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Zur Weihnachtsansprache von Papst Franziskus an die vatikanische Kurie

Von Prof. Dr. Hubert Gindert

Papst Franziskus hat am 22. Dez. im traditionellen Weihnachtsempfang für die römische Kurie zur Gewissenserforschung, wie sie vor dem Bußsakrament üblich ist, aufgerufen.

Die Medien haben daraus das gemacht, was der Medienexperte Prof. Norbert Bolz einmal so charakterisiert hazeitungent: 

„Wenn man über Jahrzehnte die Praxis der Massenmedien beobachtet, dann weiß man… es geht auch nicht so sehr um Aufklärung, sondern um Skandale und Sensationen, um das Empörungspotential von Entscheidungen. Dieses Potential wird ausgebeutet. Das ist die Logik der Massenmedien“.

Wer die Überschriften zu den Kommentaren der Papstansprache liest, fragt sich, ob die Journalisten den Originaltext gelesen haben.

Die Linie der Berichterstattung gaben italienische Medien an. Das Staatsfernsehen „RAINews 24“ schrieb: „Der Papst peitscht die Kurie“.  –  Deutsche Medien zogen nach. Die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ (23.12.2014) schrieb z.B.: “Der Papst geht mit dem Vatikan hart ins Gericht“.

Tatsächlich hat Papst Franziskus von den Versuchungen gesprochen, denen die Mitarbeiter der Kurie ausgesetzt sind – und hat sich selber mit einbezogen. Franziskus hat den Mitarbeitern der römischen Kurie für ihren Dienst gedankt und damit ihre Mitarbeit anerkannt.
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Es ist interessant, dass sich die Medien auf die sogenannten 15 „Krankheiten“ gestürzt haben, die Versuchungen und Gefährdungen der Mitarbeiter an der Kurie darstellen, aber auch für „jeden Christ, jede Kurie, Gemeinschaft, Kongregation, Pfarrei, kirchliche Bewegung“, wie der Papst an anderer Stelle seiner Rede betont.

Indem die Medien den Teil der Ansprache vor Auflistung der 15 „Krankheiten“ weglassen, in dem Franziskus deutlich macht, worum es ihm mit der „Gewissenserforschung“ ging, nämlich „uns auf das Sakrament der Versöhnung vorzubereiten“, bekommt die Ansprache eine völlig andere Richtung. 

Die Medien stellen den Papst in Gegensatz zu seiner Kurie und versuchen ihn zu instrumentalisieren. Wenn in der Papstrede das wegfällt, was der Rede ihre Ausrichtung gibt, dann ist die Berichterstattung nicht mehr Information. Sie wird zur Desinformation, zu einem Instrument der Kirchenpolitik, die sich gegen die ungeliebte römische Kurie, das Zentrum der Universalkirche, richtet.

Es ist aufschlussreich, aus dem Vorspann der päpstlichen Ansprache, einige Passagen in Erinnerung zu bringen, die die Intention von Papst Franziskus verdeutlichen.

Papst Franziskus sagte:

„Ich möchte Euch herzlich danken für Euren täglichen Einsatz im Dienst für den Heiligen Stuhl, die katholische Kirche, die Teilkirchen und für den Nachfolger Petri“.1_0_809751

„Ich möchte gemeinsam mit Euch für das nun zu Ende gehende Jahr eine lebendige und tief empfundene Danksagung zum Herrn erheben….und ihn demütig um Vergebung für begangene Verfehlungen…bitten“.

Ich möchte, „dass diese unsere Begegnung und die Überlegungen, die ich mit Euch teilen werde, für uns alle eine Hilfe und ein Ansporn zu einer wirklichen Gewissenserforschung werden, um unser Herz auf das heilige Fest der Weihnacht vorzubereiten“.

„Es ist schön, sich die römische Kurie wie ein kleines Modell der Kirche vorzustellen, also wie einen ‚Leib‘, der täglich ernsthaft versucht, lebendiger, gesünder, harmonischer und in sich selbst und mit Christus vereinter zu sein“.

„Da die Kurie jedoch ein dynamischer Leib ist, kann sie ohne Ernährung und ohne sich behandeln zu lassen nicht leben… Ein Mitglied der Kurie, das sich nicht täglich mit dieser Speise nährt, wird ein Bürokrat (ein Formalist, ein Funktionalist, ein reiner Angestellter)…

Das tägliche Gebet, der regelmäßige Empfang der Sakramente, vor allem der Eucharistie und der Versöhnung, der tägliche Kontakt mit dem Wort Gottes und die in gelebte Nächstenliebe umgesetzte Spiritualität sind die lebensnotwendige Nahrung für jeden von uns“.

„Die Kurie ist aufgerufen, sich zu bessern, sich immer zu bessern und in Gemeinschaft, Heiligkeit und Weisheit zu wachsen, um ihre Sendung vollkommen zu verwirklichen. Und doch ist sie wie jeder Leib, wie jeder menschliche Leib, auch Leiden, Funktionsstörungen, ausgesetzt.

Und hier möchte ich einige dieser möglichen Krankheiten, Kurienkrankheiten, erwähnen…Ich glaube, dass uns der Katalog der Krankheiten….helfen wird….uns auf das Sakrament der Versöhnung vorzubereiten, das für uns alle ein guter Schritt sein wird, um uns auf Weihnachten vorzubereiten“.

Und dann zählt Papst Franziskus die sog. „15 Krankheiten“ auf und erläutert sie:

  1. „Die Krankheit, sich ‚unsterblich‘, ‚immun‘ oder sogar ‚unentbehrlich‘ zu fühlen und die notwendigen und üblichen Kontrollen zu vernachlässigen“.
  2. „Die Krankheit des ‚Martalismus‘ (das kommt von Marta), der übertriebenen Geschäftigkeit“.
  3. „Die Krankheit der geistigen und geistlichen ‚Versteinerung‘.
  4. „Die Krankheit der übertriebenen Planung und des Funktionalismus“.
  5. „Die Krankheit der schlechten Koordinierung“.
  6. „Die spirituelle Alzheimerkrankheit: Also das Vergessen der ‚Heilsgeschichte‘, der persönlichen Geschichte mit dem Herrn, der ersten Liebe (Offb 2,4).
  7. „Die Krankheit der Rivalität und der Ruhmsucht“.
  8. „Die Krankheit der existenziellen Schizophrenie. Es ist die Krankheit derer, die ein Doppelleben führen, Frucht der typischen Hypokrisie des Mittelmäßigen und einer zunehmenden geistlichen Leere…“.
  9. „Die Krankheit des Geredes, des Gemunkels, des Klatsches“.
  10. „Die Krankheit, die Dienstherren zu vergöttlichen“.
  11. „Die Krankheit der Gleichgültigkeit gegenüber den anderen“.
  12. „Die Krankheit der Leichenbittermiene. Das heißt, die Krankheit griesgrämiger und mürrischer Menschen…“
  13. „Die Krankheit des Anhäufens: Wenn der Geistliche versucht, eine existenzielle Leere in seinem Herzen zu füllen, indem er materielle Güter anhäuft…“
  14. „Die Krankheit der geschlossenen Kreise, wo die Zugehörigkeit zu einem Grüppchen stärker wird als die zum Leib und in einigen Situationen zu Christus selbst“.
  15. „Die Krankheit des weltlichen Profits, des Exhibitionismus, wenn ein Apostel seinen Dienst in Macht verwandelt und seine Macht in Handelsware, um weltlichen Profit oder mehr Macht zu erhalten“    (Quelle: Die Tagespost 24.12.2014)

Durch die Konzentration der Berichterstattung auf die „15 Krankheiten“ entstand ein falsches Bild von der Ansprache des Papstes vor der römischen Kurie. Damit war der Meinungsmanipulation Tür und Tor geöffnet.

Unser Autor Prof. Dr. Hubert Gindert ist Gründer und Vorsitzender des „Forums Deutscher Katholiken“ sowie Herausgeber der kath. Monatszeitschrift DER FELS

 

Kommentare

6 Antworten

  1. Ich persönlich finde es nicht gut von dem Papst, vor der Medienlandschaft solch angebliche Krankheiten der Kurie in der Weihnachtsansprache zu präsentieren.
    Wenn es solche Probleme gibt, solte der Papst diese zur gegebener Zeit unter den Augen der Kurie besprechen. Ohne Medienrummel.

    In unserer Pfarre wurden für diese angeblich erkrankte Kurie schon Fürbitte gehalten. Sie lautete lächerlicherweise: „Für alle Kardinäle, die an den „15 Krankheiten“ leiden, die von Papst Franziskus in der Weihnachtansprache erwähnt wurden.“
    Das Kirchenvolk in den Bänken musste lachen.
    Papst Franziskus hat somit die Kurie vorgeführt.

    So oft kann ich mit den Worten von Franziskus nichts anfangen.

    Ebenfalls der „Urbi et Orbi“-Segen ist auf ganze 10 Minuten gekürzt worden. Extrem kurze Ansprache ans Volk zum Weihnachtsfest. Keinerlei Weihnachtsgrüße in unterschiedlichen Sprachen.
    Liturgisch müssen wir uns umgewöhnen.

    1. Prosit 2015

      so, die erste Feier ist vorbei

      Eine der angeblichen Krankheiten ist doch die Vergöttlichung der Dienstherren.

      Also, wenn der Papst seinen Herren Leichenbittermienen vorwirft und Gleichgültigkeit, die Zugehörigkeit zu einem Grüppchen, dann dürfen sie sich doch auch verteidigen.

      Hoffentlich hat der Papst seine Herren nicht verschreckt, denn ich glaube er mag diese Distanz nicht so ganz.

      Schöner ist es schon, so etwas unter 4 Augen zu besprechen.

  2. Es ist interessant, mal die 15 Punkte gelesen zu haben

    Bei mir sind hauptsächlich die freudlosen Gesichtsausdrücke in Erinnerung geblieben.

    Mir kam der Papst plus Kurie nicht wie eine Einheit vor.

    Ich hatte das Gefühl, der Papst hat viel Energie und Elan und erwünscht sich das von seinen Mitarbeitern auch.

    Der Papst verlangt nicht zu viel von seinen Kollegen.

    Bäume pflanzen kann man in jedem Alter und lächeln auch.

    Der Text hier entsteht mehr durchs Verkürzen.

    ich dokter da schon ne Stunde rum……

    Dabei will ich nur sagen……

    Bitte lächeln, wenn im Vatikan der Kameramann da ist!

  3. Das ist ein beachtlicher Kommentar von Prof. Gindert. Ich muss zugeben, dass ich mich in der zu Recht kritisierten Weise von den Medien überraschen liess. Die gezeigte Sichtweise auf das gemeinte Beichtsakrament ist ein wichtiger Beitrag, Danke.

    Allerdings müssen wir auch zugeben, dass Papst Franziskus kaum nur theoretische „Krankheiten“ für eine Gewissenserforschung aufgezählte, die gelegentlich oder kaum in der Kurie vorkommen und davon sich kaum ein Kurienkardinal betroffen fühlen müsste. Dieses Bild würde der Realität wohl auch nicht gerecht werden. Papst Franziskus hätte sicher lieber gesagt, Kollegen, macht weiter so.

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