Oberstes Gericht betont Schäden der Vielweiberei für Frauen, Kinder und Gesellschaft
Vielehen bleiben in Kanada verboten. Das Verbot ist allgemein durchzusetzen, auch bei einer andersdenkenden mormonischen Splittergruppe, so die Ansicht des Obersten Gerichts der Provinz British Columbia.
Das Verbot der Polygamie schränke zwar formal die Religionsfreiheit ein. Dies sei aber angesichts des Schadens gerechtfertigt, den die Mehr-Ehe für Frauen, Kinder und die Gesellschaft verursachen.
In den Experten-Anhörungen, die Robert Bauman, der Oberste Richter von British Columbia, seit November 2010 abhielt, ging es auch darum, ob das multikulturelle Einwanderungsland Kanada das jüdisch-christliche Verständnis der Ehe als monogamer Beziehung von Mann und Frau festhält oder aufgibt.
Richter Bauman mußte sich auch mit dem Ausspruch des langjährigen kanadischen Premiers Pierre Trudeau befassen, wonach „der Staat in den Schlafzimmern der Nation nichts zu suchen hat“.
Anlaß zum Verfahren war das Zögern der staatlichen Behörden, das Verbot der Vielweiberei in einer mormonischen Splittergruppe durchzusetzen. Diese praktiziert die Polygamie der frühen Mormonenbewegung trotz des Verbot in den USA und Kanada (1890) weiterhin in ihrer abgeschotteten Siedlung Bountiful.
Die Behörden griffen nicht durch, weil die Sektengruppe das Grundrecht der Religionsfreiheit geltend machte. Erst Anfang 2009 erhoben sie Anklage gegen den FLDS-Chef Winston Blackmore. Nach deren Scheitern wegen Verfahrensfehlern beantragte British Columbia eine verfassungsrechtliche Prüfung des Polygamieverbots.
Am 23. November 2011 urteilte Robert Bauman, Oberster Richter der ausgeprägt multikulturellen Provinz in einem 335 Seiten umfassenden Beschluß, daß das Polygamieverbot nicht gegen die Verfassung verstößt.
Die Rechtsvorschrift solle vielmehr Schaden von Betroffenen abwenden: „Frauen in polygamen Beziehungen sind einem erhöhten Risiko physischen und psychischen Leids ausgesetzt. Sie sind einer höheren Rate von häuslicher Gewalt und Missbrauch, einschliesslich sexuellen Missbrauchs ausgesetzt“, heißt es in dem Gerichtsentscheid.
Die Verheiratung von Mädchen, oft mit deutlich älteren Männern, sei in polygamen Kreisen gängig, frühe sexuelle Aktivität sowie Schwangerschaften kämen immer wieder vor und hätten negative Folgen für die Mädchen.
Die Hearings brachten zutage, daß auch junge Männer schwere Nachteile erleiden, wenn die Führer der Gemeinschaft sich reihenweise jene Mädchen nehmen, die ihnen gefallen – oder sie ihren gefügigen Anhängern zuteilen.
Am härtesten trifft es Kinder: In polygamen Gemeinschaften gibt es mehr Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch sowie gravierende emotionale Schwierigkeiten und Schul-Probleme.
Einige der von Bauman angehörten Experten hatten auf anderen Kontinenten die Umstände polygam lebender muslimischer Frauen studiert. Ihre Befunde ähnelten denen aus dem Mormonen-Milieu.
Baumans Entscheid, daß Polygamie „an sich schädlich“ ist, gewinnt Bedeutung weit über Nordamerika hinaus. Ob der Entscheid Baumans beim Obersten Gericht Kanadas angefochten wird, blieb vorerst noch offen.
Quelle: www.jesus.ch