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Von Elmar Lübbers-Paal

Der Schriftsteller Erich Kästner erklärte einst, dass sich Diktaturen nur vor ihrer Machtübernahme wirksam bekämpfen ließen, denn danach ist es mit der Presse- und Meinungsfreiheit zu Ende.

Zu den frühestenStimmen gegen die nationalsozialistische Ideologie gehört der Historiker und Publizist Fritz Gerlich.

Schon seit dem Putschversuch Hitlers in München 1923 erwies sich der damalige Chefredakteur der „Münchener Neuesten Nachrichten“ mit seinen scharfsinnigen Leitartikeln als unbeugsamer Gegner der NS-Bewegung. Mit seiner 1930 gegründeten Wochenzeitung „Der gerade Weg“ warnte er weiter eindringlich vor dem heraufziehenden Neuheidentum, Antisemitismus und Rassismus der NSDAP.  

Kaisersohn Otto auf der Abschußliste

Einer der Autoren in Gerlichs Zeitung war Otto von Habsburg, ein Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl, der seliggesprochen wurde. Otto von Habsburg war im Zuge der Verhaftung Gerlichs das Leben gerettet worden, wie er berichtete:

Ein Unbekannter sei bei ihm in München aufgetaucht, habe sich als Gestapo-Mann vorgestellt und ihn gebeten, noch am selben Tag aus Deutschland zu verschwinden, denn an diesem Abend sei „Der gerade Weg“ von der SA gestürmt und Chefredakteur dabei verprügelt worden. Er selber stehe ebenfalls auf der Abschußliste. Der Kaisersohn hat diesen Rat befolgt und so überleben können.

Bei einer Gedenkveranstaltung für Fritz Gerlich im Juni 2015 erklärte der damalige bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle:

„Es gab in Bayern wohl nur wenige Journalisten, die den Nationalsozialismus mit dem gleichen Scharfsinn und mit der gleichen Konsequenz, mit der gleichen Kompromisslosigkeit und Zivilcourage bekämpft haben wie Fritz Gerlich“.

Im KZ Dachau erschossen

Der Zeitungschef warnte immer eindringlicher vor der drohenden NS-Machtergreifung und schrieb geradezu beschwörend: „Ihr, die ihr diesem Betruge eines von der Gewaltherrschaft Besessenen verfallen seid, erwacht! Es geht um Deutschland, um euer und um eurer Kinder Schicksal.“

Bereits am 9. März 1933 war Gerlich ins Münchner Polizeigefängnis gesperrt, misshandelt und zum Selbstmord gedrängt worden, den er unter Berufung auf seine Glaubensüberzeugung verweigerte.

Er kam in „Schutzhaft“ und wurde eine Woche später erneut gefoltert. Er blieb 16 Monate in Münchner Gefängnissen. Danach wurde er am 30. Juni 1934 im Kontext der „Röhm-Putsch“-Säuberungsaktion ins KZ Dachau gebracht.

Dort wurde Gerlich auf Befehl Hitlers in der Nacht zum 1. Juli 1934 unter dem Kommando des SS-Sturmführers Wilhelm Breimaier erschossen. Die Leiche des Märtyrers wurde im Krematorium auf dem Müncher Ostfriedhof eingeäschert. 

Gerlich auf dem Weg zur Seligsprechung

Das Erzbistum München-Freising hat das diözesane Seligsprechungsverfahren für Gerlich eingeleitet, das mit einem Gottesdienst im Liebfrauendom am 16. Dezember 2017 offiziell eröffnet wurde. Die katholische Kirche hat den  Glaubenszeugen in das deutscher Martyrologium des 20. Jahrhunderts aufgenommen.

Gerlich wurde 1883 in Stettin als Sohn eines Fischgroßhändlers geboren und evangelisch-reformiert getauft. Er studierte ab 1902 in Leipzig Mathematik und Physik, ein Jahr später Geschichte an der Universität München. 1907 promovierte er in Philosophie.

Am 9. Oktober 1920 heiratete er in der bayerischen Hauptstadt Sophie Botzenhart. Der Historiker gründete eine Wochenzeitschrift mit dem Titel „Die Wirklichkeit“.

Seine Besuche bei Therese Neumann  – bekannt als „Resl von Konnersreuth“  – und ihrem Umfeld im Jahre 1927 führten den zuvor überzeugten Calvinisten der katholischen Kirche näher. Zum Konnersreuther Kreis gehörten NS-kritische Geistliche wie der Kapuziner Ingbert Naab. Gerlich wurde von ihnen in seiner unerbittlichen Gegnerschaft ermutigt. 1931 trat er in die römisch-katholische Kirche ein.

Kommentare

10 Antworten

  1. Danke, Anonymus, für die Info, die ich nicht wusste: Da hat Kardinal Faulhaber aber wirklich sehr umsichtig und sogar von Rom aus und sehr schnell reagiert!
    Pastoral perfekt und für Gerlich sicher überaus tröstlich!

    1. 16./17. Mai 1933

      Der in „Schutzhaft“ verbleibende Archivar wird von zwei SA-Schlägern (letztmals) schwer misshandelt.

      Seine gehbehinderte Frau, Waldburg-Zeil, Wutz und Steiner können ihn in größeren Abständen kurz besuchen.

      Er liest vor allem religiöse Literatur und beeindruckt Leidensgefährten mit seiner ungebrochenen seelischen Verfassung.

      Drei Schweizer Bischöfe intervenierten zugunsten von Fritz Gerlich
      Dezember 1933

      Am 21. Dezember 1933 sandten die katholischen Bischöfe von Chur (Vincenz), Basel-Lugano (Ambühl) und St. Gallen (Scheiwiler) einen Brief an den Nuntius Orsenigo in Berlin. Sie „richteten die herzliche Bitte, Dr. Fritz Gerlich zum Weihnachtsfeste die Freiheit wiederzugeben. Wäre man aber der Ansicht, dass das aus Gründen der persönlichen Sicherheit für Dr. Gerlich unmöglich ist, so wären diese Bedenken leicht zu überwinden, wenn man ihm gestatten würde, sich zur Erholung in die Schweiz zu begeben“.

      https://www.gerlich.com/biografie/1933

  2. Wenn man bedenkt, dass er ununterbrochen in der Münchner Ettstraße im Polizeigefängnis saß mehr als ein Jahr – ab dem 9. März 1933 – , bis zu der Nacht, wo er nach Dachau, 18 km von München entfernt, zum sofortigen Ermorden gebracht wurde, dann ist das Wahnsinn. Er sah von seiner Zelle aus ständig auf die beiden Frauentürme, wenige Meter stehen sie entfernt! Bekannt ist nicht, dass hohe Geistliche oder der Bischof ihn besuchten oder besuchen wollten. Welch traurige und vielfach feige Zeit! Nutzen wir heute unsere Zeit zum Widerstand, ehe es zu spät ist!
    Dr. Fritz Gerlich ist ein Patron des intellektuellen und leidenschaftlichen Widerstandes! Lasst uns Lebensschützer und Lebensrechtler ebensolche mutigen und leidenschaftlichen Widerständler sein!

    1. Zeitungen in Österreich und der Schweiz berichteten im März 1933 über Gerlichs Verhaftung und Misshandlung. Der Erzbischof von München und Freising, Michael von Faulhaber, veranlasste am 19. März 1933 von Rom aus telegrafisch, dass Gerlich und der vier Tage nach ihm verhaftete Schriftleiter der Münchner Neueste Nachrichten, Erwein von Aretin, seelsorglichen Beistand erhielten.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Gerlich

    1. Bei Ivo Sasek bin ich mir nicht sicher, ob ich denken soll: Da haben sie einen gefunden, der das glaubt, was man ihm vichtigtuerisch erzählt, weil man weiß, auf welche Situationen er empfänglich ist. Alles freiwillig — selbstverständlich. Weil die Welt hat sonst keine Probleme.

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