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Wortlaut der Papst-Predigt beim ökumenischen Gottesdienst in Erfurt am 23.9.2011

Wahre Ökumene besteht im gemeinsamen Zeugnis für den  lebendigen Gott!

Liebe Brüder und Schwestern!

„Nicht nur für diese hier bitte ich, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben“ (Joh 17,20) – so hat Jesus nach dem Johannes-Evangelium im Abendmahlssaal zum Vater gesagt. Er bittet für die künftigen Generationen von Glaubenden. Er blickt über den Abendmahlssaal hinaus in die Zukunft hinein. Er hat gebetet auch für uns. Und er bittet um unsere Einheit.

Dieses Gebet Jesu ist nicht einfach Vergangenheit. Immer steht er fürbittend für uns vor dem Vater  –  und so steht er in dieser Stunde mitten unter uns und will uns in sein Gebet hineinziehen. Im Gebet Jesu ist der innere Ort unserer Einheit. Wir werden dann eins sein, wenn wir uns in dieses Gebet hineinziehen lassen.

Sooft wir uns als Christen im Gebet zusammenfinden, sollte uns dieses Ringen Jesu um uns und mit dem Vater für uns ins Herz treffen. Je mehr wir uns in dieses Geschehen hineinziehen lassen, desto mehr verwirklicht sich Einheit.

Ist das Gebet Jesu unerhört geblieben? Die Geschichte der Christenheit ist sozusagen die sichtbare Seite dieses Dramas, in dem Christus mit uns Menschen ringt und leidet. Immer wieder muß er den Widerspruch zur Einheit erdulden, und doch auch immer wieder vollzieht sich Einheit mit ihm und so mit dem dreieinigen Gott. Wir müssen beides sehen: Die Sünde des Menschen, der sich

Gott versagt und sich in sein Eigenes zurückzieht, aber auch die Siege Gottes, der die Kirche erhält durch ihre Schwachheit hindurch und immer neu Menschen in sich hineinzieht und so zueinander führt.

Deshalb sollten wir bei einer ökumenischen Begegnung nicht nur die Trennungen und Spaltungen beklagen, sondern Gott für alles danken, was er uns an Einheit erhalten hat und immer neu schenkt. Und diese Dankbarkeit muß zugleich Bereitschaft sein, die so geschenkte Einheit nicht zu verlieren mitten in einer Zeit der Anfechtung und der Gefahren.

Die grundlegende Einheit besteht darin, daß wir an Gott, den Allmächtigen, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde glauben. Daß wir ihn als den Dreifaltigen bekennen – Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Die höchste Einheit ist nicht monadische Einsamkeit, sondern Einheit durch Liebe.

Wir glauben an Gott – den konkreten Gott. Wir glauben daran, daß Gott zu uns gesprochen hat und einer von uns geworden ist. Diesen lebendigen Gott zu bezeugen ist unsere gemeinsame Aufgabe in der gegenwärtigen Stunde.

Braucht der Mensch Gott, oder geht es auch ohne ihn ganz gut? Wenn in einer ersten Phase der Abwesenheit Gottes sein Licht noch nachleuchtet und die Ordnungen des menschlichen Daseins zusammenhält, scheint es, daß es auch ohne Gott geht. Aber je weiter die Welt sich von Gott entfernt, desto klarer wird, daß der Mensch in der Hybris der Macht, in der Leere des Herzens und im Verlangen nach Erfüllung und Glück immer mehr das Leben verliert.

Der Durst nach dem Unendlichen ist im Menschen unausrottbar da. Der Mensch ist auf Gott hin erschaffen und braucht ihn.

Unser erster ökumenischer Dienst in dieser Zeit muß es sein, gemeinsam die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen und damit der Welt die Antwort zu geben, die sie braucht.

Zu diesem Grundzeugnis für Gott gehört dann natürlich ganz zentral das Zeugnis für Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, der mit uns gelebt hat, für uns gelitten hat und für uns gestorben ist und in der Auferstehung die Tür des Todes aufgerissen hat.

Liebe Freunde, stärken wir uns in diesem Glauben! Helfen wir uns, ihn zu leben. Dies ist eine große ökumenische Aufgabe, die uns mitten ins Gebet Jesu hineinführt.

Die Ernsthaftigkeit des Glaubens an Gott zeigt sich im Leben seines Wortes. Sie zeigt sich in unserer Zeit ganz praktisch im Eintreten für das Geschöpf, das er als sein Ebenbild wollte  –  für den Menschen.

Wir leben in einer Zeit, in der die Maßstäbe des Menschseins fraglich geworden sind.

Ethik wird durch das Kalkül der Folgen ersetzt. Demgegenüber müssen wir als Christen die unantastbare Würde des Menschen verteidigen, von der Empfängnis bis zum Tod – in den Fragen von PID bis zur Sterbehilfe.

„Nur wer Gott kennt, kennt den Menschen“, hat Romano Guardini einmal gesagt. Ohne Erkenntnis Gottes wird der Mensch manipulierbar. Der Glaube an Gott muß sich in unserem gemeinsamen Eintreten für den Menschen konkretisieren.

Zum Eintreten für den Menschen gehören nicht nur diese grundlegenden Maßstäbe der Menschlichkeit, sondern vor allem und ganz praktisch die Liebe, wie sie uns Jesus im Gleichnis vom Weltgericht lehrt (Mt 25): Der richtende Gott wird uns danach beurteilen, wie wir den Nächsten, wie wir den Geringsten seiner Brüder begegnet sind.

Die Bereitschaft, in den Nöten dieser Zeit über den eigenen Lebensrahmen hinaus zu helfen, ist eine wesentliche Aufgabe des Christen.

Dies gilt zunächst im persönlichen Lebensbereich jedes einzelnen. Es gilt dann in der

Gemeinschaft eines Volkes und Staates, in der alle füreinander einstehen müssen. Es gilt für unseren Kontinent, in dem wir zur europäischen Solidarität gerufen sind. Und es gilt endlich über alle Grenzen hinweg: Die christliche Nächstenliebe verlangt heute auch unseren Einsatz für die Gerechtigkeit in der weiten Welt.

Ich weiß, daß von den Deutschen und von Deutschland viel getan wird, damit allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht wird  –  und möchte dafür ein Wort herzlichen Dankes sagen.

Schließlich möchte ich noch eine tiefere Dimension unserer Verpflichtung zur Liebe ansprechen. Die Ernsthaftigkeit des Glaubens zeigt sich vor allem auch dadurch, daß er Menschen inspiriert, sich ganz für Gott und von Gott her für die anderen zur Verfügung zu stellen. Die großen Hilfen werden nur konkret, wenn es vor Ort diejenigen gibt, die ganz für den anderen da sind und damit die Liebe Gottes glaubhaft werden lassen. Solche Menschen sind ein wichtiges Zeichen für die Wahrheit unseres Glaubens.

Im Vorfeld des Papstbesuchs war verschiedentlich von einem ökumenischen Gastgeschenk die Rede, das man sich von diesem Besuch erwarte. Die Gaben, die dabei genannt wurden, brauche ich nicht einzeln anzuführen.

Dazu möchte ich sagen, daß dies ein politisches Mißverständnis des Glaubens und der Ökumene darstellt.

Wenn ein Staatsoberhaupt ein befreundetes Land besucht, gehen im allgemeinen Kontakte zwischen den Instanzen voraus, die den Abschluß eines oder auch mehrerer Verträge zwischen den beiden Staaten vorbereiten: In der Abwägung von Vor- und Nachteilen entsteht der Kompromiß, der schließlich für beide Seiten vorteilhaft erscheint, so daß dann das Vertragswerk unterschrieben werden kann.

Aber der Glaube der Christen beruht nicht auf einer Abwägung unserer Vor- und Nachteile. Ein selbstgemachter Glaube ist wertlos. Der Glaube ist nicht etwas, was wir ausdenken oder aushandeln. Er ist die Grundlage, auf der wir leben.

Nicht durch Abwägung von Vor- und Nachteilen, sondern nur durch tieferes Hineindenken und Hineinleben in den Glauben wächst Einheit.

Auf solche Weise ist in den letzten 50 Jahren, besonders auch seit dem Besuch von Papst Johannes Paul II. vor 30 Jahren viel Gemeinsamkeit gewachsen, für die wir nur dankbar sein können.

Ich denke gern an die Begegnung mit der von Bischof Lohse geführten Kommission zurück, in der solches gemeinsames Hineindenken und Hineinleben in den Glauben geübt wurde.

Allen, die daran mitgewirkt haben, besonders von katholischer Seite Kardinal Lehmann, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich versage mir, weitere Namen zu nennen  –  der Herr kennt sie alle.

Miteinander können wir alle nur dem Herrn danken für die Wege der Einheit, die

er uns geführt hat, und in demütigem Vertrauen einstimmen in sein Gebet: Laß uns eins werden, wie du mit dem Vater eins bist, damit die Welt glaube, daß er dich gesandt hat (vgl. Joh 17,21).

Kommentare

4 Antworten

  1. Ich meine als bekennender echter Ungläubiger, es sollte mir doch zugestanden werden daran zu glauben was ich will. Ich toleriere doch auch allen Gläubigen ihren Glauben an Jahwe-Herrgott-Allah. Und wenn mich der Allmächtige nun als Ungläubigen erschaffen haben sollte, fände ich es als unerhört von mir um seine Gnade zu winseln. Ich stehe dazu vom Weltgericht zu ewiger Verdammnis verurteilt zu werden – der Allmächtige hat es für mich so ausgewählt und ich habe es so zu akzeptieren! Und auch der alte Mann mit seinem qualmenden Riesen-Tee-Ei hat da nix dran zu deuteln. Mich konnten schon die Rotfaschisten nicht von ihrem Unfug überzeugen. Viel spannender sind für mich die Ansichten der Kosmologen und Astronomen über die Herkunft unserer Welt. Auch die Hirnforschung welche noch in den Kinderschuhen steckt, hat schon ein paar Interessante Phänomene zu Tage gefördert. Dieses seltsame Organ erzeugt so manche eigenartige Sinneswahrnehmung…
    Als regelrecht beleidigend empfinde ich die Äußerungen einiger Geistlicher, Ungläubige hätten die schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte verursacht. Dem muss ich entgegnen dass Hitler selbst Katholik war, auch Herr Dschughaschwili war in einem Priesterseminar tätig, bevor er zum stählernen Bolschewisten mutierte. Die Verbreitung von Halbwahrheiten sollte doch nicht zum Repertoire einer Kirche gehören, die nach eigener Darstellung die größte Glaubensgemeinschaft der Erde ist und als ihren Auftrag die Verbreitung der Wahrheit betrachtet.

    1. Guten Tag,
      der Allmächtige hat Sie nicht als Ungläubigen geschaffen, sondern als freies Wesen, das seine Freiheit auch dafür einsetzen könnte, Gott anzuerkennen.
      Aber der Ewige wünscht keine Marionetten, weshalb Gottesglaube nie erzwungen werden darf.
      Gleichwohl wünscht Gott, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“, wie das NT feststellt – das nennt man den „allgemeinen Heilswillen Gottes“, der auch für Sie gilt.
      Daß Hitler katholisch getauft wurde, spielt für die Beurteilung seiner verbrecherischen Person keine Rolle, dasselbe gilt für Kommunistenführer, die mal in einem orthodoxen Priesterseminar weilten etc. – Schließlich kennt die Weltgeschichte zahlreiche Beispiele des Glaubensabfalles – und auch unter den 12 Aposteln war ein Verräter.
      Hitler haßte und verfolgte die katholische Kirche, weshalb allein im KZ Dachau ca 3000 katholische Priester inhaftiert waren, von protestantischer Seite waren es rund 100 Pastoren, also deutlich weniger. Die Protest-Enzyklika des Papstes Pius XI. von 1937 beginnt mit den Worten „Mit brennener Sorge“ und sie trägt auch diesen Titel. Es handelt sich um eine gründliche Abrechnung mit der nationalsozialistischen Ideologie einschließlich deren Rassismus.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

  2. ökumenischer gehts kaum, doch Halbgebildete glauben Benedikt XVI könnte mehr für dieses Hirngespinst tun. In Anbetracht dessen ziehe ich es vor, mich in Sachen Ökumene an die Enzyklika „Mortalium animos“ Pius XI halten, die eine klare Absage an den Ökumenismus ist.

  3. Was mir absolut nicht gefällt ist wie die Medien sich drauf stürtzen.
    Sogar die Tagesschau fiel gestern aus. Natürlich muss man darüber Berichten, allerdings haben die öffentlich-rechtlichen über die ganze „Papstsache“ zu überpropotional berichtet.
    Ein künstliches Interesse wird erzeugt… Bei allem Respekt für die der Papst eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt.

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