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Zwangspsychiatrisierung: „Der Bundestag mißachtet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“

Pressemitteilung des „Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener“ zur Zwangsbehandlung:

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2011 mit zwei Beschlüssen der Zwangsbehandlung in der Psychiatrie die gesetzliche Grundlage entzogen. Im Juni 2012 schloss sich das zweithöchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof, dieser Rechtsprechung an. Endlich galt für als psychisch krank verleumdete Bürger das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art 2 GG) wie für alle anderen.  0023

Diese Rechtssicherheit für alle Psychiatrie-Erfahrenen, wie sich Psychiatriepatient/inn/en selber nennen, entzog Psychiatrie und Pharmaindustrie die Geschäftsgrundlage. Niemand würde Psychopharmaka nehmen, die das Leben durchschnittlich um 20 bis 32 Jahre verkürzen, wenn er nicht muss. Mit einer Medienkampagne beschworen sie die angeblichen Schäden, die eine Nichtbehandlung der armen psychisch Kranken zur Folge haben könne.

Obwohl bis heute kein/e einzige/r derartig geschädigte/r Patient/in namentlich bekannt ist, stimmten die Abgeordneten von CDU/CSU, FDP und SPD für die erneute Legalisierung der Zwangsbehandlung „psychisch Kranker“ via Betreuungsrecht…

Wir halten dieses Gesetz für verfassungswidrig weil:
a) Es handelt sich um ein diskriminierendes Sondergesetz gegen „psychisch Kranke“ und „geistig Behinderte“. Auch für viele alte Menschen, die gnadenlos mit Psychopharmaka zugedröhnt werden, stellt eine Legalisierung der Zwangsbehandlung eine massive Verschlechterung nicht nur ihrer Rechte, sondern auch ihrer gesamten Lebenssituation dar.

b) Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wann es dem Gesetzgeber überhaupt noch möglich sei, Zwangsbehandlung zu legalisieren, werden im vorliegenden Gesetzentwurf missachtet: Unbestimmte Rechtsbegriffe werden weiterhin verwendet, das Gesetz ist nicht klar und präzise. Es gibt weiterhin keinen der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Standards, weder diagnostisch noch therapeutisch, unter welchen Umständen Zwangsbehandlung sinnvoll und notwendig sein könnte.

Dass der mögliche Nutzen der Zwangsbehandlung den möglichen Schaden überwiegen solle, steht als Forderung im Gesetz ist aber genauso ein unbestimmter Rechtsbegriff. Es wird nicht näher ausgeführt, wann dies der Fall ist; Rechtfertigt z.B. die Beendigung einer „Psychose“ eine Nierenschädigung? Falls ja, wie schwer darf die Niere geschädigt werden?

c) Sollte es tatsächlich einmal um Leben und Tod gehen und das Leben eines Patienten nur durch Missachtung seines aktuellen Willens gerettet werden können, so gibt der § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) hier ausreichende Handhabe. Wir schätzen, dass dies bei maximal einem von Tausend zwangsbehandelten Menschen in der Vergangenheit zutraf.

Besonders enttäuschend fanden wir, dass die Psychiatrie die ihr gebotene Chance gewaltfrei und damit eine echte medizinische Disziplin zu werden, nicht genutzt hat. Eine rühmliche Ausnahme war Chefarzt Dr. Zinkler aus Heidenheim, der zu seiner eigenen Überraschung öffentlich fest stellte, dass er 12 Monate lang auch ohne Zwangsbehandlung auskam. Aber auch wer nicht das Glück hat, auf einen solch seltenen gutwilligen Psychiater zu stoßen, kann sich vor Zwangspsychiatrie mit einer Patientenverfügung schützen!

Unter dem Motto: Geisteskrank –  Ihre eigene Entscheidung! schließt die PatVerfü, eine spezielle Patientenverfügung mit eingebauter Vorsorgevollmacht, jede psychiatrische Diagnostizierung – und somit auch jegliche psychiatrische Behandlung – rechtswirksam aus.

Auch wer für sich eine psychiatrische Behandlung nicht grundsätzlich ausschliessen will, sollte sich durch eine präzise formulierte Vorausverfügung absichern. Nur mit einer Patientenverfügung entgeht man noch der Gefahr, mithilfe fragwürdiger psychiatrischer Diagnosen die Grundund Bürgerrechte entzogen zu bekommen!  Wer allerdings keine Patientenverfügung unterschrieben hat, sieht sich mit dem neuen Gesetz psychiatrischer Willkür ausgeliefert.

Für den geschäftsführenden Vorstand des BPE eV
Matthias Seibt
44 789 Bochum, Wittener Str. 87,
Tel: 0234 / 640 510-2  /  Fax: 0234 / 640 510-3
Kontakt-info@bpe-online.de  /  www.bpe-online.de

Kommentare

3 Antworten

  1. Habe jahrelang in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet, die Zustände sind zum Teil katastrophal. Ich bin auch nur so lange dort geblieben, weil ich grosses Mitleid mit den Patienten hatte und mir leid taten und warum manche dort eingeliefert wurden, nicht zu fassen. Die Gutachten, die ich für Ärzte gemacht hatte, wurden total verfälscht zum Negativen des Patienten korrigiert. Patienten wurden unmenschlich behandelt, unter Psychopharmaka gesetzt, dass sie sich nur noch wie Roboter bewegten. Für ein liebes Wort waren diese Menschen sehr, sehr dankbar. Auch diese Menschen merken, wenn sie wie Menschen behandelt werden und wie gut freundliche Worte tun.
    Lesen Sie das Buch:“Der letzte Schrei“ wo ein Journalist sich in eine Psychiatrie als gesunder Mensch hat einliefern lassen und seine Erfahrungen als „angeblich Kranker“ machte. Oder das Buch:“Die weissen Magier.“
    Und glauben Sie mir, Sie sind schneller in einer Psychiatrischen Klink als Sie glauben. Freie Meinungsäusserungen gibt es in unserem Lande nicht, ein falsches Wort und Sie landen dort.
    Ich weiss, wovon ich rede, denn ich habe 3 1/2 Jahre um meine Grundsicherung gekämpft. Die Schreiben wurden nicht von mir verfasst, sondern von Jemandem, die Erfahrung mit Behördenquerelen hatte, ich habe sie nur unterschrieben. Nach dieser Zeit erhielt ich den Bescheid des Behördenunmenschen:“ Anhand Ihrer Schreiben habe ich festgestellt, dass Sie Betreuung brauchen und in die Psychiatrie müssen“. Meine Reaktion können Sie sich sicherlich vorstellen. Meine eigene Antwort:“Fragt sich, wer in die Psychiatrie muss, Sie oder ich.“Daraufhin war Ruhe. Wo bleiben hier Menschenrechte und Grundgesetz?
    Aus diesem Grunde führe ich auch den Artikel 5 Grundgesetz, als Schutz für mich.

  2. Ich frage mich, warum es in den letzten Jahren so viele depressive Menschen gibt.

    Hektik an der Arbeit, das tritt ja nicht für jeden zu; denn es sind ja auch viele Arbeitslose dabei, die depressiv werden.

    Am Singledasein kanns auch nicht liegen, denn es sind ja auch erfolgreiche Familienväter betroffen.

    Am nachlassenden Glauben an Gott kanns auch nicht liegen (das dachte ich ja immer);
    denn es triff ja auch Priester. Es kann also jeden treffen.

    Sicherlich gibts sehr viele verschiedene Gründe dafür.

    Schlafmangel könnte auch eine Ursache sein.

    Persönlich glaube ich, es trifft eher Menschen, die nicht sagen, was ihnen auf der Seele liegt.
    Menschen, die alles in sich hineinfressen, werden sicherlich eher depressiv – das ist so meine Idee – habe rein beruflich aber keine Ahnung – da ich ja nichts studiert habe.

    Nur noch eine klitzekleine Frage am Rande:

    Werden Menschen, die regelmäßig beichten gehen und zwar ganz ehrlich alles beichten, auch depressiv ???

    Wenn keiner da ist, der sagt: „Deine Sünden sind Dir vergeben“ kann das krank machen.

    1. Guten Tag,
      zu Ihrer letzten Frage:
      Der bekannte Psychologe C.G.Jung, Begründer der Individualpsychologie, zunächst Weggefährte, danach Kritiker von Siegmund Freud, hat erklärt, die wenigsten Patienten, die zu ihm kämen, seien Katholiken, wobei er deren geringe psychische „Problemhäufigkeit“ auf die Beichte zurückführte. Jung selber war nicht katholisch.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

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