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Wie gelingt ehrenamtliche Internetberatung für Frauen in Schwangerschaftskonflikten?

Von Cordula Mohr

Als aktive Familienmutter und Lebensrechtlerin (ich bin Vorsitzende der „Aktion Lebensrecht für Alle“ in Nordmünsterland und Mitglied im Landesvorstand der CDL in NRW) ist es mir seit langem wichtig, alle Chancen zu nutzen, um Schwangere in Not für ein Leben mit ihrem Kind zu gewinnen.
CORDULA MOHRDies gelingt teils durch direkte persönliche Kontakte, aber durchaus auch mit den neuen Möglichkeiten des Internet. Seit sechs Jahren bin ich auf diversen Frauenforen im Netz unterwegs, um die vielfältigen Konfliktsituationen von Schwangeren kennenzulernen.
Für diesen Zweck ist die Webseite „go feminin“ besonders geeignet: Dort reagieren sowohl Lebensrechtler als auch Abtreibungsbefürworter auf die Stellungnahmen der Ratsuchenden. Täglich melden sich ca. 5 bis 10 Frauen. In der Zeit nach Karneval und nach den Urlaubsmonaten ist die Zahl höher.
Es wird heftig diskutiert und die Beraterin benötigt einen festen Standpunkt und zudem gute Nerven. Damals im Jahr 2010 wurden viele Beleidigungen seitens der Abtreibungsbefürworter ins Forum gestellt. Mittlerweile ist der Umgangston dort angenehmer geworden. Trotzdem ist die abtreibungsfreundliche Organisation „Pro familia“ dort weiter mit ihren Beraterinnen zugange. Es gibt weitere Internet-Foren ähnlicher Art etwa bei „Eltern.de“. Bei „Ausweg Pforzheim“ oder „Pro femina“ wird zwar erfreulicherweise pro Lebensrecht beraten, aber es melden sich dort nicht viele schwangere Frauen.
Wie ist solch ein Internetforum aufgebaut?
Man besucht erst die Startseite, z.B „go feminin“, dann geht es in die Rubrik „Schwangerschaft“. Dort gibt es eine Unterrubrik mit dem Begriff Abtreibung bzw. Schwangerschaftsabbruch. Der verharmlosende Ausdruck „Abbruch“ wurde wohl von der Gegenseite eingeführt. Wenn man in den Foren online ist, kann man mitberaten. Man überlegt sich vorher zur Anmeldung einen sog. Nicknamen, also ein Fantasiewort.
Cordula und Almut an unserem InfostandEiner Ratsuchenden kann man auch eine persönliche Nachricht mitteilen. Diese können die anderen Schreiber nicht lesen und sie landet im persönlichen Internet-Postfach der Schwangeren.
BILD: Cordula und Almut  – eine evangelische Leserin –  beim Glaubenskongreß in Fulda an unserem Infostand
Auf diesem Wege hatte ich schon mit mehreren Frauen direkten Mailkontakt, was natürlich der beste Weg ist. Dann wird man von den Hilfesuchenden als Beraterin akzeptiert. Dabei kann man sie auf die problematische Einstellung der Gegenseite hinweisen. Jene Frauen, die ich dort auf diese Weise direkt beraten konnte, haben alle ihr Kind ausgetragen.
 
Anfangs wurde ich oft in zermürbende Diskussionen mit Abtreibungsbefürwortern verwickelt. Die Schwangeren finden durch solches Hin und Her aber wenig Hilfe für sich. Man muss also gut aufpassen, dass man sich nicht in Endlos-Debatten verzettelt.

Schwangerschaftskonflikte aus der Praxis

Wie sehen die Probleme der Hilfesuchenden aus? Was wird geschrieben? Ich beschreibe einige klassische Schwangerenkonflikte mit ihrem Ausgang:
Bei meiner ehrenamtlichen Beratung kann ich aus dem Schatz meiner eigenen Erfahrungen schöpfen. Ich habe ich eine behinderte Tochter, erlebte zudem eine Frühschwangerschaft und eine dritte überraschende  Schwangerschaft mit 36 Jahren.
Hier folgt ein typisches Beispiel für Trisomie 21 (Down-Syndrom) aus dem Forum „Eltern.de“: images (2)

Der Arzt stellt per Ultraschall bei einem ungeborenen Kind eine 3 mm dicke Nackenfalte fest. Die Verunsicherung bei der Schwangeren ist damit bereits angestoßen. Der Arzt führt einen Praenatest (nicht-invasiver Bluttest zur Erkennung von Down Syndrom und anderen Behinderungen) durch; er schließt Trisomie 18 aus, aber Trisomie 21 sei möglich, so das Ergebnis. Er schickt die Frau zu einem Facharzt. Auch dieser vermutet Tri 21. Er empfiehlt eine Punktion, um dadurch weitere 35 mögliche Behinderungen abzuchecken.
Die Schwangere schreibt auf „Eltern.de“ dazu folgendes:
 „Ich weiß ja gar nicht, worum es hier überhaupt gehen könnte. Und das veranlasst mich dazu, eine Punktion machen zu lassen, um auszuschließen, dass überhaupt etwas vorliegt. Oder aber, um zu wissen, womit wir es zu tun haben, um eine Entscheidung zu treffen.
Ein schwer behindertes Kind wäre ein Grund, um über einen Abbruch nachzudenken. Das trauen wir uns und unserer Tochter nicht zu. Ich bin ein absoluter Kopfmensch, der sich stets Gedanken um alles Mögliche macht. Wie soll ich da 6. Monate Ungewissheit überstehen?“

Daraufhin meldet sich eine Ärztin beruhigend und ermutigend; sie erwähnt ihr medizinisches Wissen. Auch eine andere Beraterin schreibt recht einfühlsam. Es gehört in solchen Situationen sehr viel Empathie dazu. Also fragte jene Beraterin: „Welche schwer behinderten Kinder würden dich zur Abtreibung bewegen?“
Somit weiß man, mit welchen „Schockergebnissen“ diese Familie nicht fertig werden würde, so dass bereits eine Art Vorberatung stattfindet.A.L.Content_Was_wir_wollen
In diesem Fall schrieb die Schwangere kurze Zeit darauf:
„Die Fruchtwasseruntersuchung verlief komplikationslos. Der Arzt machte nochmal einen Ultraschall und kommentierte in Richtung Ungeborenes: „Hättest du dich doch beim letzten Mal so gezeigt.“ –  Die breite Nackenfalte wie auch die Halszyste waren verschwunden. Der Schnelltest war dann unauffällig. Das Endergebnis kam am Sylvestertag: ein strukturell und numerisch unauffälliger Chromosomensatz.“
Die Erleichterung der überglücklichen Frau kann sich keiner vorstellen. Wie wir wissen, gehen weit über 90% der Schwangeren im Falle von Trisomie zur Abtreibung. Ich selbst konnte noch kein ungeborenes Down-Syndrom-Kind retten. Zwei Frauen hätte ich gerne beraten, aber es wurde mir verwehrt, weil die Zeitspanne äußert knapp war. Sie wollten deshalb keine Beratungen mehr und haben ihr Baby abgetrieben. Zudem waren es beides Mal Angehörige jener Frau, die nach Hilfe suchten, so dass wir die Betroffenen selber nicht ansprechen konnten.

„Dem Abtreiber vom Stuhl gesprungen“

Ein weiterer Thread war Anfang August dieses Jahres im Netz, Nickname „Dorfkind 79“. Die Autorin schrieb:shutterstock_114300748-140x94
„Ich bin schwanger von einem Mann, weil wir beide die Verhütung schleifen ließen. Als ich den Test machte und beim Frauenarzt die Gewissheit bekam, drehte sich mein Gedankenkarussell unaufhörlich. Ich habe bereits ein Kind und arbeite unbefristet in der Pflege. Bin Ende 30 und zufrieden mit meinem Leben. Letzte Woche Donnerstag hatte ich einen OP-Termin für den Abbruch. Ich war dort und lag bereits im Vorraum und wurde in den OP gebracht. Auf dem Stuhl liegend, fast die Narkose bekommend, bekam ich Panik und sagte: Ich möchte das nicht.

Der Abbruch wurde nicht durchgeführt. Am Freitag fragte mein Freund nach. Ich sagte: Ich habe es nicht getan. Er bombardierte mich sofort mit drohenden, beleidigenden Nachrichten über Whatts up. Seitdem habe ich Zweifel an der Entscheidung: war es richtig, war es falsch?
Zu seiner Person: er ist seit Anfang September geschieden und hat bereits drei Kinder. Von denen schickte er mir Bilder mit der Aussage, ihr Leben zerstöre ich auch damit, wenn ich das Kind behalte. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“
Dieser Konflikt ist ein klassisches Beispiel: Der Vater oder die Mutter hat schon Kinder und lebt in einer zweiten Beziehung. Einer von beiden, oftmals der Vater, möchte das Baby nicht haben.
Ich schrieb dem „Dorfkind 79“ folgendes zurück.
„Liebes Dorfkind, für mich bist du eine Heldin, Du bist dem Abtreiber vor der Nase vom Stuhl gesprungen. Da hast du noch eine wichtige Botschaft an ihn gesendet.
Ich bitte dich, nicht noch einmal umzuentscheiden. Das schafft man nicht. Einmal entschieden und nun schau nach vorne mit deinem Kind. Dein erstes Kind bekommt ein Geschwisterchen. Den Vater würde ich zunächst links liegen lassen, weil er dich bedroht und dir einreden möchte, dass du auch andere Leben zerstörst. Es ist Unsinn. DSC_0048

Diese Kinder bekommen ein Halbgeschwisterchen und können sich darüber freuen. Bei den meisten Kindern ist es so. Finanziell kannst du Hilfe in Anspruch nehmen. Hier ist eine Telefonnummer von Vita L. 0800-3699963
Ganz viel Freude in der Schwangerschaft und mit deinem Kind. Ich freue mich riesig mit dir. Schreib ruhig, wie es dir ergangen ist.“
Viele weitere Schreiber/innen machten der Schwangeren in diesem Sinne Mut.
Was sehr schön ist, dass auf dem Forum „gofeminin“ ein Mann ganz in unserem Sinne postet. Er gibt den Schwangeren gute Ratschläge und schreibt aus der Sicht eines Mannes. Er kennt sich auch gut mit der Gesetzeslage aus, und er verheimlicht es nicht, ein Mann zu sein.
Die Schwangere bedankte sich kurz für die ermutigenden Antworten. Danach kamen keine weiteren Nachrichten von ihr. In solchen Fällen müssen wir alles Weitere offenlassen und können nur hoffen und beten.

„Ich verurteile mich selbst und bekomme kaum noch Luft“

Manchmal kommen nach einer Entbindung erfreuliche Nachrichten von den Müttern, die glücklich sind, ihr Baby bekommen zu haben. In meiner ganzen Zeit als Beraterin erlebte ich noch nie eine Mutter, die ihr JA zum Kind bereut hätte. marsch_2013_photo_dv_447_m

Andersherum habe ich es häufiger gehört und gelesen. Besonders in den Internet-Foren berichten Mütter bedrückt von der Tötung ihres Kindes. Täglich schreiben mehrere Frauen, wie leid es ihnen tut  –  und sie erwähnen manchmal auch körperliche Auswirkungen, so wie in dem folgenden Beispiel vom 18. September diesen Jahres. „Celina 0174“ schrieb:
„Mein Name ist Celina und ich musste mein Kind gegen Ende des 3 Monats abtreiben lassen. Ich bin noch nicht bereit, für ein Kind zu sorgen und hätte dem Kind auch nichts bieten können. Das Geld ist knapp und ich steh am Anfang meines Studiums. Da hat es sich gezeigt, dass die Pille nicht 100% schützt.
Meine Ärztin hat mich toll unterstützt und sie ist immer für mich erreichbar. Am Dienstag 13.9 wurde meine Schwangerschaft mit einer OP entfernt.“
Man bedenke die beschönigende Wortwahl „OP“ für Abtreibung und „Schwangerschaftsentfernung“, als handle es sich um etwas Schädliches. Besonders zynische Mädchen bezeichnen das ungeborene Kind im Netz sogar niveaulos als „Erdnuss“.
Nun geht es weiter mit jener „Celina“ nach der Abtreibung:
„Als ich aufwachte, musste ich sofort weinen, da mir gleich klar war, dass mein Kind weg ist. Nach einiger Zeit beruhigte ich mich und durfte nach Hause gehen. Die Blutung ist noch sehr stark und ich habe schlimme Schmerzen. Jedes Mal, wenn ich das Blut sehe, muss ich weinen, dabei verurteile ich mich selbst und bekomme kaum noch Luft. Manchmal würde ich am liebsten sterben und dem Leid ein Ende setzen.
Ich kann kaum darüber sprechen und deswegen rede ich kaum noch. Während der Schwangerschaft hatte ich viel Hunger, doch jetzt bekomme ich kaum einen Bissen runter. Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel sehe, breche ich zusammen und weine. Vor dem Abbruch hätte ich niemals gedacht, dass die Folgen so überwältigend und ermüdend sein können.“
Ich schrieb ihr dann zurück: iStock_000014086034XSmall

„Es hört sich gar nicht gut an, was du schreibst . Du bist in tiefer Trauer um dein Kind. Ich empfehle dir, professionelle Hilfe zu holen. z.B. Rahel e.V. oder Kaleb.“
Ich beschrieb kurz die Arbeit dieser Lebensrechtsvereine.
Am Schluss erwähnte ich noch, dass ich ihr die Befreiung durch Gott wünsche Darauf meldete sich Celina: „Danke für deine Nachricht. Ich werde im Netz nach Hilfe suchen. Glaubst du, kann Gott es jemals verzeihen?“
Dann schrieb ich ihr eine persönliche Nachricht, die nur Celina lesen konnte, wonach Gott ihr bei echter Reue verzeihen werde und fragte noch, ob sie katholisch oder evangelisch sei. Sie hat aber nicht mehr darauf reagiert. Ich hoffe, das Celina sich fängt und einen Weg findet aus ihren Selbstmordgedanken heraus.
Um solch ein Schicksal innerlich abgeben zu können (es läuft nun einmal immer anonym ab), gehe ich gerne für diese Frauen, die sich in den Foren melden, in unsere Kirche zum liturgischen Morgengebet. Dort ist ein Priester und mehrere Gläubige, die nach den Laudes Fürbitten zu persönlichen Anliegen vor Gott bringen. Somit bleibt die anonyme Beziehung länger vorhanden und ist nicht so abgebrochen und ungewiss.
Es ist wichtig, dass in den Internetforen einfühlsam mit den Frauen umgegangen wird. Zudem kann es hilfreich sein, deren oftmals jugendliche Sprache zu verwenden. Die professionellen Berater schreiben sicherlich korrekt, doch sie geben ihre Ratschläge im typischen Stil der Pädagogen.
Jedoch fällt auf, dass die Frauen sich in den Antworten ihre persönlichen Berater suchen. Oftmals ehrenamtliche, aber erfahrene Berater wie ich oder gleichgesinnte Altersgenossen, die in derselben Lage sind. Diese bauen dann regelrecht Freundschaften auf. Es ist mir eine Freude, mitzuerleben, wie viele Frauen trotz Schwierigkeiten ihr Kind bekommen und darüber sehr glücklich sind.
Unsere Autorin Cordula Mohr wohnt in Rheine (Münsterland), ihre Mail: cordulamohr@gmx.de

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