um die Studienergebnisse – die sicher entsprechend ausfallen werden, daran besteht wohl kein Zweifel – direkt in politische Konzepte umzusetzen. Wir sehen, dass die Zahnräder, die dann ineinander greifen sollen, bereits jetzt in die richtige Position gesetzt werden.

Im Bereich Embryonenschutz und Fortpflanzungsmedizin erwartet uns eine weitgehende Entgrenzung, die sicher auf das Konto der FDP geht. Und bei der Suizidbeihilfe wartet die Koalition auf Vorschläge aus dem Parlament, dem ja bereits Entwürfe vorliegen. Also auch bei diesen Themen ist nichts Gutes zu erwarten.

Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind leider ziemlich eindeutig. Und es ist ja auch nicht so, dass die Oppositionsparteien uneingeschränkt pro Life sind. Die Linke gehört zum Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, über sie brauchen wir also nicht einmal nachzudenken. Die Koalition kann für ihr Horrorprogramm auf die Unterstützung der Linken zählen, hatte diese doch in der letzten Legislaturperiode bereits einen Antrag zur Abschaffung des §218 eingebracht.

Die AfD schreibt glühend in ihrem Wahlprogramm, sie ist gegen Abtreibung und schreibt über notwendige Hilfen für Mutter und Kind. Doch am Ende relativiert sie es, wenn es heißt „Wir respektieren die Entscheidung der Frau…“. Das nennt sich dann wahrscheinlich Kompromiss zwischen Vertretern wie Beatrix von Storch oder Joana Cotar auf der einen und Chrupalla auf der anderen Seite.

Und die CDU/CSU? – Das haben wir ja in den letzten 16 Jahren erlebt, etwa bei der PID oder der Stichtagsverschiebung für den Import embryonaler Stammzellen. Auch die CDU-geführten Regierungen sind dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes, die 1993 beschlossene Regelung zu überprüfen, nicht nachgekommen.

So wird immer wieder betont, wie ausgewogen „der Kompromiss“ zum 218 sei und man wolle diesen „mühsam errungenen Kompromiss“ nicht antasten. Auch eine auf dem Bundesparteitag 2012 beschlossene Überprüfung der Finanzierung von Abtreibungen durch die Krankenkassen wurde unter der CDU-Regierung nicht umgesetzt.

Und im Wahlkampf 2021 hat das Wahlprogramm der Unionsparteien als einziges keinerlei Aussagen zum Lebensrecht und zum Lebensschutz gemacht. Lange Passagen beschäftigten sich mit der „Bewahrung der Schöpfung“. Offenbar hatte die Union dabei aber vergessen, dass zur Schöpfung doch der Mensch gehört. Ein Fehler mit fatalen Auswirkungen, wie wir heute wissen.

Nun ist mit der Wahl von Friedrich Merz zum neuen Partei- und inzwischen auch Fraktionsvorsitzenden die Neuausrichtung der CDU angekündigt, die wir seitens der CDL sehr aufmerksam beobachten. Es gibt erste Signale, die ich vorsichtig als positiv bezeichnen würde.

So haben sich seit dem vergangenen Mittwoch mehrere Unionsabgeordnete äußerst kritisch zur Streichung des Werbeverbotes geäußert. An vergleichbare deutliche Wortmeldungen zum Lebensschutz kann ich mich in den letzten 16 Jahren nicht erinnern.

Und es wird auch nicht einfach werden. 16 Jahre sind für eine Partei eine lange Zeit. Das ist im politischen Geschehen fast so wie die Relation zwischen Hunde- und Menschenjahren. Es sind inzwischen völlig andere Leute in wichtigen Positionen, die man dort vor 20 Jahren nie vorgefunden hätte.

Wir befinden uns in einer Situation, in der man immer gerne über die Bedeutung von Kompromissen spricht und möglichst eindrücklich demonstrieren will, welch breites Spektrum man vereint. Man hat den Anspruch, möglichst die ganze gesellschaftliche Bandbreite abzubilden, quasi allumfassend zu sein. Und man merkt nicht, wie beliebig man dann auf einmal ist, wie gleichgültig alles auf einmal wird, weil eben alles gleich gültig ist.

BILD: Frau Wenzel am CDL-Infostand  – links von Ihr Odila Carbanje, die CDL-Geschäftsführerin

Aber man brüstet sich, wie modern man ist. Es wird in diesem Zusammenhang übrigens gelegentlich darauf hingewiesen, dass man dieses Wort auch auf der ersten Silbe betonen könne.

Die Mitte ist in der deutschen Politik inzwischen so dermaßen überfüllt, dass der Wähler im allgemeinen Gedränge schlicht erdrückt zu werden droht.

Das nun wieder einzufangen, geht nicht in 6 Monaten oder einem Jahr. Politische Parteien sind ein Spiegel der Gesellschaft, ja natürlich. Das ist doch eine Binse. Aber das Ansinnen,  „allumfassend“ zu sein, ja quasi nahezu alle geistigen und ideologischen Strömungen abbilden oder sammeln zu wollen, ist für eine Partei nie wünschenswert. Im Gegenteil. Es ist ihr Todesurteil.

Allumfassend soll die Kirche sein. Sie soll alle Menschen unter ihrem Dach vereinigen, aber nicht – um Himmels willen ja nicht – Parteien. Wer vertritt denn dann die Interessen der Gruppen in unserer Bevölkerung? Wer bringt denn dann den Ausgleich dieser Interessen? Die Regierung? Sie soll alle Bürger vertreten. Aber sie ist natürlich geprägt von den Programmen der Parteien, die in ihr vertreten sind. Trotzdem ist sie dem gesamten Volk verpflichtet.

Und damit sie das auch umsetzt, wählen wir Männer und Frauen, die für uns die Kontrolle ausüben. Das Parlament ist das Korrektiv, in dem die Parteien mit all ihren unterschiedlichen Ausrichtungen für den Ausgleich der Interessen sorgen.

Was fällt aber auf in den letzten Jahren? Links und grün blieb bei dem, was sie schon immer vertreten haben. Verändert haben sich die Konservativen. Das sehen wir jetzt: Links-grün war immer für Abtreibung und ist dabei geblieben, während CDU und CSU ihre Positionen unter dem Deckmantel der Pluralität immer weiter aufgeweicht haben.

Man wird abwarten müssen, wie stark die Kurskorrektur der CDU am Ende tatsächlich ausfällt, aber: Es ist ihr dringend angeraten, sich daran zu erinnern, dass das klare Bekenntnis zum Recht auf Leben und dessen Schutz in allen Phasen doch einmal ihr Markenzeichen war, ja gleichsam die DNS der christdemokratischen und christsozialen Parteien, und dass der Stempel allein nicht mehr reicht, sondern konkreter und sichtbarer Einsatz dafür unabdingbar ist.

Und tatsächlich hier könnten wir vielleicht einen Löwenzahn aussäen, der den Asphalt später durchbricht und von außen ein wenig versuchen, diesen Erneuerungsprozess zu beeinflussen. Dazu aber gleich – im zuversichtlichen Teil meiner Ausführungen.

Auch die Rechtsprechung war uns in den letzten Jahren ganz überwiegend keine Hilfe, denken wir nur an den letzten traurigen Höhepunkt: das Urteil zur Suizidhilfe am 26. Februar 2020, jenen verhängnisvollen Aschermittwoch, an dem auch die Corona-Krise ihre Fahrt aufnahm. Kurz zuvor war die Sterbehilfe in Italien verabschiedet worden. Als gläubiger Mensch könnte man tatsächlich auf die Idee kommen, einmal über zeitliche Zusammenhänge nachzudenken.

Was wir von dem neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Stefan Harbarth erwarten können, vermag ich noch nicht zu beurteilen.

Und selbst wenn sich CDU und CSU zur vehementen Verteidigerin des Lebensrechts umwandeln und in diesen Fragen mit der AfD im Parlament eine gemeinsame Front bilden würden, sind die Mehrheitsverhältnisse derzeit so, dass sie nichts ausrichten könnten.

Einzig mögliches Korrektiv bleibt augenblicklich der Bundesrat, doch wir haben in diesem Jahr Landtagswahlen im Saarland noch in diesem Monat, dann in Schleswig Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Bis auf Niedersachsen stellt dort überall die CDU den Ministerpräsidenten. Und die Demoskopien sind dort überall durchwachsen derzeit. So könnte die lebensfeindliche Agenda ihre Mehrheit dann möglicherweise auch im Bundesrat zementieren, wenn die CDU diese Länder verlieren sollte. Bedenken wir das, wenn wir zur Wahl gehen.

Fazit: Wir haben es mit einer durchweg technokratischen Regierung zu tun, die nach Möglichkeiten der Durchsetzung des subjektiven Willens des Einzelnen sucht und dafür auch noch die Gesellschaft in Mithaftung nimmt, indem sie die Versicherten – die Solidargemeinschaft – das alles bezahlen lässt. Das Recht des Stärkeren steht über dem Recht des Schwächeren. Und es ist klar:

Die Regierung Scholz hat nicht im Mindesten die Absicht, den staatlichen Auftrag zum Lebensschutz zu erfüllen, den ihr unser Grundgesetz auferlegt! Leider ist sie im Bundestag bei diesen Themen mit einer veritablen Mehrheit ausgestattet. Der Bundesrat als Bremse könnte in Teilen helfen, ist aber ein Unsicherheitsfaktor aufgrund der bevorstehenden Wahlen.

Das ist die Skizze der politischen Situation, in die wir hineingestellt sind. Das klingt nicht gut. Das ist nicht gut. Es ist gefährlich, lebensgefährlich für all jene, die in unserer Gesellschaft nicht geschützt sind.

Was kann dem entgegengesetzt werden und vor allem wer setzt dem etwas entgegen?

Die Opposition haben wir gerade abgehandelt. Die Kirchen? Sie erweisen sich ganz offenbar nicht als die steinernen Türme, die wir so nötig bräuchten. Die katholische Kirche ist in selbstreferenziellen Prozessen gefangen und durch den grauenhaften Missbrauch, den die Medien zu ihrer weiteren Demontage geradezu begierig aufgreifen, dermaßen angeschlagen, dass es ähnlich wie in Irland zu werden droht und ihr künftig jegliche moralische Befähigung abgesprochen wird, sich zu ethisch-moralischen Fragen, insbesondere im Lebensrecht zu äußern.

In der evangelischen Kirche scheint mir das Spektrum der Meinungen in unseren Fragen inzwischen sehr breit zu sein. Also auch hier eine mehr als schwierige Lage.

Sie sehen, worauf ich hinsteuere. Wer bleibt? Wir. Es kommt auf uns an!

Denn wir müssen auch berücksichtigen, dass die Politik, die politische Debatte immer erst der Endpunkt ist. Ausrichtung und Orientierung brauchen wir deshalb schon im Vorfeld im gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Hier findet die eigentliche Weichenstellung statt, denn Politik versteht ihre Aufgabe in der Regel darin, das in Gesetze zu fassen, wofür es bereits eine Dynamik in der Bevölkerung gibt.

Das, was wir jetzt in konkretes politisches Handeln umgesetzt sehen, wurde über einen langen Zeitraum vorbereitet und mit Hilfe des außerpolitischen Armes in die gesellschaftliche Debatte getragen. Wer von Ihnen regelmäßig zum Marsch für das Leben fährt, der kennt die Gegendemonstranten, die uns alljährlich mit ihrer Anwesenheit zweifelhaft beglücken. Sie entstammen aus oder werden unterstützt von einer Gruppierung, die eng mit Linken, Grünen und SPD verzahnt ist: Dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung.

2013 – zunächst noch auf Berlin begrenzt – auf Initiative des Humanistischen Verbandes Deutschland formiert, besteht es aus ca. 30 Gruppen,  zu denen neben den üblichen Verdächtigen, wie ich sie nenne, wie etwa „pro Familia“ auch die Parteien des links-grünen Spektrums, also Grüne und Linke, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), Jusos und die Sozialistische Jugend die Falken gehören und auch Organisationen wie die AWO, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der DGB gehören dazu.

Sie nutzen das, um ihre Ideologie in die Gesellschaft zu tragen und entsprechende Debatten zu setzen. Dabei können sie sich auf die Unterstützung der meisten Medien verlassen. Die wesentlichen Forderungen des Bündnisses  sind unter anderem die sofortige Streichung der §§ 218 und 219a, die kostenfreie Verhütung und die kostenfreie Abgabe der „Pille danach“.  Diese Punkte waren schon in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand politischer Anträge und Kleiner Anfragen im Bundestag oder Länderparlamenten und finden sich nun im Koalitionsvertrag der Ampel als konkrete politische Projekte wieder.

Was können wir tun?

Wir müssen über unsere Arbeit nachdenken. Wir sollten uns keiner Illusion hingeben, es wird nicht bei den bereits erwähnten Zertifizierungen von Beratungsstellen bleiben, wie die Linke das z. B. fordert. Es wird nicht bei „gesetzlichen Maßnahmen“ gegen „Gehsteigbelästigungen“, wie es in der diskriminierenden Sprache der Abtreibungsbefürworter heißt, bleiben, die gerade im Zusammenhang mit der Abschaffung des Werbeverbotes gefordert werden. Es wird nicht bei Gegendemonstrationen zu unserem Marsch für das Leben bleiben.

Ich fürchte, man wird in den kommenden Jahren ganz andere Geschütze gegen unsere Bewegung auffahren, und auch gegen einzelne Personen. Denken wir nur an die Aktion gegen Prof. Paul Cullen (siehe Foto), den Vorsitzenden der Ärzte für das Leben, bei dem linke Studentengruppen in Münster – übrigens auch ein Ort, an dem das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung aktiv ist – versucht haben, ihn von seinem Lehrstuhl zu vertreiben.

Das macht also vor einzelnen Personen auch nicht halt. Man wird versuchen, die neu gewonnene Macht in der Gesetzgebung gegen uns in Stellung zu bringen. Wir sind schon jetzt größtenteils vom Diskurs ausgeschlossen. Wir können die Debatten derzeit nicht gewinnen. Man hat kein Interesse daran, mit uns zu diskutieren. Man will uns mundtot machen.

Denn: Wir haben die Wahrheit auf unserer Seite. Und diese wird sich durchsetzen irgendwann. Es sind Leute wie die Ärztin Kristina Hänel, die sogenannte Desinformation betreiben, wenn sie von der Entfernung von „Schwangerschaftsgewebe“ schreiben in ihren Werbeblättchen, die sie dann künftig verteilen dürfen. Und die andere Seite weiß das. Und wir müssen das aufbrechen. Wir müssen herausstellen, dass sie zu Lügen greifen müssen, um ihren Punkt zu machen. Das können wir aber nicht in Diskussionen mit der anderen Seite.

Wir müssen sprichwörtlich auf die Straße, andere Wege finden, unsere Informationen an die Menschen zu bringen. Das Agieren über unsere Verbände wird man erschweren und es ist auch nur eine Seite der Medaille. Jeder Einzelne von uns, an dem Platz, an den wir gestellt sind, kann konkret etwas tun: Reden und Schreiben. Das kann eine E-Mail sein an einen Politiker, einen Bischof. Eine, kein Massenmailing, mit dem auf einmal 2.000 Mails das Postfach verstopfen. Das macht die Leute ärgerlich und sie werden es nicht lesen.

Wenn der Abgeordnete Ihres Wahlkreises sich positiv zum Lebensrecht – z. B. zum Erhalt des §219a – äußert schreiben Sie ihm und danken Sie ihm für seine klaren Worte zum Lebensschutz. Das braucht keine große Abhandlung sein. Zwei, drei Sätze. Schreiben Sie ihm, dass Sie das nächstemal für ihn werben und ihn unterstützen, wenn er bei seiner klaren Position bleibt. Schreiben Sie einem Journalisten und bedanken Sie sich, wenn Sie etwas Gutes von ihm gelesen haben, teilen Sie ein oder zwei Gedanken dazu mit. Diese Leute können Unterstützung gebrauchen.

Schreiben Sie einen Leserbrief. Ich weiß, dass das viele bereits jetzt machen. Das ist nicht kompliziert. Sie müssen auch nicht alles vorher gelesen und studiert haben, was es zum Thema gibt. Vier, fünf Sätze, eine Schlussfolgerung. Und dann raus damit und am besten gleich in Kopie an den zuständigen Politiker.

Glauben Sie mir, das wird gelesen. Ich habe in den letzten 10 Jahre meines aktiven Berufslebens Beschwerdemanagement gemacht in einer Stabsstelle bei der Unternehmensführung. Und wir wissen, dass nach statistischen Berechnungen ein unzufriedener Kunde für 26 weitere unzufriedene Kunden steht, die wiederum mindestens 360 weitere Personen negativ beeinflussen. Sie sind Multiplikatoren für das schlechte Image. Das will jeder vermeiden.

Aber: Das geht auch anders herum, freilich in anderen Größenordnungen, weil eine negative Erfahrung immer schneller geteilt wird als eine gute. Aber steter Tropfen… Sie kennen das.

Es ist für Politiker und auch Bischöfe wichtig zu wissen, dass sie Unterstützung haben, dann wagen sie sich auch raus. Und wenn die Zeitung so etwas bekommt, weiß sie, dass 2.000 andere auch so denken, wie das in diesem Leserbrief steht. Solche Dinge haben manchmal eine größere Wirkung als wir uns das im Moment beim Schreiben vorstellen können. Sie können Meinungsbilder erzeugen, Leute zum Denken bringen. Wer die Leserbriefseiten in den Zeitungen liest, will ja wissen, welche Argumente es noch zu einem Thema gibt. Nutzen Sie die Kommentarfunktionen unter Artikeln im Internet.

Nutzen Sie die sozialen Medien. Posten Sie auf Facebook oder Twitter einen Kommentar oder etwas von einer der Internetseiten unserer Lebensrechtsorganisationen, verbreiten Sie zum Beispiel eine aktuelle Pressemeldung. Das sind zwei, drei Klicks und dann steht es da. Teilen Sie in den sozialen Medien gute Posts von anderen zu unseren Themen. Man nennt das „Reichweite schaffen“.

Wir haben gehört, dass 38 Millionen Menschen die sozialen Medien nutzen. Was für eine Chance! Nutzen Sie Hashtags wie „prolife“ oder „Lebensschutz“. Das geht schnell und braucht keine Vorbereitung. Niemand kann Sie zum Diskutieren von Details zwingen, wenn Sie sich nicht sattelfest fühlen. Bitten Sie vertrauenswürdige Kontakte um Hilfe in Diskussionen, machen sie andere aufmerksam. Wir müssen uns miteinander vernetzen, uns informieren, auch wenn wir vielleicht in anderen Punkten nicht miteinander konform sind.

Schaffen Sie sich einen E-Mail-Verteiler mit Ihrer Familie, Ihren Freunden und Bekannten, nehmen Sie Ihren kommunalen Vertreter, Ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten, den Europaabgeordneten, ihren Pfarrer und den Bischof mit in den Verteiler. Halten Sie die Leute mit Infos auf dem Laufenden. Nicht gerade mit 10 Mails pro Woche, aber in Abständen von 3 bis 4 Wochen. Es muss nicht einmal regelmäßig sein. Ich bin in einigen solcher Verteiler und bekomme oft sehr gute Informationen, die im Alltagsgeschäft einfach untergehen. Dafür bin ich immer dankbar.

Und Sie müssen auch das Rad nicht neu erfinden. Schreiben Sie ruhig ab aus den Pressemitteilungen oder Positionspapieren unserer Verbände! Zitieren Sie aus Fachaufsätzen, wenn Sie so etwas lesen. Dann hat sich die Mühe auch für uns gelohnt.

Und trauen Sie sich, wieder von Politik zu reden. Wir dürfen nicht schweigen zu dem, was da über uns gebracht werden soll.

Was ich sagen will, ist: wir müssen kreativ werden und versuchen, selbst einen öffentlichen Diskurs zu beginnen. Das fängt im Kleinen an. Und ja, das ist mühsam. Aber wir sind das zähe Bohren von dicken Brettern doch gewohnt. Die andere Seite hat kein Interesse an einer Diskussion mit uns. Deshalb fangen wir selbst eine an.

Und ich sage das nicht oft, weil das schnell ein bisschen fanatisch klingen kann. Aber: Wir haben die Wahrheit auf unserer Seite. Die andere Seite weiß, dass sie lügt und Fakten verdreht. Und sie wissen, dass wir das wissen. Und da müssen wir sie kriegen. Die Wahrheit wird sich durchsetzen irgendwann. Selbst wenn wir es vielleicht nicht mehr erreichen. Aber wir legen heute den Grundstein dafür.

Und schließlich: Wir haben den Einen auf unserer Seite, den Schöpfer allen Seins, der uns das Leben geschenkt und dieses Wunder Mensch gewirkt hat, mit allen Webfehlern, die jeder von uns hat. Aber dieses Wunder des Lebens und dass der Mensch doch was Tolles und Wunderbares ist, das man nicht einfach nach Belieben machen und zerstören darf, DAS  ist unsere Botschaft! Die wollen wir unter die Menschen bringen. Das Leben braucht Freunde! Und mit Gott an unserer Seite können wir den Kampf für das Gute, für den Menschen, für das Leben aufnehmen.

Auch wenn es schwer ist, wenn es uns ein paar Blessuren bringt. Der Einsatz für das Lebensrecht ist in den kommenden Jahren wichtiger denn je.

Wir befinden uns in einem Kulturkampf – und zwar weltweit – und es kommt auf jeden Einzelnen von uns an, dass wir uns dem entgegenstellen. Ich bin sicher: Wir werden den längeren Atem haben. We shall overcome!

Dazu müssen wir uns nur die großen Lebensrechtskundgebungen wie den March for Life in Washington D. C. und unseren Marsch für das Leben ansehen, die vielen jungen Menschen und jungen Familien dort. Aber wir müssen eben auch stärker die politischen und kirchlichen Vertreter über diese Dinge informieren. Es geht um nichts weniger, als unser Land und im Grunde ganz Europa vor dem Verfall in eine Wegwerfgesellschaft und vor der Durchsetzung einer kranken und menschenverachtenden Ideologie, die wieder einmal den „neuen Menschen“ schaffen will, zu bewahren.

Es gibt kein Menschenrecht auf Abtreibung. Es gibt kein Menschenrecht auf Suizid. Und es gibt ganz bestimmt kein Frauenrecht auf Sex ohne Konsequenzen. Aber es gibt ein Menschenrecht auf Leben! Und das müssen wir wieder stärker in das Bewusstsein der Menschen transportieren.

Nicht einfach, aber machbar. Und es erfordert ein bisschen Mut. Aufgeben ist nicht unsere Option. Im Übrigen gilt: Zum Aufgeben ist es immer zu früh.  

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Kommentare

6 Antworten

  1. Zuerst töten sie die Ungeborenen (legal). Später töten sie die Alten (legal), die schon seit Jahren von unseren superreichen Welttyrannen als NUTZLOSE
    ESSER bezeichnet werden. Ach, aber die NUTZLOSEN Geldscheffler sollen
    weiterleben? Und diese dürfen 100 Jahre alt werden?

  2. Schade, dass Frau Wenzel noch nicht wahrgenommen hat, dass am Samstag, den 19. März der zweite Münchner Marsch fürs Leben stattfindet! Sie hätte auch dafür werben sollen. Wie sie selbst im Vortrag sagt: Es braucht Lebensrechts-Initiativen mehr denn je – auch neue. Es gibt jetzt eben zwei große Märsche in Deutschland, damit umso mehr Menschen, auch engagierte Familien mit Kindern und Behinderte und Ältere, auch aus Süddeutschland sich der Lebensrechtsbewegung aktiv anschließen können. Nur so werden wir eine breitere Wahrnehmung bekommen, nur so werden wir etwas mehr erreichen können. Wenn man die – völlig richtigen – düsteren Prognosen in Frau Wenzels Vortrag sieht, dann erkennt man die Wichtigkeit der gegenseitigen Unterstützung und Werbung für die Märsche. Aber für b e i d e Demos, nicht nur für den Berliner Marsch! Natürlich muss sich die Teilnehmerzahl in München erst richtig weiterentwickeln, aber das wird sie ganz sicher! Der Münchner Marsch ist ein junger Marsch – mit einem jungen Auftreten in unserer Weltstadt mit Herz – einem Herz hoffentlich auch für die Ungeborenen. Kommen Sie alle aus Bayern mit den Bayerntickets am Josefstag nach München! Machen Sie sich einen Frühlingstag in unserer Weltstadt! 15 Uhr Königsplatz, kurze Statements, 45 min Marsch durch die Starßen, Rückkehr zum Königsplatz und 15 Uhr Schlußkundgebung in den Farben der Ukraine: BLAU UND GELB – Für das Lebensrecht und die Freiheit aller Menschen, der geborenen wie der ungeborenen!

    1. Doch, doch, den habe ich und auch CDL wahrgenommen. Unser Landesverband in Bayern unterstützt den Marsch doch auch. Und wir haben über unseren E-Mail-Verteiler dafür schon geworben. Und auch die NkF hat ihre Mitglieder informiert.
      Und auch beim TCLG hat man die Teilnehmer darauf aufmerksam gemacht.
      Ich kann leider am kommenden Samstag nicht dabei sein, bin aber im Gebet mit Ihnen verbunden. Viel Erfolg und Gottes Segen!

      1. Guten Tag,
        ich kann dies von A – Z bestätigen:
        1. Die Mails pro München-Marsch habe ich von der CDL auch erhalten.
        2. Beim TCLG hat Frau Linder in ihrem Vortrag nicht nur mündlich darauf hingewiesen, der Termin stand groß auf der Leinwand neben weiteren Veranstaltungen.
        Freundlichen Gruß
        Felizitas Küble

  3. Es ist doch eigentlich ganz einfach:

    Gott gibt das Leben und Gott nimmt das Leben, es ist seine Schöpfung. Punkt.

    Warum müsen wir die Empfängnis beeinflussen, warum müssen wir Gene verändern, warum müssen wir Embrios töten, warum müssen wir in Kriegen töten, warum müssen wir uns selbst umbringen, warum brauchen wir Sterbehilfe und warum müssen wir Menschen quälen und mit Maschinen am Leben halten, warum kann ein Mensch nicht in Frieden leben und warum kann er nicht in Frieden sterben ?

    Wir beten doch „DEIN Wille geschehe“
    Haben das alle vergessen ???

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