Von Felizitas Küble
Seit Jahrzehnten kenne und schätze ich Dr. Christian Gnilka, Professor Emeritus für Klassische Philologie (alte Sprachen) an der Universität Münster, teils durch Vorträge (siehe Titelbild), teils durch unseren Kirchgang nach St. Aegidii mit der Feier der „alten Messe“ in Münster.
Wir sprachen danach öfter miteinander, zuletzt noch vorigen Monat. Früher war auch seine Frau Dagmar manchmal dabei, als es ihr gesundheitlich noch besser ging.
Nachdem ich den 88-jährige Lateinprofessor noch vor wenigen Wochen traf, überraschte mich die Nachricht von seinem Tod am 2. März 2025 umso mehr. Die Beerdigung ist am Mittwoch, dem 12. März in Albersloh bei Münster (14,30 Uhr ab der Friedhofskapelle). Danach wird für ihn das Seelenamt in der Sankt-Ludgerus-Kirche zelebriert. 
Prof. Gnilka war immer freundlich und bescheiden in seinen Umgangsformen. Auch seine Glaubenfestigkeit und theologische Kompetenz war enorm.
Er hat mich mehrfach zu sich nach Hause eingeladen. In seinem Landhaus zwischen Münster und Albersloh tauschten wir Literatur aus und sprachen über kirchliche Ereignisse.
Die Familie hat in die Traueranzeige ein nachdenkliches Gedicht des bekannten schlesischen Dichters Joseph Eichendorff gesetzt: „Lass nur die Wetter wogen…“ (siehe rechts).
Das kommt nicht von ungefähr, denn Christian Gnilka ist am 20. Dezember 1936 in Niederschlesien geboren – und zwar im Eulengebirge (Landkreis Reichenbach).
Seine schlesische Herkunft und Heimat war ihm immer wichtig, er hat manchmal auch mit mir darüber gesprochen. Besonders beeindruckt hat ihn die Biographie des katholischen Kirchenrechtlers Prof. Dr. Georg May, denn er stammt ebenfalls aus Niederschlesien (in diesem Fall aus Breslau) – Siehe hierzu die Rezension seines Neffen Thomas May: https://christlichesforum.info/der-lebensweg-des-kirchenrechtlers-georg-may-bewegt-durch-sein-glaubenszeugnis/
In der Zeitschrift „Theologisches“ erschien im Frühjahr 2023 mein Bericht über eine Rede von Prof. Gnilka mit philosophischem Tiefgang anläßlich einer Jubiläumsveranstaltung für die klassische Liturgie in Münster.
Den ersten Teil haben wir bereits in unserem Blog veröffentlicht. Wir dokumentieren hier nun den zweiten Teil des Artikels über den Inhalt seines Referats vom 22. Januar 2023 im Hansahof.
Sein Vortrag trug den poetisch klingenden Titel: „Luft und Sternenschein, Meer, Land und Regen“: 
Es ging dabei um die bereits in der vorchristlichen Antike präsente, vor allem in der stoischen Philosophie vertretene Ethik eines „Naturrechts“ (ius naturale), wonach die allgemeinen Güter bzw. Gaben der Natur grundsätzlich der Gemeinschaft aller Menschen zur Verfügung stehen müssen, den Ungerechten ebenso wie den Gerechten, den Undankbaren ebenso wie den Dankbaren.
FOTOS: Professor Gnilka bei seinem Vortrag in Münster über das Naturrecht in Antike und Christentum
Nach römischem Recht sind Luft, fließendes Wasser, Meer und Meeresküsten Gemeingut aller Menschen (communia).
Dieses Gleichheitsprinzip gründe in der Vernunftnatur des Menschen (Logos), erläuterte der Fachmann für Antike und Christentum. Die stoische Ethik gab also dem „ius naturale“ eine philosophische Begründung: Die Menschen bilden eine Gemeinschaft, die auf der allen Menschen gemeinsamen Vernunft beruht.
Aus dem stoischen Grundsatz eines naturgemäßen Lebens ergibt sich die Frage, ob man allen Menschen ohne Unterschied Gutes erweisen soll – so wie die Natur allen Menschen die gemeinsamen Lebensgrundlagen bietet. Soll man also dem Beispiel der Natur folgen und etwa auch den Undankbaren Wohltaten gewähren? Dies wurde in der Stoa negativ beantwortet.
Der römische Schriftsteller Seneca erläutert das Unvermögen der Natur, die Menschen zu unterscheiden; sie kann Gutes und Schlechtes nicht trennen, nur deshalb gibt es die „communia“. Hierin ist die stoische Philosophie also von ihrem Grundsatz „secundum naturam vivere“ (gemäß dem Beispiel der Natur leben) abgewichen. 
Bereits im Alten Bund war die naturrechtliche Ethik grundgelegt, wenn es etwa in Psalm 145,9 heißt: „Der HERR ist gut gegen alle, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.“
Diese Aussage wird von Christus in der Bergpredigt stark verdeutlicht bzw. anschaulicher ausgedrückt: „Der HERR lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45).
Es handelt sich somit um ein stehendes Prinzip biblischer Naturrechtsethik, die einen qualitativen Sprung beinhaltet. In der Hl. Schrift wurde eindeutig das Vorbild des transzendenten Schöpfers als Basis für den Respekt vor seiner Naturordnung verkündet.
Professor Gnilka sprach die „sinnfällige Ähnlichkeit“ der jeweiligen Lehren an und resümierte, die Stoa „war der Wahrheit ähnlich, aber doch nicht die Wahrheit selbst“. Im antiken Ethos seien „keimhafte Elemente“ des Wahren, Schönen und Guten enthalten gewesen, was auch bereits die frühe kirchliche Theologie erkannt habe.
Der Märtyrerbischof Cyprian von Karthago habe den Christgläubigen Gottes Freigebigkeit für alle Menschen (communis) in seinen Naturgaben als Vorbild für die eigene Mildtätigkeit und Großzügigkeit vor Augen geführt. 
Dadurch würden, so der Referent weiter, die sittlichen Unterschiede zwischen den Menschen keineswegs aufgehoben, denn gerade im Kontext dieses naturrechtlichen Denkens gibt es sowohl „Gerechte“ wie „Ungerechte“. Auch die Tugend der Feindesliebe setzt logisch voraus, daß es tatsächlich “Feinde“ bzw. Verfolger gibt. Die Gewährung der gemeinsamen Lebensgrundlagen macht also die Menschen in moralischer und religiöser Hinsicht nicht gleich.
Zugleich hat das Christentum das Menschenbild und Naturrecht tiefer begründet als die antike Philosophie.
Es verkündete die Existenz des einen Gottes inmitten der damaligen Welt des Götterkultes. Die Gleichheit der Menschen vor Gott und in ihrer Benutzung der Lebensgrundlagen wurde auch im Hinblick auf den allgemeinen Heilswillen des Schöpfers, der alle Menschen umfaßt, verstanden. Die Ungleichheit im moralischen Verhalten wird damit nicht geleugnet, sondern vorausgesetzt.
Zur berühmten Rede des Präfekten Symmachus
Im Geisteskampf der Spätantike wurde jedoch der Versuch unternommen, eine falsche Schlußfolgerung zu ziehen, wonach die Gemeinsamkeit der Lebensgrundlagen die Unterschiede zwischen den Religionen belanglos erscheinen lasse. Prof. Gnilka kam dabei auf die bekannte und brillante Rede des römischen Stadtpräfekten Quintus Aurelius Symmachus zu sprechen. 
Der ca. 345 n. Chr. geborene Senator war ein entschiedener Vertreter des damals bereits sterbenden Heidentums. Nachdem Kaiser Constantius II. den Altar der Siegesgöttin Victoria aus dem Senatsgebäude entfernen ließ, setzte sich Symmachus energisch für seine Wiederaufstellung ein, scheiterte aber mit seinem Anliegen in einem bereits christlich geprägten Reich. Zudem hatte ihm Bischof Ambrosius von Mailand öffentlich deutlich widersprochen.
Die rhetorisch gelungene Rede von Symmachus zugunsten der römischen Götterkulte blieb dennoch nicht ohne Wirkung, vor allem unter Historikern, Philosophen und Theologen. Gnilka führt dies nicht zuletzt darauf zurück, daß seine Ausführungen „schön und vage zugleich“ seien, daß sie den üblichen Denkgewohnheiten schmeicheln, sich als logisch präsentieren und daher leicht Begeisterung zu erwecken vermögen.
Besonders oft zitiert werde dabei eine Gedankenverbindung aus der lateinischen Rede des Stadtpräfekten, die Gnilka wie folgt übersetzte: 
„Es ist billig, all das, was Menschen verehren, für ein und dasselbe zu halten. Zu denselben Sternen schauen wir empor, gemeinsam ist uns der Himmel, dasselbe Weltall umhüllt uns: Was macht es für einen Unterschied, nach welcher Lehre ein jeder nach der Wahrheit sucht? Auf einem einzigen Wege kann man nicht zu einem so erhabenen Geheimnis gelangen.“
Dieses wohldurchdachte Plädoyer geht über eine bloße „Toleranz“ hinaus und befürwortet eine inhaltliche Relativierung, letztlich einen religionsvermischenden Synkretismus.
Es besticht durch eine (schein)logische Verknüpfung von Denkvoraussetzung und Schlußfolgerung. Zunächst hat der Redner recht mit seinem – auch vom Christentum vertretenen – Rückgriff auf das Naturrecht.
Doch sein Fazit „Was macht es für einen Unterschied, nach welcher Lehre jeder nach der Wahrheit sucht“ erweist sich als gedanklicher Kurzschluß.
Synkretismus von damals bleibt heute aktuell
Der große christliche Dichter Prudentius hat sich 20 Jahre danach eingehender als der damalige Zeitzeuge Bischof Ambrosius mit der Symmachus-Rede befaßt. Er betonte, daß zwar die Schöpfungsordnung auf Gott zurückgeht, daß der Allmächtige aber weit über der Natur stehe. Er legte den biblischen Gebrauch der Gerechtigkeit zugrunde, wobei Gott einst der Richter am Ende der Zeiten sein werde. 
Die synkretistische Position des Präfekten Symmachus sei heute aktueller denn je, erläuterte der Vortragsredner weiter und verwies als Beispiel auf ein Bild zum „Welttag des Friedens“ von 1988.
Er verwies auf das diesbezügliche Plakat (siehe Foto) und verteilte einige Exemplare unter die Anwesenden:
Das Gemälde zeigt oben eine gelbe Sonne, darunter die Symbole verschiedener Weltreligionen einschließlich des Animismus mit seinen naturmagischen Kulten. Unter dieser Zeichnung tanzen Menschen miteinander in ausgelassener und fröhlicher Stimmung.
Es soll somit die Gemeinsamkeit der Anhänger verschiedener Religionen versinnbildlicht werden. Hier zeigt sich erneut die starke suggestive Macht von Bildern und Symbolen.
Zugleich sei erkennbar, daß „alte Texte“ keineswegs immer nur historisch interessant sind. Die Gläubigen seien auch heute dazu aufgerufen, sich – wie damals Prudentius – gewissenhaft mit religionsvermischenden Tendenzen im Sinne eines Symmachus auseinanderzusetzen.
Dabei ergehe ein Aufruf zur Entscheidung, denn es gäbe keinen „Mittelweg“ zwischen Pantheismus und Kirche.
Nach diesem Vortrag erfolgte anhaltender Beifall, danach gab es einige Fragen aus dem Zuhörerkreis, die sich z. B. auf Aspekte der frühchristlichen Apologetik, auf die Renaissance als Wiederbelebung des antiken Denk- und Lebensgefühls sowie auf Luthers Stellung zur Philosophie bezogen.
Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt.





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6 Antworten
Ein ganz Großer….. und heute haben wir die Unter-Gebildeten, die CDU-Schawan mit ihren Quoten an die Unis gebracht hat.
Ein wunderschönes Gedicht von Eichendorff. Ausgefallen schön für eine Trauerkarte.
Möge der Verstorbene in Frieden ruhen!
Der Apostel Paulus zitierte in seiner Areopag-Rede im Neuen Testament der Bibel auf dem Areopag in Athen die beiden stoischen Dichter und Philosophen Aratos (zum höchsten Gott) und Kleanthes (zum göttlichen LOGOS, bei ihm die „Weltseele“ und „Weltvernunft“). Dieser Logos der Stoiker war bei ihnen das natürliche vernünftige göttliche Weltgesetz und die allgemeine natürliche vernünftige harmonische göttliche Schöpfungsordnung des Kosmos.
https://static.uni-graz.at/fileadmin/kath-institute/Neues-Testament/Apg17_28.pdf
Die Apostelgeschichte, Kapitel 17
https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/apg17.html
Apg 17,28 „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art.“
Justin der Märtyrer knüpfte mit seiner Logos-Theologie an dieses Zitat des Apostels Paulus (neben dem Logos-Begriff des Johannes-Evangeliums im NT und der „Weisheitsliteratur“ des alten Testamentes) an, der Heilige Irenaeus von Lyon übernahm dessen Logos-Theologie von ihm und erweiterte sie noch.
Der Heilige Irenaeus von Lyon zählte auch noch den 1. Clemensbrief und den Hirtenbrief des Hermas zum Bibel-Kanon des Neuen Testamentes der Bibel hinzu.
Erwähnenswert wäre auch noch der jüdische Theologe Philo(n) von Alexandria.
Clemens von Alexandria nimmt in den Stromateis sehr ausführlich auf ihn Bezug.
Eusebius erörtert die Frage nach den Therapeuten in Philons Vita Contemplativa und zitiert aus verlorenen Schriften Philons in der Praeparatio Evangelica.
Auch Origenes, Gregor von Nyssa, Ambrosius von Mailand, Hieronymus und Augustinus hatten ihm vieles zu verdanken, besonders die allegorische Bibelauslegung.
Es ist traurig, wenn große Menschen mit tiefen Einsichten, die für die ganze Menschheit wichtig sind, uns verlassen.
Wenn ich diese Zusammenfassung der Rede von Prof. Gnilka lese, denke ich an Prof. Larry Siedentop und Prof.Rodney Stark, die uns leider auch vor nicht allzu langer Zeit verlassen haben.
Sie hatten auch ihr Leben der Arbeit gewidmet, die unverzichtbare Bedeutung des christlichen Welt- und Menschenbildes für die Entstehung und den Erhalt von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aus den Perspektiven ihrer jeweiligen Wissenschaft(en) nachzuweisen.
Leider blieben sie in Deutschland relativ unbekannt. Auch die EU wollte auf Berater Larry Siedentop nicht hören.
Aber wir sehen aktuell in den realistischen Internet-Recherchen und –Nachrichten, wie wichtig der verinnerlichte und praktizierte christliche Glauben bei möglichst vielen Menschen jetzt wäre, um den weltweiten Betrug aufzudecken und Totalitarismus und Weltkrieg zu vermeiden.
https://www.youtube.com/watch?v=WE3nmB51E8c
Ernst Wolff: Das Finanzsystem ist reiner Betrug
TE Hahne Abwärts mit der Hochstapler-CDU
https://de.search.yahoo.com/yhs/search?hspart=trp&hsimp=yhs-005&type=Y149_F163_202167_081020&p=TE+Hahne+Abw%C3%A4rts+mit+der+Hochstapler-CDU
Weidel lässt den EURO-Betrug an deutscher Bevölkerung endgültig auffliegen:
https://de.video.search.yahoo.com/yhs/search?fr=yhs-trp-005&ei=UTF-8&hsimp=yhs-005&hspart=trp&p=Weidel+l%C3%A4sst+den+EURO+Betrug+an+der+deutschen+Bev%C3%B6lkerung+endg%C3%BCltig+auffliegen%21&type=Y149_F163_202167_081020#id=1&vid=339394b5567d0d1954f60e87c3a236ca&action=click
https://www.youtube.com/watch?v=_GJZZCKqhyU
Schockmeldung für Merz: Es ist aus!
https://www.youtube.com/watch?v=l3eDtEhoSZk
Krall + Bubeck: 900 Mrd. neue Schulden. Wer zahlt die Zeche?
https://www.youtube.com/live/U29DmHmwPzk
Deutschland am Boden – Weidel zerlegt die Union. Harte Abrechnung
Vieleicht lässt sich der christlich-demokratische Teil der Union ja für eine Koalition mit der AfD gewinnen, um Deutschland aus dem antidemokratischen Trend und der Kriegseskalation herauszuführen.
https://www.youtube.com/watch?v=YDNp4Sm6cmM
Sie treiben uns in den Krieg – Patrik Baab
Schöner Nachruf