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Von Elmar Lübbers-Paal

„30 Jahre Gefängnis“  – so lautete das Urteil vor gut 122 Jahren, im Oktober 1902, für den damals zwanzigjährigen Italiener Alessandro Serenelli. Dies war noch eine vergleichsweise milde Strafe, da im damaligen Königreich Italien für eine solch brutale Tat lebenslange Haft vorgesehen war.

Dem Täter kam zugute, dass er nach damaliger Rechtsauffassung noch nicht volljährig war. Obwohl die gerichtlich angeordnete psychiatrische Untersuchung ergab, dass Alessandro geistig gesund und damit schuldfähig war, gaben die Ärzte zu bedenken, dass der junge Mann eine unglückliche Kindheit durch den Alkoholkonsum des Vaters und den frühen Tod seiner psychisch stark gestörten Mutter durchlebte.

Tatsächlich wollte seine Mutter ihn nach seiner Geburt ertränken, worauf sie in ein psychiatrisches Krankenhaus kam und sich wenige Monate später dort das Leben nahm. Auch ein Bruder Alessandros beging während seiner Studienzeit im Priesterseminar Selbstmord.

Nach seiner Schulzeit begann der als schüchtern geltende Alessandro, Geld als Hafenarbeiter zu verdienen, bis er zur Arbeitsunterstützung seines Vaters umzog. Die Familie Goretti zog später in das gleiche Landarbeiterhaus, um mit den Serenellis die unwirtliche Gegend der Pontinischen Sümpfe unweit von Rom zu bewirtschaften, in der es viele Malariakranke gab.

Es war der 5. Juli 1902, als Alessandro die elfjährige Maria Goretti bedrängte, damit sie sich ihm gefügig zeige. Er wollte sie vergewaltigen und war zur Gewaltanwendung bereit.

BILD: Cover des italienischen Maria-Goretti-Spielfilms „Himmel über den Sümpfen“ von 1949

Der Auslöser dieses Verbrechens sollen  – wie er später sagte –  pornographische Bilder gewesen sein, die ihm durch seinen Vater, seinem früheren Arbeitgeber und einem Vermieter zugänglich waren.

Es war nicht das erste Mal, dass er sich Maria sittenlos nähern wollte. Auch jetzt wehrte das Mädchen ab und schrie wiederholt: „Nein, das ist eine schwere Sünde! Gott will das nicht! Du kommst sonst in die Hölle!“

Diesen Widerstand versuchte der junge Täter durch Würgen abzuschwächen, doch Maria verteidigte weiter ihre Reinheit. Alessandro ergriff ein Stecheisen bzw. Pfriem und stach elfmal auf sie ein.

Die Schwerverletzte wollte durch das Öffnen der Tür Hilfe herbeirufen. Doch dabei geriet der Triebtäter so in Rage, dass er erneut auf Maria einstach. Alessandro ließ das blutüberströmte Mädchen zurück und floh augenblicklich.

Maria, die liebevoll Marietta gerufen wurde, starb am Folgetag im Krankenhaus von Nettuno, nachdem sie ihrem Mörder vergab und für ihn betete; sie äußerte sogar den heroischen Wunsch: „Ich möchte, dass er für immer bei mir im Himmel ist.“

Alessandro Serenelli wurde bald gefasst und verurteilt. Von der Haftzeit saß er 27 Jahre ab, drei wurden ihm erlassen, teils wegen guter Führung. Zunächst war er kein vorbildlicher Gefangener, was sich erst im Laufe der Haft änderte, nachdem ihm in einer Traumvision Maria Goretti erschienen sein soll und ihm ierzehn schneeweiße Lilien überreichte sowie ihre Vergebungsworte bekräftigte.

An Weihnachten 1928 wurde Serenelli entlassen. Am 25. Dezember 1934 kniete er vor der Mutter seines Opfers, Assunta Goretti, und flehte sie um Vergebung an. Die großherzige Mutter folgte dem Beispiel ihrer Tochter und verzieh dem Täter. Gemeinsam besuchten sie darauf die Weihnachtsmesse.

Alessandro, der sich nach seiner Haft zunächst als Bauer und Arbeiter seinen Lebensunterhalt verdiente, merkte allmählich, dass dies nicht seine Berufung war. Schließlich schloss er sich dem Orden der Kapuziner an, wo er als Laienbruder die Aufgaben des Gärtners und Pförtners übernahm.

Während seiner Klosterzeit, er starb dort am 6. Mai 1970, kurz vor seinem 88. Geburtstag, betete er oft den Rosenkranz vor dem Bild der inzwischen heiliggesprochenen Maria Goretti.

Marias Mutter war die erste Mutter der Weltgeschichte, die bei der Heiligsprechung ihres eigenen Kindes  – gemeinsam mit vier ihrer weiteren Kindern  –  anwesend war.

Diese Heiligsprechung war in gewisser Weise auch ein zeitkritisches Signal des amtierenden Papstes Pius XII, denn er verwies damit auf eine schmerzliche Wunde, die zunehmende moralische Verwahrlosung durch Bücher, Bilder, Mode und Vereine. Diese Entsittlichung begünstigte die massiv ansteigenden Delikte der Vergewaltigungen junger Frauen seit Kriegsende.

1951 wurde Maria Goretti zur Patronin der Marianischen Kongregationen ernannt. Ihr liturgischer Gedenktag ist der 6. Juli. Das Grab der Heiligen befindet sich in der Kirche von Nettuno südlich von Rom; es wurde von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. besucht.

Kommentare

12 Antworten

  1. GLAUBENSDIKASTERIUM HAT BOTSCHAFTEN DER SEHERIN PIERINA GILLI BEWERTET
    Positives Urteil über Marienerscheinung nach neuen Wunder-Normen

    VATIKANSTADT ‐ Der Vatikan prüft angebliche Wunder. Seit Kurzem gibt es dafür neue Regeln – und diese wurden nun erstmals mit einem zustimmenden Ergebnis angewandt. Dass die Marienerscheinungen im Bistum Brescia echt sind, ist damit aber nicht bestätigt.

    https://www.katholisch.de/artikel/54585-positives-urteil-ueber-marienerscheinung-nach-neuen-wunder-normen

  2. Da möchte ich erinnern an „Freundeskreis Maria Goretti e.V.“, der zwar seine regelmäßigen Publikationen eingestellt hat, jedoch die Idee lebt weiter. Sein Hauptanliegen ist die Kritik am meist nicht kindgerechten Aufklärungsunterricht, der viele Jugendliche überfordert und zum „Ausprobieren“ verleitet – einem Ausprobieren, das wie eine Pflanze bei übermäßigem Regen im Schlamm untergeht und nicht wie vom Schöpfer beabsichtigt einen „Baum“, eine neue Familie hervorbringt. Dann müsste man auch das Ehe-Alter gesetzlich herabsetzen auf 13, 14 Jahre, aber nein – selbst Kindergarten-Kinder werden oft schon konfrontiert mit Sachen, die ihnen noch viel zu früh sind. So geht das Interesse an entwicklungsgerechten Themen verloren. Ein Kind muss als Folge dieser Überforderung sich mit Erwachseneninhalten auseinandersetzen, kann aber oft nicht einmal kindgerechte Geschichten in eigenen Worten wiedergeben oder gar schreiben. Bis zum Ehe-Alter „warten“ fällt unter diesen Umständen schwer, was die verantwortlichen Erwachsenen einmal vertreten werden müssen!

    1. Die Sexualaufklärung wurde zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich gehandhabt, und es kommt auch sehr stark auf den Lehrer an. Ich kann nicht sagen, dass bei uns damals (Ende der 80er oder Anfang der 90er Jahre) die Schüler direkt oder indirekt zum „Ausprobieren“ animiert worden wären.

      Der „Freundeskreis“ geht meiner Meinung nach von völlig falschen Voraussetzungen aus. Auch heutzutage können viele Eltern – trotz „sexueller Revolution“ und egalitärem, vertrauensbasiertem Erziehungsstil – nicht mit ihren Kindern über Sexualität sprechen. Und wenn die Eltern das nicht tun, wird das von irgendwelchen gleichaltrigen, den Medien oder sogar irgendwelchen Pornofilmen erledigt. Und zu solchen Dingen haben die Kinder heutzutage fast uneingeschränkten Zugang.

      Da ist es besser, wenn sie von der Schule wenigstens mit validen Informationen zur menschlichen Fortpflanzung und zu Schwangerschaft und Geburt versorgt werden. Ich sage „valide“ – dieser pornografische „Aufklärungsunterricht“ rot-grüner Couleur ist noch einmal ein anderes Thema.

  3. Ich muss sagen, dass ich mit der Gestalt Maria Gorettis so meine Probleme habe. Das heißt, nicht einmal mit der Frau selbst, sondern mit ihrer Behandlung durch die Kirche.

    Seit ihrer Heiligsprechung muss jede Frau, die vergewaltigt wurde, sich entschuldigen, dass sie immer noch lebt („du hättest es ja richtig machen können, wie Maria Goretti“).

    1. Guten Tag,
      Maria Goretti wurde nicht „nur“ heiliggesprochen, weil sie ihre Reinheit verteidigte, sondern nicht zuletzt auch deshalb, weil sie ihrem Mörder vergeben hat.
      Da kommt also eins zum anderen!
      Freundlichen Gruß
      Felizitas Küble

        1. ..das vermag ich nicht zu glauben.
          Und so eine Vorgehensweise wäre sehr unsensibel … und zu verurteilen.
          Und: es gab und gibt sicherlich viele Frauen und Mädchen .. die sexuell misshandelt und missbraucht wurden, auch von ihren Vätern, zB, die vergeben haben, von denen wir nichts wissen ..

          Ich denke auch eher, dass sie heilig gesprochen wurde, vor allem, weil sie vergeben hat .. weil Gott durch sie gezeigt hat, dass wir mit Seiner Hilfe vergeben können … weil wir verstanden haben, was Christus für uns getan hat und ich – der Gedanke kommt mir gerade – glaube sogar, dass das auf einer tieferen Ebene, als uns gemeinhin zugänglich ist, stattfindet … Vergebung .. denn rational betrachtet gibt es keinen Grund zum Vergeben, wenn einer uns Schlimmes zugefügt hat.

          Aber das ist doch das Unglaubliche, dass Jesus gesagt hat: man hat euch gesagt: Auge um Auge, Zahn um Zahn .. den Übeltäter hassen, ICH aber sage euch …

          Und wie schwer fällt es mir schon, dem Kollegen zu vergeben, der dumm rumsteht bei Feierabend und tratscht und sich nicht beteiligt am Saubermachen, so dass man fertig wird, und alle heimkönnen … und den zu mögen, der mich nicht mag … (es ist leicht, die zu mögen, die uns mögen .. )
          Ist nicht gerade das u.a.der Skandal, den Jesus gelebt hat? Und gelehrt?

          Und dass Menschen, die das dann tun, heilig gesprochen werden .. bedeutet, dass diese größere Liebe, nämlich die Liebe Christus in jenem Menschen Oberhand gewonnen hat, und erkannt, dass der Mensch sich das Schlimmste antut, was er sich antun kann, nämlich sich selbst zur Hölle verdammen … … mir wird das selbst grad klar in dem Versuch, meine Meinung und Gedanken dazu verständlich auszudrücken .. wie oft ich fehle in Kleinigkeiten und mich aber im Recht fühle .. und da ist es wieder: das Fühlen .. anstatt: Verstand und Vernunft .. die Gebote Gottes halten …

          Und trotzdem: Vergebung darf wachsen … man kann sie nicht erzwingen .. und man muss auch danach nicht vertraut miteinander werden .. und GOTT sieht unser Herz an
          .. wenn wir nur wollen, auch wenn wir es nicht schaffen .. wird ER das für uns in die Waagschale werfen ..

          1. Was Sie schreiben, ist alles richtig. Dennoch kann man diese beiden Dinge, Widerstand und Vergebung, nicht voneinander trennen. Maria Goretti ist für das „Gesamtpaket“ heilig gesprochen worden.
            Und die Tatsache, dass sie dafür heilig gesprochen wurde, verstehe ich so, dass man nach katholischer Lehre Widerstand bis zuletzt leisten muss („lieber sterben als sündigen“ – Zitat von Maria Goretti).

            Ich bin nun keine Frau, aber mich würde es unter Druck setzen, wenn ich wüsste, wenn ein Typ mich bedrängt, bedeutet das für mich den Tod, wenn ich ihn nicht abwehren kann.

          2. Guten Tag,
            die Kirche verlangt keineswegs von der Frau in dieser Situation, daß sie ihre Ermordung riskiert. Das steht in keinem einzigen Morallehrbuch, auch nicht im Beichtspiegel, Katechismus oder sonstwo.
            Wenn die Frau zum Sex gezwungen wird, ist es ohnehin für sie keine Sünde, weil ja der freie Wille fehlt.
            Es hat z.B. auch jeder das Recht auf Notwehr.
            Wenn jedoch ein Christ heldenhaft darauf verzichtet, ist das besonders bewunderungswürdig.
            Das heißt doch nicht, daß jene, die ihr moralisches RECHT auf Notwehr in Anspruch nehmen, deshalb „sündigen“.
            Unterscheiden Sie mal zwischen erlaubtem Normalfall und dem heroischen Sonderfall.
            Freundlichen Gruß
            Felizitas Küble

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